«Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit»

Michael Bühler ist neuer Rektor der Kalaidos Musikhochschule.

Interview: Annette Kappeler — Michael Bühler studierte Musik mit Hauptfach Klarinette, hat einen Master in Business Administration und promovierte mit einer Studie, welche die (negativen) Auswirkungen der Ritualisierung auf das klassische Konzert untersucht. Ausserdem blickt er auf eine beeindruckende Karriere als Intendant und Orchestermanager zurück – unter anderem beim Opernhaus Zürich und dem Zürcher Kammerorchester. Seine vielfältigen Erfahrungen bringt er ab Oktober 2021 in die Hochschularbeit ein.

Michael, welche Deiner vielen Kenntnisse und Eigenschaften erscheinen Dir für Deine neue Funktion als Rektor einer Hochschule zentral?

Ich denke, dass meine vielseitige Neugier, meine Offenheit und mein Interesse am gesellschaftlichen und technologischen Wandel meine Arbeit massgeblich prägen werden.

Wie kann ich das verstehen?

Nun, in den letzten Jahren habe ich aufmerksam mitverfolgt, wie sich die Anforderungen an Kulturschaffende und Kulturinstitutionen grundlegend verändert haben: Das Mediennutzungsverhalten wurde multimedial, sodass jüngere Konsumenten heute kaum mehr in der Lage sind, an einem klassischen Konzert in kontemplativer Stille zu versinken und sich nur der Musik hinzugeben. Die Aufmerksamkeitsspanne hat sich drastisch verkürzt. Das kann dazu führen, dass jüngere Menschen rasch gelangweilt sind oder es schlicht nicht mehr schaffen, sich «nur» auf die Musik zu konzentrieren.

Aber diese gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen sind scheinbar spurlos am klassischen Konzert vorbeigegangen. Wen wundert es da, dass jüngere Besucherinnen fehlen und das Durchschnittsalter des Publikums in die Höhe schiesst!

Und was bedeutet das für die Musikhochschulen?

Den staatlich subventionierten Musikhochschulen wird ein grosser Anreiz zu Wachstum gegeben. Wie dabei die Qualität aufrechterhalten werden kann, scheint noch unklar.

In meinen Augen müssten weniger das Wachstum, sondern vielmehr die Erfolgsbilanz auf dem Arbeitsmarkt im Vordergrund stehen – und damit wird die Frage, wie Musikerinnen auf diese Herausforderungen reagieren, zentral.

Sollten sich Ausbildungsprogramme demnach noch stärker diesen aktuellen Entwicklungen anpassen?

Unbedingt! Wir müssen unsere Studierenden noch besser darauf vorbereiten, dass niemand auf die 345. Aufnahme der Frühlingssonate wartet – und wird sie auch noch so brillant gespielt. Um damit aufzufallen, muss es der Musikerin gelingen, sich mit hartnäckigem Selbstmarketing oder anhaltender Präsenz auf den sozialen Medien Gehör zu verschaffen und mit dem Publikum zu interagieren. Im Sinne des Changemanagements müssen wir die Studierenden nicht nur zu musikalischen Höchstleistungen führen, sondern sie auch unternehmerisch für den Arbeitsmarkt fit machen. Oder frei nach den Worten Friedrich Schillers: «Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit».

Welche Rolle kann eine private Hochschule wie Kalaidos in der Schweizer Bildungslandschaft spielen? Was hebt sie von anderen Musikhochschulen ab?

Dadurch, dass die Kalaidos als einzige private Fachhochschule keine staatlichen Subventionen erhält, setzen wir uns diesem wirtschaftlichen Druck selber aus und müssen uns täglich fragen: Wie können wir unsere Ausbildungsprogramme verbessern, so dass die Studierenden erfolgreich sein können?

Denn nur wenn sie erfolgreich sind, sind wir als Institution erfolgreich. Auch wenn das hart klingen mag, es entspricht der marktorientierten Realität – und dieser Herausforderung wollen wir uns ganz im Sinne unserer Studierenden auch in Zukunft stellen.

Hast Du vor, auch Deine eigenen Forschungsarbeiten und -ergebnisse in die Hochschularbeit einzubringen?

Ja. Wie gerade erwähnt, scheint es mir zentral, dass wir versuchen, ständig am Puls der Zeit zu bleiben. Und das bedeutet eben auch, auf akademischem Weg nach Lösungsansätzen für neue Herausforderungen zu suchen. Wenn diese Erkenntnisse dann direkt ins Studium einfliessen, sind die Studierenden sicherlich gut vorbereitet.

Annette Kappeler

… ist Studiengangleiterin im Master Pädagogik an der Kalaidos Musikhochschule.

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