Eine Freundschaft und ihr Umfeld

Meinhard Saremba zeigt auf, wie sich die Aufspaltung im Musikleben des 19. Jahrhunderts in eine Liszt-Wagner- und eine Schumann-Brahms-Partei im Leben von Clara Schumann und Johannes Brahms spiegelt.

Die Freundschaft des bärbeissigen Johannes Brahms und der weltgewandten Clara Schumann ist schon ausgiebig besprochen und bis in die intimen Details ausgeleuchtet worden. Unter dem Aspekt der Entwicklung des Musiklebens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist diese Beziehung meines Erachtens aber noch nie betrachtet worden. Dass die Aufspaltung in eine Liszt-Wagner- und eine Schumann-Brahms-Partei da hineinspielt, war zu erwarten. Dass diese Freundschaft sich aber in dieser Hinsicht als derart aussagekräftig erweist, ist eine wirkliche Überraschung.

Manche Äusserungen würden heutzutage dutzendweise auf Social Media ausgetauscht und als völlig «normal» bezeichnet; wenn aber Johannes Brahms seinem Freund Joseph Joachim am 7. August 1859 schreibt: «… es wäre herrlich, wenn Du im Sommer in Deutschland sässest, wunderschön komponiertest und nebenbei mit einigen fliegenden Bögen diese Leute totschlügest, und ich sässe dabei, freute mich und hülfe Noten schreiben», ist man doch erstaunt. Anderseits kennt man die beschämenden Frotzeleien aus Cosima Wagners Tagebüchern, etwa vom «schädlichen muckerischen Einfluss auf den gebildeten Bürgerstand» des Herrn Brahms oder «diese Vortragslosigkeit der Mme Schumann».

Dieser «Parteienstreit» allein macht aber den Reiz des Buches nicht aus; vielmehr sind es der Verlauf der kulturpolitischen Geschichte, neue Vermittlungsformen und das Aufkommen einer «neuen Moderne», welche wirkungsvoll thematisiert werden. Die einzelnen Werke der beiden werden zwar in diese Entwicklung hineingestellt, aber im Detail nicht besprochen; auch die problematische Seite der persönlichen Beziehung Clara/Johannes, die es ja auch gegeben hat, wird bloss gestreift. In den beiden letzten Kapiteln fallen ein paar plakative Sätze über die spaltende Wirkung der Musik von Wagner und Liszt im Gegensatz zur versöhnenden Musik von Brahms. Versöhnlich wirkt Brahms als Person in der Beschreibung des Autors, wie er im Oktober 1895 an der Feier zur Eröffnung der Tonhalle in Zürich teilnahm, im Deckengemälde sein eigenes Konterfei hinter Beethoven entdeckt und gesagt haben soll: «Ich bin doch noch unter den Lebenden.»

Personenregister, eine umfangreiche Zeittafel und die mehr als tausend durchnummerierten Anmerkungen komplettieren den hohen Informationswert dieser Doppelbiografie.

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Meinhard Saremba: «… es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!». Clara Schumann, Johannes Brahms und das moderne Musikleben, 446 S., 20 Ill., € 28.00, Osburg, Hamburg 2021, ISBN 978-3-95510-259-3

Bilder oben: Clara Wieck 1840, Zeichnung von Johann Heinrich Schramm, wikimedia commons

Johannes Brahms um 1855, Tabotypie, wikimedia commons

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