Wie klingt die Zukunft?

Eine Konferenz des Netzwerks Junge Ohren stellte in Berlin experimentelle Ansätze der Klangarbeit mit Kindern in Schulen vor. Referiert hat auch Barbara Balba Weber aus Bern.

Foto: Maren Strehlau,Foto: Maren Strehlau,Foto: Maren Strehlau,Foto: Maren Strehlau

Konzentriert stehen die Fünftklässler auf der Bühne. Einige bearbeiten Schlaginstrumente, ein Mädchen hat eine Gitarre auf den Schoss gelegt und zupft daran. Eine Gruppe Kinder pfeift und macht Laute mit dem Mund: brummen, quietschen, ploppen, schnalzen. Ein Kind lässt Wasser in ein Gefäss laufen, das Geräusch wird über Mikrofone verstärkt.

Das Stück, das hier erklingt, haben die Kinder im Rahmen des Projekts Klangradar erarbeitet. Das Konzept: Komponistinnen und Komponisten gehen drei Monate lang in eine Schule und begeben sich gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern auf eine Klangexpedition. Klangradar und die Ergebnisse der diesjährigen Projektphase zum Thema «Glück. Eine Klangspurensuche» wurden an der Konferenz Aufbruch in neue Hörwelten. Schule & Klangforschung am 23. Mai 2019 in Berlin vorgestellt. Organisiert und dazu eingeladen hatte das Netzwerk Junge Ohren.
 

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Führen und folgen

Wer einen solchen gemeinschaftlichen Kompositionsprozess anleiten wolle, so erläuterte die Komponistin Cathy Milliken in ihrer einleitenden Keynote, müsse die paradoxe Fähigkeit haben, gleichzeitig zu führen und zu folgen. Denn nur wer sich wirklich auf die Klangwelten einlässt, die die anderen Teilnehmenden mitbringen, kann eine «neue» Musik entstehen lassen und über die Begrenzungen der eigenen Klangvorstellungen hinausgehen.

Auch die Musikvermittlerin Barbara Balba Weber von der Hochschule der Künste Bern betonte, dass Offenheit eine der Eigenschaften sei, die es für solche Musikvermittlungsprojekte brauche. In der Begegnung von Schülern, Lehrpersonen und professionellen Musikschaffenden treffen ganz unterschiedliche Vorstellungen davon aufeinander, was Musik ist – und verschmelzen im besten Fall zu einem unerhörten neuen Ganzen. Darin hat jede Klangfarbe, jede Klangvorstellung ihren Platz, und so wird das gemeinschaftliche Komponieren ganz nebenbei sogar zu einer Übung in Demokratie, Vielfalt und Gleichberechtigung.
 

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Spazieren und konstruieren

Wie sich Klangexperimente im schulischen Alltag unterbringen lassen, wurde in einem Rundgang zur «Klangforschung in der schulischen Praxis» vorgestellt. Zum Beispiel der «Soundwalk». Angeleitet vom Musiker und Kulturwissenschaftler Manuel Schwiers bewegte sich eine Gruppe lauschend durch den Kreuzberger Sommernachmittag. Wie klingt eigentlich der Übergang vom Hinterhof auf die Strasse? Auf welche Klangumgebungen treffe ich, während ich mich durch die Stadt bewege? Und welchen Einfluss nehme ich, indem ich meine Aufmerksamkeit auf verschiedene Aspekte des Stadtklangs richte? Ist das vielleicht schon eine Art von Komposition? Nach mehreren intensiven Phasen des Lauschens diskutierte man überall solche Fragen, und es wurde deutlich, dass alleine das Hinhören auf die Umgebung, für das weiter keine Materialien notwendig sind, viele Ansatzmöglichkeiten für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern bieten kann – jedenfalls wenn es gelingt, dass sie sich auf diese Art der geschärften Wahrnehmung einlassen.

Die Komponistin Steffi Weismann bringt die Umgebung der Schüler auf etwas andere Art zum Klingen, nämlich indem diese aus Alltagsgegenständen selber Instrumente bauen. Eine ihrer Entdeckungen: die Quietschgeräusche, die Styropor macht, wenn man es anfeuchtet und an Glasscheiben reibt. Auch aus Eimern, Plastikverpackungen und Gummibändern baut Weismann mit den Kindern Instrumente, die in die Kompositionsprojekte Eingang finden.
 

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Loopen und kneten

Wie man Apps für die pädagogische Klangarbeit nutzen kann, stellte der Musiker Matthias Krebs vor, der in Hamburg das Gebäude der Elbphilharmonie gemeinsam mit Schülern auf seine Klangmöglichkeiten hin abklopft. Dabei erstellen sie mithilfe von Tablets kurze Videosequenzen, die sich digital bearbeiten, kombinieren und loopen lassen und so ebenfalls zu selbst gestalteten Klangsequenzen führen.

Der Klangkünstler und Galerist Knut Remond erweitert die Dimensionen dessen, was Klang eigentlich ist, hin zur Skulptur. Sein vorgestelltes Experiment im Rahmen der Konferenz: hinausgehen, auf die Umgebung lauschen – und das Gehörte dann mit Hilfe von Knete oder Ton in eine «Klangskulptur» umwandeln. Welche Klänge wohl entstehen, wenn diese Skulpturen wiederum von Musikern interpretiert werden?

An Ideen zu Klangexperimenten, das hat die Konferenz bewiesen, mangelt es nicht. Und in der Podiumsdiskussion «Wie klingt die Schule der Zukunft?» wurde deutlich, dass sich mehr und mehr Schulen auf solche Projekte einlassen, auch wenn die festen Strukturen des schulischen Alltags das nicht gerade einfach machen. Gewiss haben die Konferenzteilnehmer Inspirationen mit nach Hause genommen, wie auch sie in Zukunft dazu beitragen, dass Schule nach Vielfalt, Gemeinschaft und Aufbruch klingt.
 

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