Von Hackathon bis Blockchain

Die Digitalisierung ist noch immer eine der grössten Herausforderungen für das Musikbusiness. Auf der Berliner Konferenz «Most Wanted: Music» diskutierten Spezialisten aus ganz unterschiedlichen Bereichen über Probleme, Chancen und Visionen.

Podiumsdiskussion zum Thema «Blockchain». Foto: Most Wanted: Music

Wie können Künstler Instagram zu Werbezwecken nutzen? Welche Rolle spielen Playlists heute bei der Vermarktung neuer Songs? Wie präsentiert man ein Event online, ohne im digitalen Grundrauschen unterzugehen? Welche neuen Technologien stehen der Branche zur Verfügung – von Apps über neue digitale Devices bis hin zu neuen bargeldlosen Zahlungsmethoden? Und wie steht es eigentlich um die Zukunft des Musikjournalismus?

Um diese und noch viele weitere Fragen ging es am 10. November auf der Konferenz Most Wanted: Music im Haus Ungarn in der Nähe vom Alexanderplatz. Dem fachfremden Besucher gab das Programm auf den ersten Blick einige Rätsel auf. Was heisst die Abkürzung VR? Was ist ein Hackathon? Und dieses Blockchain, von dem alle reden, wofür ist das eigentlich gut?

Die ersten Antworten fanden sich gleich auf dem Flur, denn dort war das diesjährige «Startup village» aufgebaut, in dem junge Unternehmen ihre neuesten technologischen Erfindungen und Apps präsentierten. Der Besucher konnte hier mit speziellen Drumsticks in der Luft Schlagzeug spielen, ganz ohne echtes, analoges Drumkit, oder durch Schütteln und Drehen eines Smartphones Musik remixen. An anderer Stelle liess sich eine 3D-Brille ausprobieren, mit deren Hilfe man in die virtuelle Realität (ach so, dafür steht VR!) eintauchen konnte, um dort den «Live-Auftritt» eines Musikers zu erleben – virtuell hautnah.  

Der Musiker als «user» oder «artist»?

Solche Apps und technologische Entwicklungen entstehen oft im Rahmen von Hackathons, wie Eric Eitel vom Music Pool Berlin in einem unterhaltsamen Kurzvortrag erläuterte. Hackathon ist eine Wortschöpfung aus Hack und Marathon und bezeichnet Veranstaltungen, in denen Teams aus Programmierern, Designern und anderen Kreativen in kurzer, intensiver Zusammenarbeit Software oder Hardware entwickeln. Hackformate für die Musikbranche wie der Music Hack Day oder das Music Tech Fest führen zu ganz unterschiedlichen, spannenden Ergebnissen, von der Promotion App über den Sensorenhandschuh bis zum Drumkostüm.

In einem Panel mit dem klangvollen Titel The Technology Integration Spaceship stellten einige Entwickler ihre Produkte vor und entwarfen Szenarien von neuen Aufführungsformen, in denen die Grenzen zwischen Bühne und Zuschauerraum endgültig aufgehoben sind, indem die Besucher mit Hilfe ihrer Smartphones das klangliche Geschehen im Konzert aktiv mitgestalten.

Mark Moebius vom Startup Nagual Sounds, das interaktive Handy-Musik-Apps entwickelt, forderte Künstler dazu auf, sich solchen neuen Technologien mehr zu öffnen, denn erst dann sei die Kunst auch auf der Höhe der Zeit. Jemand aus dem Publikum stellte die Frage, ob das Musikmachen mit Hilfe von Programmen, Loops und Apps nicht schon viel zu einfach geworden sei. Sei man dann eigentlich noch ein «artist» oder «musician» – oder ein «user»? Für Moebius eine unnötige Unterscheidung. Für ihn gilt: Jeder, der will, kann ein Musiker sein. Umso besser, wenn die Technologie dabei hilft.

Mit Blockchain gegen Bürokratie?

In einer Podiumsdiskussion zum Thema Blockchain waren sich die Experten einig: Die Technologie allein ist nicht die Lösung. Blockchain ist ein dezentrales Protokoll für Transaktionen zwischen verschiedenen Parteien, das jede Veränderung im Datensatz transparent erfasst – ähnlich wie ein digitaler Kontoauszug, der für alle Beteiligten einsichtig ist. Blockchain wurde ursprünglich für die digitale Währung Bitcoin entwickelt, man könnte es aber auch für die Vereinfachung der Rechteverwaltung von Musik bei Download und Streaming einsetzen. So lange die grossen Player der Musikindustrie aber nicht an einer derartigen Lösung interessiert sind, die mehr Diversität im Musikangebot ermöglichen würde, und so lange also die Technologie nicht auf breiter Basis, dezentral und transparent angewendet wird, löst Blockchain die bürokratischen Probleme der Musikindustrie nicht, obwohl es die Möglichkeiten dazu bereitstellen würde.

Lifestyle-Reportage statt Reflexion?

Recht pessimistisch ging es auf dem Panel zum Musikjournalismus zu. Nach dem freien Autor Stefan Szillus würden Klickraten und Statistiken belegen: Was über Musik geschrieben wird, interessiert keine Sau. Musikalische Analysen oder Rezensionen seien nicht mehr angesagt. Die Zukunft sieht Szillus in der Reportage, die dem Künstler nah kommt, genau beobachtet und dabei auf Details wie Schuhmarken (Szillus schreibt u. a. über Hip-Hop) Wert legt. Es fragt sich allerdings, inwiefern sich der Musikjournalist dann noch vom Lifestyle-Reporter unterscheidet.
Weitaus gelassener sahen die Radiomacher in die Zukunft. Das Live-Moment, das Wort, der Mensch – das seien die Qualitäten, mit denen sich das Radio gewiss immer gegen Konkurrenten wie Algorithmen und vorgefertigte Playlists behaupten könne.

Bei aller Begeisterung für neue Technologien: Sich wieder auf den Menschen und auf das Live-Erlebnis zu besinnen, das täte gewiss der gesamten Musikbranche gut.
 

Website der Konferenz

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