Ammanns Orchestermusik im Studio

Das Label Schweizer Fonogramm legt Dieter Ammans Orchesterwerke «Glut», «Boost», «Core» und «Turn» als Studioaufnahmen vor. Es spielt das Orchestre de la Suisse Romande unter der Leitung von Jonathan Nott.

Dieter Ammann. Foto: zVg

«Keine Sekunde Leerlauf» sei in den Werken von Dieter Ammann zu finden, meinte sein berühmter, inzwischen leider verstorbener Komponistenkollege Wolfgang Rihm. Tatsache ist, dass die Schöpfungen des Aargauers, der als Kompositionslehrer an der Luzerner Musikhochschule wirkt, beim Publikum extrem gut ankommen. Sein Klavierkonzert Gran Toccata, an dem er mehrere Jahre gearbeitet hat, wurde – auch dank der phänomenalen Interpretation durch Andreas Haefliger – bereits weltweit mit grossem Erfolg gespielt, und sein Anfang dieses Jahres uraufgeführtes Bratschenkonzert no templates hat auch grosse Chancen, ein Repertoirestück zu werden.

Besonders bekannt ist Ammann im letzten Jahrzehnt aber mit vier Werken für grosses Orchester geworden, in chronologischer Reihenfolge sind dies Boost (UA 2002), Core (UA 2002), Turn (UA 2010) und glut (UA 2016). Die ersten drei wurden vom Luzerner Sinfonieorchesters bzw. dem Lucerne Festival in Auftrag gegeben, glut dagegen gemeinsam vom Zürcher Tonhalle-Orchester und dem Berner Symphonieorchester.

Improvisatorischer Habitus und akribische Sorgfalt

Ihre bestechende Wirkung beruht auf mehreren Faktoren: Einerseits spürt man Ammanns Vergangenheit als Jazzmusiker und Improvisator. Obwohl die vier Stücke keinerlei improvisierte oder aleatorische Passagen enthalten, sondern im Gegenteil bis ins kleinste Detail «ausgetüftelt» sind, besitzen sie einen rhythmischen Groove, der die Spannung ständig aufrechterhält. Pierre Boulez charakterisierte sie folgendermassen: «Ammanns Orchesterwerke bilden die Synthese aus scheinbar improvisatorischem Habitus und akribischer Sorgfalt in der Ausarbeitung.» Diese Arbeitsweise macht ihn zu einem der «langsamsten» Komponisten unter den Zeitgenossen. Ammann schreibt dazu, Komponieren heisse auch, «den Widerspruch auszuhalten, als Suchender in einer Welt unterwegs zu sein, deren eigener Schöpfer man gleichzeitig ist». Andererseits sind die Werke sehr abwechslungsreich und sinnlich, da Ammann in seiner Orchestration alle Möglichkeiten eines modernen Orchesters ausschöpft, wobei das Schlagzeug oft prominent vertreten ist.

Natürlich hat ganz unterschiedliche Musik Spuren in Ammanns Werk hinterlassen, man ist momentweise an John Adams’ Short Ride in a Fast Machine, Mark-Anthony Turnages Three Screaming Popes, György Kurtágs Stele oder sogar an Alexander Mossolows Eisengiesserei erinnert; manche Harmonien und Klangfarben glaubt man auch in Werken des französischen Impressionismus oder bei Olivier Messiaen schon einmal gehört zu haben. Ammanns Musik ist aber nicht epigonal, sondern besitzt ihre ganz persönliche Handschrift. Erfreulich ist, dass er gänzlich auf Zitate verzichtet, die bei anderen Komponisten im Moment fast unumgänglich zu sein scheinen.

Klanglich opulent und mit Brillanz gespielt

Bei Naxos ist 2023 eine CD mit Orchestermusik von Ammann (darunter Core, Turn und Boost) in hervorragenden, live aufgezeichneten Interpretationen durch die Basel Sinfonietta unter Baldur Brönnimann erschienen. Dass jetzt das Label Schweizer Fonogramm diese drei Werke, ergänzt durch glut, in Studioaufnahmen mit dem Orchestre de la Suisse Romande unter der Leitung von Jonathan Nott, der mit Ammanns Musik vertraut ist, herausgebracht hat, kann man als Glücksfall bezeichnen. Zum einen hat man nun von einigen der interessantesten in der Schweiz komponierten neueren Orchesterwerken bereits zwei unterschiedliche Aufnahmen, zum andern ist die neue Einspielung, klanglich opulent und mit grösster Brillanz gespielt, ein wirkliches Hörvergnügen. Die CD kann wärmstens empfohlen werden!

Dieter Ammann: glut, music for orchestra. Orchestre de la Suisse Romande; Jonathan Nott, Leitung. Schweizer Fonogramm, SF0020

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