Musik machen im Zentrum des Gruppenunterrichts

Am 13. und 14. März erörterten Peter Röbke, Elisabeth Aigner-Monarth, Natalia Ardila-Mantilla und weitere Fachpersonen das Thema «Musizieren als Herzstück des instrumentalen Gruppenunterrichts?»

Inarik – fotolia.com

Das lebendige und anregende Symposium mit Vortragenden und Teilnehmenden fast ausschliesslich aus Österreich und Deutschland – nur zwei Musikhochschullehrer aus der Schweiz! – widmete sich in vielfältiger Art und Weise dem Tagungsthema. Dabei war das Fragezeichen im Titel wie schon an der letzten derartigen Veranstaltung anno 2009, «Musizieren lernen – auch ausserhalb von Unterricht?», mehr als nur ein Markenzeichen.

In der Tat kam man kaum umhin, sich schon vor dem Symposium die verschiedensten Fragen zu stellen: Wenn nicht Musizieren im Zentrum des Instrumentalunterrichts steht, was denn sonst? Und warum nur im Gruppenunterricht? Ist die bekannte Devise von Keith Swanwick – Teach Music Musically – nicht für alle Arten von Musikpädagogik gültig? Und wenn dieser Kernsatz eine Selbstverständlichkeit zu sein scheint, warum ist herzhaftes Musizieren im Unterricht immer noch ein Problem? Was bleibt unterbelichtet im Gruppenunterricht? Wie und wann entfalten sich musikalische Lernprozesse? Wie können pädagogische Ziele wie musikalischer Ausdruck und künstlerische Entfaltung und Kreativität schon im Anfängerunterricht angepeilt werden? Wo sind Defizite in der Instrumentallehrerausbildung auszumachen?

Gleich zu Beginn zeigte Ulrike Kranefeld anhand kurzer prägnanter Videosequenzen und aussagekräftiger Statistiken aus ihrem JeKi-Forschungsprojekt, wie wenig im sogenannten Gruppenunterricht die gemeinschaftliche Musizierzeit genutzt wird. Eindrücklich, wie sich junge Schüler im sequenziellen Einzelunterricht – offenbar eine weitverbreitete Form falsch verstandener Gruppenarbeit – demonstrativ schlafen legen, sobald die Lehrperson sich einem Kameraden widmet. Gäbe es hier nicht ein Entwicklungspotenzial im Wechsel von Plenumsbezug und Einzelbetreuung unter Einbezug aller Schüler? Andererseits war bemerkenswert, wie sich in einem gelungenen Unterrichtsmoment mit einer JeKi-Cellogruppe die Kinder dem musikalischen Geschehen hingeben konnten.

Versunken sein von Beginn an
Hier knüpfte der Institutsleiter und «Hausherr» der Veranstaltung, Peter Röbke, an, wenn er argumentierte, dass dem zielgerichteten didaktischen Handeln Grenzen gesetzt sind. Für ihn sind Musiziermomente letztlich nicht verfügbar, das heisst rational nicht gänzlich planbar. Er plädierte dafür, Musikunterricht nicht als didaktisch-methodischen Herstellungsprozess, sondern als Moment der Hin-gabe und des Sich-Einlassen-Könnens in spontanes Geschehen zu konzipieren; eine «Gratwanderung zwischen dem gewohnten Gang und jener ganz anderen Erfahrung». Versunken-Sein, Glücksmomente, Affektdurchbruch, Grenzüberschreitungen und andere schon beinahe spirituelle Erfahrungen seien, so meinte Röbke, in besonderer Weise im Gruppenunterricht möglich, und das von Beginn an. «Wir sollten uns darauf pädagogisch (weniger didaktisch …) ausrichten!» «Achte auf erfüllte Augenblicke und gib ihnen Raum im Unterricht!» 

Musizieren steht auch im Vordergrund für Elisabeth Aigner-Monarth und Natalia Ardila-Mantilla. Die beiden jungen Klavierlehrerinnen und Mitarbeiterinnen des Instituts konkretisierten die Anliegen Röbkes in einem bipolaren Modell mit acht Dimensionen (siehe Tabelle). Auf der linken Seite die Charaktere des wohlgeplanten Unterrichts, auf der rechten die Wesenheiten geglückter Musiziermomente.
 

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 Unterrichten hiesse, so die zwei Forscherinnen, sich zusammen mit den Schülerinnen und Schülern ans Mischpult zu setzen und die Schalthebel dieser verschiedenen Dimensionen immer wieder neu zu regulieren.

Zu bedauern war die Abwesenheit Ulrich Mahlerts, dessen Beitrag nur stellvertretend vorgetragen werden konnte. Es ging dabei um Erscheinungsformen und Bedingungen von Glückserfahrungen im Musizieren. Spannend wäre gewesen, die Bedeutung dieses Themas und dessen Bezug zum Gruppenunterricht mit dem Autor selbst diskutieren zu können.

Wolfgang Lessing referierte über das Spannungsfeld (musik-)pädagogischer Antinomien im instrumentalen Gruppenunterricht: so etwa die Unvereinbarkeiten von Planung und Spontaneität, Erfahrungsunterschied und Partnerschaft, Organisation und Individualisierung. Im Rahmen dieses kurzen Berichts kann auf die einzelnen Gegensätze nicht eingegangen werden. Erwähnt werden soll jedoch der Gedanke, Antinomien als Chancen zu nutzen. Gerade im Gruppenunterricht und im Erlebnis des gemeinsamen Musizierens gelte es, so Lessing, scheinbare Unvereinbarkeiten nicht als Grenzen zu verstehen, sondern als Schwellen, die zum Überschreiten einladen.
Musizier- und Ausdruckslust im Instrumentalunterricht von allem Anfang an mit Herz und Seele zu pflegen, in jedem Ton das ganze Leben zu erfahren, dieses Anliegen verkörperte Wolfgang Rüdiger mit seinem Fagott unter Einbezug des Publikums: «If you celebrate it, it’s art. If not, it isn’t.»

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