«Über Musik reden ist wie Architektur tanzen.» Das ist das gängigste und zugleich umstrittenste Zitat über den Sinn der Logik, angewandt auf Gebiete wie die Kunst, die keiner Logik gehorchen.

Das ebenso schöne wie unbestimmte Zitat wird regelmässig Frank Zappa zugeschrieben, aber auch Elvis Costello oder Bob Dylan, während zuverlässigere Äusserungen auf den amerikanischen Schauspieler und Komiker Martin Mull weisen.

Jenseits dieser Unklarheit steht die Frage nach dem Sinn des Aphorismus: Wörter – Logos – zu verwenden, um etwas Nonverbales zu beschreiben, führt zu einem ebenso unergiebigen (wenn nicht ungeschickten oder gar lächerlichen) Resultat, wie wenn man den Sinn eines Gebäudes mit einer Arm- und Beinbewegung erfassen wollte.

Musik kann ausschliesslich gehört werden, daher bildet nur der Höreindruck die symbolisch-semantische Welt dieser Kunst wirklich ab.

Warum also, wenn es doch keinen Sinn hat, sprechen wir weiterhin über Musik?

Eine erste Antwort ist praktischer Natur: Über Musik zu reden dient dazu, sie von einem Blumenkohl, einem Lächeln oder einer Pandemie zu unterscheiden. Denn es gibt sie, diese «Musik», sowohl in der realen Welt – bestehend aus tatsächlich wahrnehmbaren Objekten – wie im Reich der Vorstellungen. Und darüber zu sprechen hilft, sich dieser Existenz gewahr zu werden.

Über Musik zu reden dient auch dazu, dass die Erfahrungen, die uns berühren, eine Spur hinterlassen. Indem wir unsere Handlungen und Gefühle im Zusammenhang mit Musik beschreiben, entsprechen wir einem grundlegenden menschlichen Bedürfnis, nämlich uns und anderen gegenüber Rechenschaft abzulegen über unsere Existenz. Mitteilen, was unser Leben mit Musik zu tun hat, wird zu einer ebenso plausiblen Bestätigung unserer Existenz, wie manches andere auch.

Indem wir kommunizieren, entsteht zudem eine höhere Ebene des «Redens über Musik», eine Ebene, auf der wir gemeinsame Werte aufbauen; eine Ebene auch mit kulturellen Nuancen, denn beim Argumentieren rund um Musik bringen wir uns ein, wir zeigen, wer wir sind, und wir hinterlassen Spuren unserer Identität.

Die höchste Stufe des Redens über Musik schliesslich lässt dem Bewusstsein Gerechtigkeit widerfahren, den objektiven, übertragbaren und universellen Werten, die ausgewählten menschlichen Erfahrungen entspringen. Einem Bewusstsein, das wir alle zugleich empfangen und weitergeben.

Schliesslich ist Reden über Musik so unverzichtbar wie Reden über sich selbst. Denn am Ende ist der Mensch Wort und es scheint, so schreibt es der Evangelist Johannes, als wäre Gott das auch.

 

Zeno Gabaglio
… ist Musiker und Philosoph, Präsident der Tessiner Subkommission der Musik, Jurymitglied des Schweizer Musikpreises und Mitglied des SUISA-Vorstands.