Zeitgemässe Musik in der Kirche

Vom 25. bis 28. September fand an der Evangelischen Kirchenmusikhochschule Tübingen der Kongress «Popularmusik und Kirche» statt.

Pop-Art-Dom. Foto: Stephan Barth / pixelio.de

Die Tagung war mit 90 Teilnehmern – vorwiegend haupt- und nebenamtliche Kirchenmusiker, Musiklehrer und Theologen – gut besucht und bot mit rund 40 Fachleuten eine beachtliche Referentendichte. Das Programm umfasste ein durchdachtes, gut aufeinander abgestimmtes Angebot von Podien, Vorträgen, Foren, Workshops und Konzerten. Die Veranstaltungen waren an den Belangen der kirchenmusikalischen Praxis orientiert.

Im ersten von insgesamt drei Vorträgen thematisierte Bernhard Leube unter dem Titel Musik als Zeitansage die Erfahrbarkeit der Kirche aller Zeiten im Gottesdienst durch die Präsenz biblischer Texte und Musik aus verschiedenen Jahrhunderten. Er resümierte, dass zeitgemässe Musik in der Kirche, unabhängig vom Stil, sich auf alle Zeiten der Kirche beziehen müsse. Jochen Arnold plädierte in seinem Vortrag zur Popularmusik im Gottesdienst für eine «mehrsprachige Liturgie», deren zentrales kirchenmusikalisches Kennzeichen die stilistische Breite und Öffnung hin zur Popularmusik sei. Besonders hilfreich war ein «Qualitätscheck», der anhand von neun Fragen Kriterien zur Eignung popularmusikalischer Musikstücke für den Gottesdienst zusammenstellte. Steffen Kaupp stützte seine Ausführungen zur Kirchlichen Popularmusik als babylonische Gefangenschaft oder Brücke in fremde Lebenswelten auf Mitgliedschaftsuntersuchungen, die von der Württembergischen Landeskirche in Auftrag gegeben worden waren. Überzeugend waren seine Empfehlungen an Kirchenmusiker, die eigene musikalische Sozialisation wie Milieuverwurzelung zu reflektieren, Berührungsängste und Unverständnis gegenüber dem musikalisch Fremden abzubauen sowie eine musikalische «Lust auf Andere» zu entwickeln.

22 Workshops deckten eine breite Palette musikalischer Themen ab. Unter den Dozenten fanden sich international renommierte Interpreten wie Patrick Bebelaar (Jazz-Piano), Michel Godard (Improvisation Blechbläser), Roger Treece (Circlesinging/Improvisation) oder Morten Kjær (Chor). Kleine Gruppen ermöglichten eine entspannte Lernatmosphäre, in der die Freude der Teilnehmer am Kennenlernen und Lernen, spielerischen Ausprobieren und gemeinsamen Experimentieren deutlich zu spüren war.

Drei Abendkonzerte führten etablierte Solisten und Ensembles aus verschiedenen popularmusikalischen Genres zusammen. Johannes Falk & Band, Glasperlenspiel, der Jazzchor Freiburg & Roger Treece, der LAKI-PopChor mit Hans-Martin Sauter und Band um Hans-Joachim Eissler, das Jazz-Trio Michel Godard, Patrick Bebelaar und Frank Kroll sowie Brass Connection mit Matthias Schnabel fanden auch beim Tübinger Publikum grossen Anklang und boten inspirierende Momente.

Liturgischer Höhepunkt war der Abschlussgottesdienst mit Landesbischof Frank July in der Tübinger Stiftskirche mit exemplarisch einbezogener Popularmusik. Zum Ausklang wurde The way of Love (nach 1 Kor 13), eine Auftragskomposition für die Tagung von Morten Kjær und Malene Rigtrup, uraufgeführt.

In vier hervorragend besetzten Podien diskutierten Musikprofessoren, kirchliche und weltliche Popularmusiker, Theologen und Vertreter landeskirchlicher Institutionen. Im ersten wurde proklamiert, dass die Zeit der «Grabenkämpfe» zwischen klassischer Musik und Popularmusik an sich vorbei sei und nun konkrete praktische Fragen im Vordergrund stünden. Im Podium zu Fragen der Textqualität wurde darauf hingewiesen, dass es zu bestimmten theologischen Themen (Klage, Zweifel, Angst, Trauer) und Anlässen (Kirchenjahr, Kyrie) bisher zu wenig gute popularmusiktaugliche Texte gebe. Einigkeit herrschte in der Gesprächsrunde zur kirchlichen Popularmusikausbildung darüber, dass eine Weiterentwicklung der Hochschulausbildung dringend notwendig sei, keine Einigkeit konnte jedoch vorerst über die konkrete studientechnische Form erzielt werden. Die Frage «Spezialisten oder Allrounder?» wurde tendenziell mit «sowohl als auch» beantwortet. Im vierten Podium ging es um die Zukunft der kirchlichen Popularmusik und die zukünftige Rolle des popularmusikalisch ausgerichteten Kirchenmusikers. Es wurde die Hoffnung formuliert, dass die Tagungsergebnisse hinsichtlich Ausbildung und Anstellung von Kirchenmusikern bei kirchlichen Entscheidungsgremien berücksichtigt würden.
 

Die Evangelische Kirchenmusikhochschule Tübingen, 1998 aus der Kirchenmusikhochschule Esslingen am Neckar hervorgegangen, zählt zu den kleineren Hochschulen Deutschlands. Spezifika der Hochschule sind enge Kooperationen, wie diejenige mit der nahegelegenen Katholischen Kirchenmusikhochschule Rottenburg am Neckar, sowie die Etablierung des Studienschwerpunkts «Kirchliche Popularmusik».

www.tuebinger-tage.de
 

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