Lyrisches Rondo
Form und Charakter dieses Stücks von Franz Xaver Mozart weisen es als Kopfsatz einer unvollendeten Sonate aus.

Als jüngstes Kind seines berühmten Vaters Wolfgang Amadeus stand Franz Xaver Wolfgang Mozart sein Leben lang in dessen Schatten. Da seine Mutter ihn schon als Kleinkind zum Berufsmusiker bestimmt hatte, erhielt er in seiner Heimatstadt Wien Kompositions- und Instrumentalunterricht bei Johann Nepomuk Hummel, Antonio Salieri, Johann Georg Albrechtsberger und anderen. Ab 1813 wirkte er als angesehener Pianist und Pädagoge in Lemberg, von wo er eine ausgedehnte Europatournee unternahm, und organisierte dort zahlreiche Konzerte. 1838 kehrte er wieder nach Wien zurück.
Sein Werk, zu dem hauptsächlich Klavierkonzerte, wenig Kammermusik und Gesangswerke gehören, ist in der heutigen Zeit nahezu in Vergessenheit geraten und selten in den Konzertsälen zu hören. Zu seinen wenigen kammermusikalischen Kompositionen gehört der Anfang 1810 erschienene Sonatensatz für Flöte und Klavier, bei welchem interessanterweise der Titel Rondo weder zur Form noch zum Charakter der Komposition passt. Das nur handschriftlich überlieferte Werk wurde vom Komponisten «Sonate» genannt. So handelt es sich hierbei um den Kopfsatz einer unvollendet gebliebenen Flötensonate, die Mozart dem Leipziger Verleger Johann Gottfried Härtel versprochen hatte.
Der Satz beginnt mit einer kurzen, viertaktigen Einleitung, die in das lyrische Hauptthema mündet, das weitgehend durch einen ruhig im legato ausschwingenden moll- Dreiklang gestaltet wird, und auch das gesangliche lyrische Seitenthema anschliesst. Überleitungen füllt der Komponist meistens durch girlandenartige, virtuose Läufe aus. Die eher kompakte Form und der lyrische Charakter des Stücks regte zeitgenössische Kritiker dazu an, Mozart nicht als Meister der Form zu bezeichnen, sondern «sein Talent wird ihm wohl mehr Glück in den Gattungen finden lassen, wo es zunächst auf anmutige, schmeichlerische Melodien ankommt». Mozart selbst beschreibt in einem Brief die Flöte als Instrument, «welches recht gut zu meinem schwärmerischen Temperamente stimmt», und bezeichnet den Sonatensatz als «sanft und singend». Die Melodiegestaltung steht hörbar Franz Schubert nahe, was damit zu tun haben könnte, dass beide Komponisten Antonio Salieri als Lehrer hatten, der zu den Wegbereitern der Wiener Romantik gehörte. Auf jeden Fall wird, wie der Herausgeber Karsten Nottelmann am Ende des Vorworts bemerkt, das schmale Repertoire an Originalkompositionen für Flöte und Klavier aus dem 19. Jahrhundert durch Mozarts Sonatensatz um ein wahrhaft «singendes Werk bereichert».
Franz Xaver Mozart, Rondo e-Moll für Flöte und Klavier, hg. von Karsten Nottelmann, HN 1180, € 11.00, G. Henle, München 2013