Zart begleitet

Schubert hatte grosse Affinität zur Gitarre, zur Liedbegleitung hat er sie aber nicht eingesetzt. Bei dieser Ausgabe der «Winterreise» steht nun ein Gitarrenduo neben dem Tenor.

Mit dem Namen Franz Schuberts verbinden sich in der Regel die Assoziationen: Lied, Klavier, Streichquartett. Schuberts Messen, Sinfonien und zahlreiche Bühnenwerke fanden, wenn überhaupt, erst nach seinem Tod Beachtung. Sein Liedschaffen jedoch hatte musikgeschichtlich gesehen enormen Einfluss auf die Entwicklung der Gattung des Kunstliedes, wie wir es heute kennen, und war schon zu seinen Lebzeiten in der Öffentlichkeit präsent.

Obwohl kein einziges seiner Lieder mit authentischer Gitarrenbegleitung überliefert ist, gibt es doch genügend Quellen, die Schuberts Affinität zur Gitarre belegen und Gitarrenbearbeitungen seiner Klavierlieder rechtfertigen. Im Biedermeier blühte das musikalische Leben nicht auf grossen Bühnen, sondern im Kleinen und Privaten, und seit 1821 ist uns die Tradition der sogenannten Schubertiaden überliefert. Das Lieblingsinstrument des Biedermeiers war im schubertschen Freundes- und Familienkreis omnipräsent, Schubert selbst besass eine Gitarre aus der Werkstatt Staufers.

Schon zu seinen Lebzeiten gab es entsprechende Fassungen des Erlkönigs oder der Jungen Nonne beispielsweise (allerdings nicht von ihm selbst), und es finden sich sogar einige Lieder, die den Gestus des Gitarristischen (oder Harfenistischen) nachzuahmen suchen und sich hervorragend für Gitarrenbearbeitungen eignen. Man denke an Die Nacht D534 oder Nachtstück D672.

Inzwischen gibt es eine Fülle von transkribierten Liedern. Die vorliegende Fassung der Winterreise ist von Christian Fergo und Raoul Morat sogar für Gitarrenduo gesetzt, das sicher der Klangfülle einer Klavierbegleitung näher kommt und dennoch die Zartheit und den Farbenreichtum der Gitarre voll ausschöpft. Eine in meinen Augen beachtenswerte Ausgabe ist entstanden, die das vorhandene Gitarrenrepertoire bereichert und erweitert.

Man stellt sich auf den Standpunkt, ein Arrangement sei immer zugleich eine Interpretation, und so entschied man sich, obwohl Fingersätze immer eine individuelle Entscheidung des jeweiligen Gitarristen sind, einige zu notieren, um den ursprünglichen Charakter der musikalischen Struktur und des Ausdrucks der Klavierstimme beizubehalten. Die Klaviere zu Schuberts Zeiten waren in ihrer Klangfarbe wesentlich zarter, und man weiss, dass Schubert selbst einen eleganten, leichten Anschlag und wenig Pedaleinsatz anstrebte. Umso naheliegender, die farbenfrohen Möglichkeiten einer gitarristischen Bearbeitung dazu zu nutzen, genau jene intime Seite der Klavierbegleitung hervorzuheben, die Schubert möglicherweise vorgeschwebt ist.

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Franz Schubert: Winterreise, für Tenor und zwei Gitarren bearb. von Christian Fergo und Raoul Morat, D 08955, € 34.95, Doblinger, Wien

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