Briefe erzählen Stefi Geyers Leben

Helga Váradi und Dominik Sackmann haben hier nicht nur erstmals den gesamten Briefwechsel mit Béla Bartók veröffentlicht, sondern zeichnen das ganze Leben der berühmten Geigerin nach.

Dieses gewichtige Buch gibt intime Aufschlüsse zur Biografie der 1956 verstorbenen Violinvirtuosin Stefi Geyer, Schülerin von Jenő Hubay. Als Wunderkind spielte sie schon im Alter von 10 Jahren in Budapest ein Bériot-Konzert, 12-jährig Spohrs Konzert In Form einer Gesangsszene und schon bald ein grosses Repertoire in ganz Europa, z. B. mit 20 das Brahms-Konzert in Berlin. Als 19-Jährige führte sie 1907/08 mit dem 26-jährigen Béla Bartók einen intensiven Briefwechsel. Bartók war damals mit der Sammlung von Volksliedern beschäftigt. Er bewunderte Stefis Können. und ihr Interesse an seiner Arbeit schmeichelte ihm. Sie diskutierten sich widersprechend über den Glauben an Gott, verschiedene Formen von Freundschaft und immer wieder über ihre Arbeiten. Bartók schrieb für Stefi ein stilistisch neuartiges Violinkonzert, von dessen Leitmotiv d-fis-a-cis immer die Rede ist als unausgesprochener Liebeserklärung. Das Manuskript des Konzertes erhielt sie von Bartók geschenkt, behielt es ungespielt und übergab es auf dem Sterbebett Paul Sacher. Es wurde 1958 durch Hansheinz Schneeberger in Basel uraufgeführt.

Kurz nach dem Ende der unglücklichen Liebe heiratete Bartók Marta Ziegler und Stefi den Wiener E. O. S. Jung, der aber 1918 der Spanischen Grippe erlag. Ihre Bekanntschaft mit dem Zürcher Pianisten, Komponisten und Konzertorganisator Walter Schulthess führte 1920 zur Heirat. Zürich wurde zu einem Zentrum des internationalen Konzertlebens. So ergab sich eine erneute Annäherung an Bartók, die ab 1928 bis zu Bartóks Tod 1945 in einem neuerlichen Briefwechsel greifbar wurde. Darin wirkt der Umgang der zwei Ehepaare (Bartók war seit 1923 mit seiner Schülerin Ditta Pásztory verheiratet) bald sehr familiär dank gemeinsamer Ferien und später immer stärker umsorgend. Neben ihrer intensiven Lehrtätigkeit in Zürich, der Betreuung ihrer 1921 geborenen Tochter Rosmarin, ihrem Wirken als Konzertmeisterin des Zürcher Collegium Musicum, Mitwirkung an den Luzerner Festwochen und weltweiten Konzerten kümmerte sich Stefi Geyer fürsorglich um ihre unter sowjetischer Verwaltung leidenden Verwandten in Ungarn; davon zeugen die Briefe aus den Jahren 1925 bis 1956. Aus 21 Briefen von Jenő Hubay erahnt man seine fortdauernde Unterstützung für Stefi.

Das Buch liest sich spannend wie ein Briefroman. Wertvoll ergänzt sind die Briefe durch einen fotografischen Lebenslauf, mehrere einführende Texte der Herausgebenden Dominik Sackmann und Helga Váradi und den Mitarbeitenden László Vikárius und Kornel Zipernowsky. Verdienstvoll ist das aufwendig zusammengestellte chronologische Verzeichnis aller Konzerte und gespielten Werke Stefi Geyers.

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Stefi Geyer. Materialien zu ihrer Biografie, hg. von Helga Váradi und Dominik Sackmann, Zürcher Musikstudien Band 11, 522 S., Fr. 103.00, Peter Lang, Bern u. a. 2021, ISBN 978-3-0343-3769-4 (Print)

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