Blaskapellen im Tessin
Das Zentrum für Dialektologie und Ethnographie (CDE) in Bellinzona stellt eine neue Publikation vor, die sich mit der Geschichte der Bandella befasst.

Bei Festen und Patrozinien der italienischsprachigen Schweiz ist sie auch heute noch zuweilen zu hören: die Bandella. In der Vergangenheit waren diese kleinen Blaskapellen praktisch überall anzutreffen und im Alltag der Menschen fest verankert. Beim Karneval oder bei Dorffesten, bei politischen Versammlungen und Sportanläs-sen waren sie allgegenwärtig, bei Hochzeiten sogar unverzichtbar. Zudem unterhielten sie die Menschen auf manchen Ausflügen. Überall, wo die Bandella in Erscheinung trat, trug sie zur allgemeinen Heiterkeit bei und wurde zu einem wichtigen Teil des gemeinsamen kulturellen Erbes der italienischsprachigen Schweiz.
Doch war bisher kaum etwas über die Ursprünge dieser Musiktradition bekannt. Wie viele Bandelle gab es in früheren Zeiten, wer waren die wichtigsten Protagonisten und welches Repertoire spielten diese? Auch wusste man bisher kaum, welche vergleichbaren musikalischen Ensembles es in früheren Zeiten im Alpenraum und im nördlichen Italien gegeben hat.
Eine neue Publikation des Zentrums für Dialektologie und Ethnographie (CDE) in Bellinzona bringt nun Licht in dieses wenig erforschte kulturelle Phänomen des Tessins und des italienischsprachigen Graubündens. Sie be-handelt das Thema aus drei Perspektiven: historisch, kulturanthropologisch und musikalisch. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Musik realisiert und förderte überraschende Ergebnisse über die Geschichte aber auch die heutige Realität der Bandella zutage. Die Tradition der kleinen Blasmusikformation ist in der italienischsprachigen Schweiz noch immer lebendig und hat durchaus das Potenzial zur Erneuerung.
So fanden die Forschenden heraus, dass die Bandella in ihrer langen Geschichte von vielfachen Impulsen ge-prägt worden ist. Am Anfang stand und steht auch heute eine solide Ausbildung der musizierenden Protagonis-ten. Diese erfolgte einst durch das Militär, heute vor allem in Kursen im Bereich der Blasmusik. Der Tourismus hat die Bandella als identitätsstiftende musikalische Praxis sehr gefördert und so zu ihrem Überleben beigetra-gen. Zudem konnte sich die Bandella damit behaupten, dass sie das Repertoire immer wieder den Bedürfnissen der Gegenwart angepasst hat, mit der Absicht, dem Publikum eine zeitgemässe und gute Unterhaltung zu bie-ten. Die Bandella ist auch heute noch so lebendig, weil sie trotz vielfältiger Modeströmungen das Prinzip des spontanen Musizierens in fröhlicher Atmosphäre nie aufgegeben hat.
Buchpräsentation in Bellinzona
Die Publikation wird vorgestellt am Samstag, 23. November 2019, 16:30 Uhr
im Palazzo Civico, Piazza Nosetto 5, Bellinzona
Grussworte von:
· Carlo Piccardi, Musikwissenschaftler
· Paolo Ostinelli, Direktor des Centro di dialettologia e di etnografia
· den Autoren des Buches: Aldo Sandmeier, Emanuele Delucchi und Johannes Rühl (Hoch-schule Luzern – Musik)
Den im Anschluss stattfindenden Apéro begleiten die legendäre Bandella di Tremona und spontan mitspielende Musikerinnen und Musikern.
Bildlegende
Foto der «Maggiolata» in Caslano, 1986, mit der Kostümgruppe Malcantonesi und der Bandella di Banco
Angaben zum Buch
Note di bandella. Percorsi nel patrimonio musicale della Svizzera italiana
Centro di dialettologia e di etnografia, Bellinzona 2019, 225 S., 18 x 25 cm, CHF 30.-.
ISBN 978-88-944285-2-0mit Beiträgen von Aldo Sandmeier, Emanuele Delucchi und Johannes Rühl
In deutscher Sprache werden Auszüge des Buches ab April 2020 elektronisch verfügbar sein auf der Projektwebseite der Hochschule Luzern (https://www.hslu.ch/de-ch/hochschule-luzern/forschung/projekte/detail/?pid=4076).