So hat Telemann seine Musik verziert
Die Blockflötistin und Oboistin Astrid Knöchlein legt eine eingehende und systematische Studie über die Ornamentierungspraxis des Hamburger Barockkomponisten vor.

Ein nicht langweiliges Buch über verschiedene Verzierungsmuster im Werk eines Komponisten zu schreiben – eine Herausforderung; gross ist die Gefahr, in trockene Schulmeistersprache zu verfallen und die Leserschaft augenblicklich abzuschrecken.
Dass ein solches Vorhaben auch lebhaft und praxisnah möglich ist, zeigt Astrid Knöchlein in ihrer neuen Studie über die Verzierungspraxis von Georg Philipp Telemann. Anhand von dessen methodischen Sonatensammlungen (TWV 41 und 42, publiziert in Hamburg 1728, 1731 und 1732) stellt die Blockflötistin und Oboistin einen umfassenden Katalog an Verzierungen – von der Wechselnote über den Schleifer bis zu Salti composti und Circolo – zusammen und verortet diese minutiös in den jeweiligen langsamen Sätzen der Sonaten, die Telemann für die Ornamentik verwendete.
Theorie und Praxis
Dem «Handbuch der Verzierungen» als Band 2 geht ein erster Teil mit musiktheoretischen Grundlagen voraus, der die Praxis mit einer lebendigen Darstellung des Diskurses zu Zeiten Telemanns unterfüttert. Knöchlein lässt dabei dessen Musikerkollegen Johann Mattheson und Johann Joachim Quantz durch deren wichtigste Traktate ausgiebig zu Wort kommen. Als Leserin oder Leser fühlt man sich, als sitze man mitten in einem Theoriezirkel der Musikgelehrten im Norddeutschland des Hochbarocks.
Damit es sich bei den Musikbeispielen im zweiten Teil nicht um blosse trockene Notenbilder handelt, fokussiert Knöchlein in Band 1 auf die Affektenlehre. Sie expliziert diese anschaulich, quellen- und praxisnah mit Hilfe musikalischer Parameter: Tonart, Melodie, Rhythmus, Harmonie, Metrik und letztlich Ornamentik.
Es ist eine Stärke des zweibändigen Buchs, dass es Lesarten unterschiedlicher Tiefengrade zulässt: Wer sich für Telemanns musiktheoretisches Umfeld und die damals gängigsten Anschauungen zur Verzierungspraxis interessiert, wird im ersten Teil fündig. Wer die methodischen Sonaten, etwa im Hinblick auf deren Interpretation, bis ins letzte Detail studieren und analysieren möchte, kommt an Band 2 nur schwer vorbei.
Dieses Buch ist von einer Musikliebenden für Musikliebende geschrieben worden.
Astrid Knöchlein: Verzieren – wie Telemann! Georg Philipp Telemanns Methodische Sonaten und Trietti methodichi, hg. von Claire Genewein, Dorit Führer-Pawikovsky und Peter Schmid, 2 Bd., 57+145 S., Fr. 65.00, Schmid & Genewein, Zürich 2024, ISBN 978-3-033-05348-9