Work-Life-BaIance als Musikerin

In den letzten Jahren haben sich Arbeitsmodelle stark verändert, das Homeoffice mit seinen Vor- und Nachteilen hat sich in vielen Kontexten durchgesetzt, auch über Arbeitszeitverkürzungen und mehr bezahlte Zeit für Sorge-, Hausarbeit, Freizeit, kreative Tätigkeiten und soziales Engagement wird immer mehr diskutiert.

Die Kalaidos Musikhochschule fragt bei einer Mitarbeiterin nach, wie sie ihr Alltagsleben gestaltet und was sich ändern müsste, damit Berufs- und Privatleben leichter mitenander vereinbar sind.

Annette Kappeler, gerade bei Musikerinnen kommt ja die Freizeit oft zu kurz. Wie würdest du deine Zufriedenheit in Bezug auf deine Work-Life-Balance beschreiben?
Nicht ganz ideal: Als Musikerin bin ich am Wochenende oft beschäftigt, unter der Woche arbeite ich für die Kalaidos Musikhochschule und die Hochschule der Künste Bern, so dass mir manchmal kein freier Tag bleibt. Gleichzeitig habe ich das grosse Privileg, mir meine Zelt frei einteilen zu können.

Du hast vor fünf Monaten ein Kind bekommen, worüber wir uns ausserordentlich freuen! Wie verbindest du Alltagsleben mit Partner und Kind mit deinen beruflichen Aktivitäten?
Wir teilen uns Erwerbs-, Sorge- und Hausarbeit gleichberechtigt. Bei der Planung von unserem Wiedereinstieg unsere Arbeitgeberinnen sehr kooperativ und flexibel.

Wann verbringst du Zeit mit deinem Partner und deinem Kind?
Ich versuche mir zum Beispiel nach Konzertwochenenden, den Montag freizunehmen und geniesse die Zelt zu Hause dann sehr. Unter der Woche versuche ich, keine zu langen Arbeitstage zu haben, so dass ich ab 16h Zeit habe.

Mit welchen Formen von Kinderbetreuung hast du Erfahrung? Wie zufrieden bist du damit?
Unser Kind ist nun fünf Monate alt und geht zweieinhalb Tage in die Kita. Ausserdem haben wir Freund:innen, die gerne Zeit mit ihm verbringen. Mit beiden Formen der Betreuung sind wir sehr zufrieden, ich denke auch, dass sie Sich ideal ergänzen — bei einer Eins-zu-eins-Betreuung kann man uneingeschränkt auf ein Kind eingehen, In einer Gruppe von Kindern findet en enormer Lernprozess in Bezug auf soziales Verhalten statt.

Was müsste sich in der Schweiz in Bezug auf Elternschaft ändern, damit Berufsleben und Sorgearbeit besser miteinander vereinbar sind?
Da gäbe es viel zu tun Um nur einige Punkt zu nennen: Bezahlte Elternzeit von einigen Monaten, frei auf beide Eltern aufteilbar — oder am besten noch flexibler – frei aufteilbar auf die Personen, die sich intensiv um ein Kind kümmern wollen, also auch Grosseltern oder sonstige Bezugspersonen! Eltern- (oder eben Bezugspersonen-)Teilzeit, und bezahlbare Kinderbetreuung für alle!

Was würdest du in Bezug auf die Wochen-Arbeitszeit unternehmen?
Eine Verkürzung der Arbeitszeit wäre sicher wünschenswert — über vierzig Stunden in der Woche ist doch niemand kreativ und produktiv, die meisten Menschen sind auch öfter krank und unzufriedener, wenn sie so viel arbeiten. Wir sind in der privilegierten Situation, dass wir es uns eisten können, weniger als 100% zu arbeiten, aber das ist längst nicht für alle möglich. Im Endeffekt wäre wahrscheinlich ein Grundeinkommen die beste Variante, um allen einen guten Ausgleich von Freizeit, Arbeit für eine Gemeinschaft, Weiterbildung und Sorgearbeit zu ermöglichen.

Und was würdest du in Bezug auf die Arbeitssituation von Musiker:innen verbessern?
Für die Arbeit von Musiker:innen müsste es einen verbindlichen Mindestlohn geben, man müsste für jedes Engagement sozialversichert sein. Im Moment werden wir oft nicht bezahlt, wenn wir krank Sind, und viele Ensembles zahlen keine Pensionsversicherung für ihre Mitarbeiter:innen.
Die Kunst wird oft als teurer Luxus bezeichnet aber gleichzeitig haben Wir gerade während der erlebt, dass sie eine der ersten Dinge ist, die uns dann fehlen. Bel einem meiner ersten Konzerte nach den Lockdowns haben die Leute im Publikum geweint vor Freude, wieder ein Live-Konzert hören zu können und das in einem Land, wo man sonst nur im Kino und im Fussballstadion weint!
Ich denke, diese Art von Luxus sollte uns faire Löhne und Arbeitsbedingungen wert sein!

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