Melodien des Lebens

Ingrid Lukas legt nach langer Pause ein Album vor, das ihren persönlichen Weg reflektiert und geheimnisvoll schimmernde Musik bietet.

Ingrid Lukas. Foto: zVg

Der Titel des ersten Albums seit acht Jahren, das die schweizerisch-estnische Sängerin, Songschreiberin und Pianistin Ingrid Lukas eingespielt hat, ist Programm. Elumeloodia ist Estnisch und heisst so viel wie «Lebensmelodie». Die lange Wartezeit ist – es wird angesichts des Titels nicht überraschen – mit den Veränderungen verbunden, welche die Künstlerin in den vergangenen Jahren teils unfreiwillig, teils freiwillig erlebt hat. Die Schaffenspause begann damit, dass der langjährige musikalische Partner Patrik Zosso schwer erkrankte – er ist unterdessen vollständig genesen und gehört mit dem Keyboarder Ephrem Lüchinger und dem Bassisten Manu Rindlisbacher zum Kernpersonal von Elumeloodia. Am Anfang der Zwangspause arbeitete Lukas in einer Schule für schulisch benachteiligte Jugendliche und beobachtete dabei, welch positive Wirkung eine musikalische Betätigung auslösen kann. Die Einsicht regte das Bedürfnis an, sich intensiver mit Musiktherapie zu beschäftigen. So absolvierte sie in Berlin ein Masters-Studium in diesem Fach und ist heute in der Aarauer Rehaklinik Barmelweid beschäftigt. Diese Arbeit wiederum zeigte ihr eine neue Perspektive zu ihren eigenen Bedürfnissen auf. «Früher habe ich einfach Musik gemacht, weil es mir in die Wiege gelegt worden war», sagt sie. «Erst in diesen acht Jahren habe ich herausgefunden, dass ich das machen muss. Warum es meine Lebensmelodie ist. Dass sonst ein Teil von mir nicht lebt.»

Ungefähr die Hälfte der Elumeloodia-Lieder haben estnische Texte, ein paar andere sind englisch, eines trägt sie in einer improvisierten Lautsprache vor. Die Wahl der Sprache ist im gleichen Sinn spontan (sie schliesst schweizerdeutsche Texte in Zukunft nicht aus), wie sich Lukas heute bemüht, ihre Musik möglichst un-kopflastig anzugehen. Dank der souveränen gesanglichen und kompositorischen Abgeklärtheit, zu der sie während ihrer In-sich-Gekehrtheit durchgefunden hat, gönnt sie sich dabei ganz neue stilistische und technische Freiheiten. Die Lieder wurden im Studio mit den oben genannten Musikern zum Teil improvisationsmässig er-spielt und danach mit allerhand digitalen Tricks bearbeitet. So ist eine geheimnisvoll schimmernde Musik entstanden, wo analog aufgenommene, elektronisch bearbeitete Klänge und Gesang in meditativer Intensität nahtlos ineinandergreifen. Die Stimmungen reichen vom perkussiv ritualistischen Rainspell über die ambiente Improvisation von Beginning bis hin zum herrlichen, nordisch-gospeligen Titelstück. Ein ausserordentlich packendes Album, das in jeder Hinsicht resolut seine eigenen stilistischen Wege geht.

Ingrid Lukas: Elumeloodia. Ronin Rhythm Records RON 032

Das könnte Sie auch interessieren