Herzschlag, Laufschritt, Taktgefühl

Die Sonderausstellung «Auf Takt! Metronome und musikalische Zeit» im Museum für Musik in Basel widmet sich dem Thema auch auf sinnliche Weise.

Metronom des «Erfinders», Johann Nepomuk Mälzel, Paris um 1816. Foto: HMB, Natascha Jansen

So wie in unserem Leben der Schlag unseres Herzens und das Ticken der Uhr den Rhythmus bestimmen, so gibt in der Musik das Metronom das Tempo vor.
Als Johann Nepomuk Mälzel vor rund 200 Jahren das mechanische Metronom erfand, machte er damit die musikalische Zeit zu einer messbaren Grösse. Seither gehörte das unbestechlich tickende Gerät ganz selbstverständlich zur Ausstattung eines Musikers. Doch im Zuge der Digitalisierung ist das Metronom als physisches Objekt im Verschwinden begriffen. Für das Museum für Musik in Basel war das Grund genug, dem Metronom eine Sonderausstellung zu widmen. Trotz der geringen Ausstellungsfläche, die den Kuratoren dort zur Verfügung steht, beleuchten sie die Thematik von Tempo und Takt von allen Seiten – von der Wahrnehmung des eigenen Herzschlags bis hin zum Taktgefühl im zwischenmenschlichen Zusammenleben.

Gleich der erste Raum im Untergeschoss ermöglicht einen direkten, interaktiven Einstieg. Dort kann man den eigenen Puls messen, der im Ruhezustand durchschnittlich bei 60 bis 100 Schlägen pro Minute liegt. Mit der so gewonnenen Tempoangabe steigt man auf ein Laufband, wo man die Geschwindigkeit des eigenen Herzschlags unmittelbar körperlich als Laufgeschwindigkeit erfährt. Schade ist, dass hier nicht die direkte Brücke zum musikalischen Tempo geschlagen wird: Das Laufband lässt sich nicht in Geschwindigkeiten wie «presto», «andante» o. ä. einstellen.
An einer anderen Station kann der Besucher seine Präzision beim Nachspielen eines rhythmischen Musters erproben und dabei herausfinden, dass es unmöglich ist, so genau zu sein wie eine Maschine – eine Tatsache, die zur Entwicklung des «Humanizer»-Effekts geführt hat, der auch in programmierte Beats minimale Ungenauigkeiten einbaut, um sie menschlicher klingen zu lassen. Welches Tempo man bei verschiedenen Musikstücken bevorzugt, kann man an einer Hörstation bestimmen, die einem Lieder in unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorführt, mit Abstufungen von je 40 bpm (beats per minute). Das ist ein so gravierender Unterschied, dass sich die Beispielsongs entweder wie Musik aus der Gruft oder wie das Erzeugnis wahnsinniger Mickey-Mäuse anhören. Ein geringerer Abstufungsgrad hätte da vielleicht zu Ergebnissen geführt, die sich ernster nehmen lassen.

Der Geschichte und der Konstruktion des Metronoms, das auf dem Prinzip des Pendels beruht, widmet sich eine Stellwand im Obergeschoss. Auch hier kann der Besucher selber Hand anlegen, indem er an einem Pendelmodell ausprobiert, wie sich die Frequenz der Schläge mit unterschiedlicher Kettenlänge verringert oder erhöht, oder indem er an einem übergrossen Metronom ein Gewicht nach oben oder unten verschiebt, so dass sich das Tempo verändert, das der schwankende Zeiger anzeigt. Im Obergeschoss sind in grossen Glasvitrinen auch die 175 Metronome, Taktgeber und musikalischen Zeitmesser des britischen Sammlers Tony Bingham ausgestellt. Weil die akustische Ebene eigentlich untrennbar zu diesen Geräten dazugehört, wird von Zeit zu Zeit das vielstimmige Geräusch der Metronome per Lautsprecher eingespielt. Die Vielzahl der Sammlerstücke, die den Zeitraum von 200 Jahren abdecken, macht auch noch auf andere Art und Weise das Vergehen der Zeit erfahrbar, weil die verschiedenen Materialien und Designs von Blattgold bis zu rotem Plastik vor Augen führen, wie sehr sich die Welt in diesem Zeitraum verändert hat.

Ausstellungsstücke und Filmausschnitte geben Einblicke in weitere Verwendungsweisen des Metronoms, das nicht nur als Taktgeber im Musikunterricht diente, sondern auch als Hilfsmittel in der Forschung. So wurde beispielsweise Pawlows berühmtes Experiment mit dem Hund zunächst mit einem Metronom ausgeführt. Und schliesslich inspirierte das Metronom Komponisten wie György Ligeti und Mauricio Kagel dazu, es als Musikinstrument zu verwenden.

Dass den Schlägen eines Metronoms eine geradezu sinnliche Qualität innewohnen kann, zeigt das Al-Pen-Del des Schweizer Künstlers Lukas Rohner, das extra für die Sonderausstellung im Museum für Musik entstanden ist. Eine grosse Milchkanne ist an einem langen Seil im Treppenhaus aufgehängt. Wird dieses Milchkannenpendel in Bewegung versetzt, berührt es bei seinem langsamen Hin-und-Her klingende Kuhglocken. So ruft das Al-Pen-Del eine meditative Stimmung hervor: ein riesiges Metronom, das der hektischen Betriebsamkeit des Alltags ein entschleunigtes Tempo entgegensetzt.
 

Die Ausstellung dauert bis am 20. August 2017. Weitere Informationen zum Begleitprogramm:

www.hmb.ch/auf-takt.html
 

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