Noch viel zu entdecken

In Brugg, der Heimatstadt des leider etwas in Vergessenheit geratenen Komponisten, organisierte Barbara Vigfusson aus Anlass des 180. Todestages von Friedrich Theodor Fröhlich eine ganztägige Veranstaltung.

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Was die meisten Sänger nicht wissen: Ein sehr bekanntes Volkslied, Wem Gott will rechte Gunst erweisen, auf ein Gedicht Joseph von Eichendorffs, stammt aus der Feder von Theodor Fröhlich (20. Februar 1803 – 16. Oktober 1836). Sein Vater, der sich vom Gerber zum Primarlehrer, ja sogar zum Grossrat emporgearbeitet hatte, wollte aus dem hochbegabten, der Musik zustrebenden Jüngling einen Juristen machen, schickte ihn deswegen nach Zürich zur besten Lateinschule, wo er in einem Chor von Nägelis Musikinstitut mitsang und von Hans Georg Nägeli auch ein wenig unterrichtet wurde. An der Universität von Basel besuchte er kaum Vorlesungen, sondern komponierte weitgehend autodidaktisch viele Werke, von denen er allerdings die meisten später vernichtete, weil sie seiner Selbstkritik nicht genügten. Vom inneren Zwiespalt zerrissen, erkrankte er und kehrte heim. Zwei Studienjahre in Berlin vervollständigten seine musikalische Ausbildung. Wieder in die engen Verhältnisse seiner Heimat zurückgekehrt, wurde er Musiklehrer an der Kantonsschule von Aarau und «Musikdirektor» in Brugg. Dies hatte sein Bruder, der Schriftsteller, Politiker, Pfarrer und Lehrer Abraham Emanuel Fröhlich, eingefädelt. Der mühsame Broterwerb belastete ihn immer mehr, Eheschwierigkeiten und finanzielle Sorgen wegen eines unehelichen Kindes traten hinzu und führten zu seinem frühen Selbstmord: Er sprang in die Aare.

Am Gedenktag, zu dem Walter Labhart ein sachkundiges, ausführliches Programmheft zusammengestellt hatte, befassten sich vormittags Referate und eine Podiumsdiskussion (Max Weyermann, Tom Hellat, Bernhard Billeter, Max Baumann und Anna Kardos, Moderation) mit der Lokalgeschichte, dem Leben, dem musikalischen Umfeld und der Genealogie des Komponisten. Es folgten nach einer Altstadtführung vier hochkarätige Konzerte: Das Miserere a 12 voci und vier Motetten, stimmig und kundig gesungen von den Aargauer Vokalsolisten unter Markus J. Frey, auf einem Broadwood-Hammerflügel begleitet von Stefan Müller, verbreiteten viel Wohlklang. Die «musikalische Soirée» von Susanne Oldani, Rudolf Remund, von Anne-Marie Simmen begleitet, bot als weltliche Ergänzung zwanzig Lieder, verbunden mit passenden Textlesungen.

Für mein subjektives Empfinden lagen die grössten Überraschungen, kompositorisch und interpretativ, bei den vom Elite-Ensemble Vocembalo teilweise szenisch gebotenen weltlich-geistlichen Frauenchören unter der Leitung und Begleitung von Barbara und Johannes Vigfusson und bei zwei Streichquartetten, für die sich das noch recht junge und entdeckerfreudige Casal-Quartett einsetzte. Diese Besetzung, die zu Recht als die Königsdisziplin der Kammermusik galt, hat Fröhlich zu einer frühromantisch geprägten und satztechnisch/formal meisterhaften Konstruktion angeregt. Sie sind mindestens den acht Streichquartette des sechs Jahre jüngeren Kollegen Mendelssohn ebenbürtig. Dieser hatte sich 1826 in Berlin gegenüber Fröhlich herablassend verhalten. Die Mehrzahl der Werke Fröhlichs harrt noch einer Veröffentlichung; es ist noch viel zu entdecken.
 

Bericht von Hans Christof Wagner in der Aargauer Zeitung vom 16. Oktober 2016:
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