Impulse für die Schweizer Jazzforschung

Von 6. bis 8. November 2014 fand in Luzern die erste umfangreiche Jazzkonferenz in der Schweiz statt. Das Symposium wurde von der Hochschule der Künste Bern (HKB), der Hochschule Luzern-Musik (HSLU) und der Haute Ecole de Musique Lausanne (HEMU) organisiert.

Schlagzeuger Pierre Favre und Oliver Senn von der HSLU. Foto: Daniel Allenbach

Hintergrund der Tagung war das HKB-Forschungsprojekt Growing Up – Die Emanzipation des Jazz in der Schweiz 1965–1980, das noch bis Anfang 2016 läuft. Wissenschaftler aus ganz Europa tauschten sich aus und brachten Beiträge zu regionalen jazzspezifischen Forschungsfragen. In einer durchaus produktiven und positiven Atmosphäre berichteten die alteingesessenen Jazzforscher von ihren Erfahrungen und dienten dem Forschungsnachwuchs, Doktoranden verschiedener Institute, die ihre Dissertationsvorhaben und Projekte vorstellten, wiederum als Vorbild. Es wurde auf Deutsch, Englisch und Französisch referiert, konstruktiv diskutiert, ausserdem wurden neue Anregungen gegeben, Forschungsfragen aufgeworfen und neue Ergebnisse erzielt.

An der Tagung waren Institute für Jazzforschung der Kunstuniversität Graz, der Universität Luzern, der Hochschule für Musik Bern, des Konservatoriums Amsterdam, der University Leeds und Salford sowie der Université de Paris, University of Stavanger, Siena, Dortmund und Budapest vertreten. Insgesamt gab es sieben Panels zu unterschiedlichen Themen, wobei das europäische Forschungsprojekt Rhythm Changes zwei komplette Panels eingereicht hatte. Dieses wurde von der University Salford ins Leben gerufen und kooperiert mit den Universitäten Graz, Birmingham City, Stavanger, Kopenhagen, Amsterdam und Lancaster. Forschungsmittelpunkt des Projektes sind die nationalen Konzepte des Jazz sowie deren Identitäten durch den internationalen Vergleich.

Die Tagung Growing up – Jazz in Europa 1960–1980 begann mit einem Vortrag des als Keynote Speaker geladenen deutschen Musikwissenschaftlers, Autors und Musikers Ekkehard Jost, der in seiner Präsentation fragte, ob es eine europäische Identität des Jazz überhaupt gibt. Als zweiter Keynote Speaker trat der Schweizer Musiker Bruno Spoerri auf, Autor des Buchs Jazz in der Schweiz, das bereits in einer Dokumentationsreihe des SRF aufgearbeitet wurde. Er berichtete von seinen Erfahrungen mit dem Jazz in der Schweiz und freute sich über die Durchführung dieser Tagung, die einen neuen Anstoss gebe für die Jazzforschung in der Schweiz.

Das erste Panel beschäftigte sich mit neuen Stilen und der Musikästhetik im Jazz von 1960 bis 1980, darauf folgte eines zu den damaligen Ausbildungsmöglichkeiten auf professioneller Basis. In weiteren Panels wurde von nationalen Identitäten und Schweizer Perspektiven sowie vom Jazz im Kalten Krieg und über Jazz aus der Sicht der Genderforschung berichtet. Den Abschluss bildete das Panel Changing Identities am letzten Konferenztag.

Besonders erwähnenswert sind die Konzerte im Rahmen der Tagung. So gab es zwei Lecture concerts, das erste mit Pierre Favre am Schlagzeug und das zweite mit Thomas Mejer, der über die Musik von Mani Planzer berichtete und musikalisch von drei Studierenden begleitet wurde. Die Abende verbrachte man in der Jazzkantine Luzern, wo Konzerte mit Studierenden der drei Musikhochschulen Luzern, Bern und Lausanne stattfanden und am letzten Abend die Schweizer Jazzpianistin Irène Schweizer mit dem Schweizer Schlagzeuger Pierre Favre auftrat.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass in den drei Tagen ein sehr produktiver Austausch zwischen Jazz-, Musikwissenschaftlern und Musikern aus ganz Europa stattgefunden hat, der nicht nur aus Theorie bestand, sondern durch die Konzerte auch in die Praxis umgesetzt wurde. Die Entwicklungen des Jazz in seinen zwei ereignisreichsten Jahrzehnten wurden beleuchtet und in der Schweizer Jazzforschung hat die Konferenz – endlich mal wieder seit Bruno Spoerris Buch – einen Stein ins Rollen gebracht.
 

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