Was die Kulturbotschaft 2021–2024 bringen kann

Im Mittelpunkt der jüngsten Veranstaltung der Parlamentarischen Gruppe Musik stand die neue Kulturbotschaft – trotz der aktuellen grossen Herausforderung des Musiksektors durch Covid-19.

Das Bundeshaus in Bern, wo das Parlament tagt. Foto: Claudio Schwarz | @purzlbaum on Unsplash

Auf dem Programm des März-Treffens der Parlamentarischen Gruppe Musik standen: Erläuterungen zur neuen Kulturbotschaft 2021–2024. Business as usual, hätte man sich denken können. Dennoch fanden sich im Saal der Berner Schmiedstube noch nie so viele Verbandsvertreter und auch Mitglieder von National- und Ständerat ein wie diesmal. Es war offensichtlich: Es gab einen Elefanten im Raum – den wegen des Coronavirus erzwungenen Stillstand des Kulturbetriebes, der Veranstalter, freie Musiker, Technikerinnen, Konzertlogistiker und Ticketanbieterinnen in Existenznöte bringt. Nach den Präsentationen des Bundesamtes für Kultur (BAK) und von Pro Helvetia zur Kulturstrategie der kommenden vier Jahre gab es denn auch emotionale Voten, mit dringenden Appellen an die Räte, Lösungen zu finden, um den sich abzeichnenden verheerenden wirtschaftlichen Schaden für die Musikbranche zu begrenzen.

Pro-Helvetia-Direktor Philippe Bischof sah sich genötigt, die Anwesenden zu mahnen, die Themen nicht zu vermischen. Und tatsächlich gibt es zur nationalen Kulturpolitik im Grunde genommen Erfreuliches zu berichten. Der Bundesrat will die Ausgaben erneut erhöhen. Wo dabei mit Blick auf die Musik die Schwerpunkte liegen, erläuterte für das BAK David Vitali, dessen Leiter der Sektion Kultur und Gesellschaft.

Musikalische Bildung

Da ist zunächst das mit der letzten Botschaft gestartete Programm Jugend+Musik (J+M). Nach einer ermutigenden Evaluation soll die Ausbildung der J+M-Leiter «inhaltlich justiert» und die Zertifizierung in die Studiengänge für Musiklehrpersonen an den Musikhochschulen integriert werden. Eine Datenbank soll Informationen zu Programm und Kursleitenden transparent zugänglich machen. Ausgebaut werden sollen auch die Leistungs- und Wirkungsmessungen. Ab 2022 plant der Bund überdies, auch ein eigenes Programm zur Begabtenförderung anzubieten, mit dem pro Jahr rund 1000 Talente erfasst werden können. Den Kern soll eine «Talentkarte Musik» bilden, die «den Zugang zu geeigneten (kantonalen) Förderangeboten ermöglicht». Die Idee einer Talentkarte sei, laut Vitali, in der Vernehmlassung allerdings nicht überall auf Wohlwollen gestossen. Deshalb soll nun vorerst von Bund, Kantonen und weiteren Involvierten partnerschaftlich ein Rahmenkonzept erarbeitet werden.

Im Fokus des Bundes seien, so Vitali weiter, zudem die Musikschultarife. Das Ziel bleibe ein «chancengerechter Zugang für alle Kinder und Jugendlichen zu musikalischer Bildung». Eine auch hier realisierte Evaluation hat ergeben, dass die Tarifdifferenzen für Erwachsene und Jugendliche innerhalb der Bildungsregionen signifikant unterschiedlich sind. Rund ein Achtel der Musikschulen kennt keine subventionierten Tarife bis Abschluss Sek II, rund zwei Drittel keine einkommensabhängige Tarifstruktur und über die Hälfte keine erweiterten subventionierten Angebote für Begabte. Seit 2016 habe sich diese Situation kaum geändert, räumte Vitali ein. Die Vorschläge des Bundesrates, wie dem beizukommen wäre, bleiben dabei noch recht vage: Er will die Musikschulträger weiter für das Thema sensibilisieren und erneut evaluieren.

Massnahmen für Musikschaffende

Über die nahe Zukunft der nationalen Kulturstiftung Pro Helvetia informierten deren Direktor Philippe Bischof und der Abteilungsleiter Musik Andri Hardmeier. Laut Bischof will die Kulturstiftung gezielter darauf hinarbeiten, dass Finanzhilfen verstärkt mit fairer Entlöhnung der Kulturschaffenden verknüpft werden. Auch die Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen möchte Pro Helvetia fördern. Zudem sollen Anstrengungen unternommen werden, um eine solide Kulturwirtschaftsstatistik aufzubauen.

Die Kulturstiftung wolle, erklärte Andri Hardmeier, der Tatsache Rechnung tragen, dass sich Kunst- und Kulturformen immer schneller wandelten und vermischten. Formate, die dem bisher im Musikbereich angewandten Werkbegriff nicht entsprechen, sollen künftig im Rahmen der Werkförderung besser berücksichtigt werden. Hardmeier erwähnte etwa ortsspezifische oder kollektive Arbeiten, Klanginstallationen und Klangkunst oder multimediale Werke. Auch die Förderung des Musiktheaters soll «konsolidiert und weiterentwickelt» werden. Ein Anliegen ist Pro Helvetia zudem die kantonsübergreifende und internationale Verbreitung neuer Werke.

Dem Schweizer Musikrat genügt dies noch nicht. Er wünscht sich, wie er in einer Stellungnahme schreibt, «die Erarbeitung von längerfristigen Entwicklungsstrategien für die drei Genres Volksmusik, Aktuelle Musik (Pop, Rock, Jazz, Neue klassische Musik) und Klassische Musik». Als Vorbild dienen könnte dabei etwa die deutsche Initiative Musik gGmbH oder die European Agenda of Music (EAM) des Europäischen Musikrates. Überdies anerkennt der Musikrat zwar, dass die Sichtbarkeit der Schweizer Musik im Ausland teils «substanziell verbessert werden konnte», der Musikexport werde von seinen Mitgliedern aber als zu zersplittert und damit zu wenig schlagkräftig wahrgenommen. Um die Wirksamkeit zu verbessern, müsse der Export aus Sicht des Musiksektors koordinierter und mit mehr Mitteln erfolgen.

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