Musikpädagogik ist Kultur und Bildung!

Im Juni wurde die Kulturbotschaft 2025 – 2028 von Herrn Bundesrat Alain Berset vorgestellt. Leider wird Musikpädagogik – und Kunstunterricht überhaupt – in der Botschaft, die die Grundlage für Subventionen und fürs Mitspracherecht bildet, stiefmütterlich behandelt.

Oft hiess es in der Pandemie: „Kunstunterricht ist nicht Kultur; ihr seid Bildung.“, wenn wir auf die schwierige finanzielle Lage von selbständigerwerbenden Musikpädagog*innen hingewiesen haben oder wenn wir bei Kulturthemen mitreden wollten.

Um diplomierte/r Musikpädagoge/in zu werden, muss man bei der Zulassungsprüfung einer Musikhochschule ein hohes technisches und künstlerisches Niveau auf seinem Instrument beweisen und man muss durch seine künstlerische Präsenz und Ausstrahlung überzeugen. Nach bestandener Prüfung studiert man mindestens fünf Jahre auf dem Instrument und entwickelt diese performativen Qualitäten weiter. Dann erwirbt man entweder im 4. und 5. Studienjahr oder nach dem Masterabschluss in einem zusätzlichen Studiengang fachdidaktische Kompetenzen. – Und damit beginnt das Problem: vom Bund aus gesehen sind Musikpädagog*innen, die ihre performative Tätigkeit nach dem Studium weiterführen und daneben oder hauptsächlich einer musikpädagogischen Tätigkeit nachgehen, nur noch „Teilzeitkünstler*innen“, obwohl sie sich beruflich  ausschliesslich mit ihrer Kunst beschäftigen – zum Teil performativ und zum Teil musikpädagogisch, indem sie Menschen jeden Alters ihr musikalisches Wissen und Können weitergeben, ihnen den Zugang zur Musik, zu verschiedenen Stilen, zu unterschiedlichster Literatur eröffnen, und sie durch musikalisches Improvisieren ihre eigene Musik entdecken lassen. Plötzlich ist ihr Tun, obwohl es sich ausschliesslich um Musik dreht, keine Kultur mehr sondern „nur noch“ Bildung. Salopp formuliert ist das so, wie wenn man einem Chirurgen, sobald er neben seiner medizinischen Tätigkeit an einer Hochschule lehrt, sagte: „Du bist jetzt Bildung und nicht Medizin.“

Das verliehene Label hat Konsequenzen: so erhält der Berufsverband SMPV, der rund 2500 Musiker*innen vertritt  vom Bund 0.00 Franken Strukturbeiträge, weil er nicht als Kulturverband anerkannt wird, obwohl er genau das ist, während der SMV mit deutlich weniger Mitgliedern substantielle Strukturbeiträge bekommt. Die Ironie dabei ist, dass der SMPV u.a. mit seinen Musizierstunden, Talentbühnen, Lehrer*innenkonzerten, Krabbelkonzerten,  Ad-hoc-Chorevents etc. viele Kulturanlässe organisiert, während der SMV auf seine gewerkschaftliche Arbeit fokussiert ist. An der grotesken Situation kann sich nichts ändern, wenn der SMPV national nicht als Kulturverband anerkannt wird und in Kulturfragen nicht endlich mitreden darf.

Viele in der Kulturbotschaft formulierten Forderungen werden vom SMPV als Verband und von seinen Mitgliedern in ihrer täglichen Arbeit bereits erfüllt:

  • Kulturelle Teilhabe der Bevölkerung: Zu Musizierstunden und Konzerten unserer Lehrkräfte oder zu Krabbelkonzerten kommen oft Leute, die sonst nicht zu Konzerten gehen, die sich aber davon faszinieren lassen und ermutigen, auch grössere Konzerte zu besuchen. Oder das aktive Singen in einem vom Verband organisierten Ad-hoc-Chor ist ein niederschwelliger Zugang zum Chorsingen. Dort und im täglichen Einzel- oder Gruppenunterricht unserer Mitglieder finden Menschen aller Altersstufen und jeder Herkunft Zugang zu verschiedensten Musikstilen. Unsere Schüler*innen erwerben Fähigkeiten, die sie dann in Laienorchestern und- chören einsetzen können. Inklusion ist dabei eine Selbstverständlichkeit.
  • Der gesellschaftliche Zusammenhalt wird durch gemeinsames Musizieren im Unterricht mit der Lehrkraft oder im oft generationenübergreifenden Ensemble gefördert.
  • Die Beratung unserer Mitglieder zu Themen des Sozialversicherungs- und Arbeitsrechts war im SMPV schon immer wichtig. Das Angebot wurde aber in der Pandemie ausgebaut.
  • Digitale Transformation: Mit seinem Ratgeber zum digitalen Musikunterricht, den der SMPV in der Pandemie in Windeseile zusammengestellt hat, mit seinem Weiterbildungsangebot zu digitalen Medien im Musikunterricht und mit den beiden verbandseigenen Arbeitsvermittlungsplattformen mein-musikunterricht.ch (für privaten Musikunterricht) und rent-a-musician.ch (für die Vermittlung von Konzertengagements) ist der SMPV hier schon sehr gut aufgestellt.
  • Die beiden Plattformen tragen auch zur Nachhaltigkeit bei, indem sie für Musikunterricht wie für Konzerte qualifizierte Musiker*innen quasi aus der Nachbarschaft vermitteln.

Lassen wir uns als Musikpädagog*innen also nicht mehr absprechen, Kultur zu sein, auch wenn ein Teil unserer Arbeit daraus besteht, diese zu lehren und zu vermitteln.
Wie öde wäre unser Unterricht, wenn wir im Unterrichtszimmer keine Künstler*innen mehr wären!

Wir müssen uns mit Verbänden anderer Kunstsparten zusammenschliessen und dafür kämpfen, dass musikalische Bildung und Kunstunterricht ganz allgemein als das wichtige Y zwischen Kultur und Bildung wahrgenommen wird und dass Verbände, die Kunstpädagog*innen vertreten, als Kulturverbände behandelt werden.

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