Es geht nicht um Inklusion – sondern ums Musikmachen

Die Musikschule Oberemmental und die Heilpädagogische Schule Langnau bieten einen gemeinsamen Musikworkshop an. An diesen „Happy Fridays“ lernen alle voneinander – Saxophonpädagoge und Mitglied der Schulleitung Fabio da Silva und Schulische Heilpädagogin Joëlle Bieri berichten.

Happy Fridays – ein gemeinsames Ensemble der Musikschule und der Heilpädagogischen Schule Langnau (Bilder: zvg)

Musik Menschen näherzubringen, die keinen einfachen Zugang dazu haben war schon lange Fabio da Silvas Wunsch. Er führte Kompositionsworkshops in Haftanstalten durch, vertonte die Lebensgeschichten von Suchtkranken und von hochbetagten Menschen – es lag für ihn nahe, auch als Musikpädagoge nach neuen Wegen zu suchen. Er klopfte bei der Heilpädagogischen Schule (HPS) an und fand mit Joëlle Bieri, die als frühere Primarlehrerin über grosse Erfahrung im Unterrichten von Musik verfügte, eine engagierte Projektpartnerin. Seit Sommer 2022 treffen sich nun Schüler:innen der Musikschule gemeinsam mit Schüler:innen der HPS und studieren Songs wie „Believer“ von den Imagine Dragons oder „079“ von Lo & Leduc ein.

Echte Instrumente erlernen – als Band

Zunächst standen an diesen „Happy Fridays“ Perkussionsinstrumente, die Instrumente der Musikschüler:innen (Saxophon und Klarinette) sowie der Skoog im Mittelpunkt. Der Skoog ist ein speziell für inklusives Musizieren entwickelter, leicht bedienbarer Würfel. Schon nach kurzer Zeit äusserten jedoch mehrere HPS-Schüler:innen den Wunsch, auch akustische Instrumente kennenzulernen.

„Da sind absolute Talente dabei“, sagt Joëlle Bieri. Mittlerweile spielen alle teilnehmenden Schüler:innen in wechselnden Besetzungen Djembé, Klavier, E-Gitarre, E-Bass, Saxophon, Klarinette und Schlagzeug. Unterstützt werden sie dabei von einem siebenköpfigen Leitungsteam. mit Musikpädagog:innen der Musikschule und Mitarbeitenden der HPS. Die Workshop starten meistens mit einem Improvisationsstück, mit dem sich die Musikschüler:innen warm spielen und das Ensemble-Spiel üben. Anschliessend arbeiten sie gemeinsam an einem Stück, erarbeiten die Melodie, den Beat und die Begleitung.

Fröhliches Instrumente-Ausprobieren an den Happy Fridays

Ein Ensemble wie jedes andere

„Wir machen keinen Unterschied zwischen Kindern aus der Musikschule und der HPS und verwenden deshalb auch den Begriff ‚Inklusion‘ nicht mehr“, sagt Fabio da Silva, „Die Happy Fridays sind genau gleich wie andere Ensembles an der Musikschule.“ Auch Heilpädagogin Joëlle Bieri sieht dies so: „Es ist nicht entscheidend, wer wo in die Schule geht. Die Kinder identifizieren sich mit dem Projekt, sie sind ein Team geworden.“ Die Konzerte der Happy Fridays sind gut besucht und zeigen dieses selbstverständliche Miteinander auch dem Publikum auf.

Aufeinander zugehen

Das Projekt stösst innerhalb der Musikschule auf grosses Interesse, kann aber gerade bei Musikpädagog:innen ohne Erfahrung mit Kindern mit Behinderungen auch Unsicherheit mit sich bringen.„Ich glaube, es braucht einfach die Offenheit, aufeinander zuzugehen.“, sagt Joëlle Bieri, „Man muss einander kennenlernen, versuchen die Schüler*innen dort abzuholen, wo sie gerade stehen und so ermöglichen, dass sie ihre Talente entdecken und Freude beim Musikmachen erleben.“ Die Zusammenarbeit im Leitungsteam ist geprägt von grossem Engagement und einer gegenseitig wertschätzenden und unterstützenden Haltung. Für Fabio da Silva sind die Happy Fridays eine grosse Bereicherung neben dem Einzelunterricht mit den Saxophonschüler:innen. Mehrere Schüler:innen der HPS besuchen inzwischen den instrumentalen Einzelunterricht an der Musikschule Oberemmental, was Joëlle Bieri und Fabio da Silva besonders freut.

1. Preis am Good-Practice-Wettbewerb des VMS

Was die Finanzen betrifft, haben die beiden Projektparteien eine gute Lösung gefunden: die Kosten werden hälftig aufgeteilt. Die Personalkosten tragen die jeweiligen Institutionen für ihre Angestellten. Um den Ensemble-Unterricht für die Musikschüler:innen, die alle bereits Einzellektionen besuchen, kostenlos zu halten, werden diverse Finanzierungsmöglichkeiten in Form von Stiftungen und anderen Projektbeiträgen immer wieder aufs Neue gesucht. Sowohl die Musikschule als auch die HPS planen, das Projekt weiterzuentwickeln und auszubauen. „Es wäre schön, wenn auch andere Musikschulen dazu inspiriert werden, solche Projekte zu starten“, sagt Fabio da Silva. Der Gewinn des 1. Preises am Good Practice-Wettbewerb des VMS mag ein erster Schritt in diese Richtung sein. Herzliche Gratulation!

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