Bereichernder Austausch über Generationen

Seit dreissig Jahren gibt es Orpheum, die Stiftung zur Förderung junger Solisten. Das Jubiläum wurde mit Kammermusik in der Druckerei Baden gefeiert.

Die Zeit ist nicht gerade günstig für rauschende Festveranstaltungen. Das musste auch die Orpheum-Stiftung erfahren, die ihr 30-jähriges Bestehen in der Tonhalle Maag feiern wollte. Doch das Konzerthaus blieb wegen Corona-Bestimmungen geschlossen. Trotzdem konnte der Anlass am 7. November zweimal durchgeführt werden, vor jeweils 50 Zuhörenden, nicht in Zürich, sondern in der Druckerei Baden. Der Veranstalter Piano District Baden hatte das Konzert ermöglicht und wiederholte es einen Tag später ebenfalls zweimal.

Auf dem Podium befand sich auch nicht, wie meistens bei Orpheum, ein Orchester, sondern der Pianist Oliver Schnyder, einst ebenfalls Orpheum-Solist, zusammen mit dem jungen Geiger David Nebel und dem Cellisten Dorukhan Doruk. Sie spielten die Frühlingssonate op. 24 und die Cellosonate op. 102/2 von Beethoven, sowie dessen Gassenhauertrio – der Erfolg war den motivierten Musikern gewiss.

Sich gegenseitig inspirieren

«Es ist ein nicht unbedeutender Kraftaufwand, den momentan die meisten konzertierenden Musikerinnen und Musiker zu leisten gewillt sind», kommentierte Oliver Schnyder. «Die Zeiten verlangen es, vor allem auch das damit verbundene Bekenntnis zur Wichtigkeit der kulturellen Vielfalt in einer Gesellschaft, die gerade realisiert, welchen Verwerfungen sie durch die Pandemie ausgesetzt ist.» Es war ein Kammermusikkonzert mit Signalwirkung.

Gerade dieser intime Rahmen bildete einen der bedeutenden Momente in der Geschichte der Stiftung, die einst mit der Idee gegründet wurde, «jungen Musikerinnen und Musikern die Möglichkeit zu eröffnen, begleitet von prominenten Dirigenten und Orchestern vor ein grosses Publikum zu treten», wie es Stiftungspräsident Hans Heinrich Coninx definierte. Dieser Maxime ist man zwar treu geblieben, aber seither «eröffneten wir unseren Solisten, aber auch unserem Publikum, neue musikalische Formate».

Ein solches Konzert mit zwei jungen und einem etablierten Musiker erweitert die Perspektiven, und zwar für beide Seiten, wie Schnyder ausführte: «Es geht im musikalischen Austausch zwischen arrivierten und aspirierenden Künstlerinnen und Künstlern nicht darum, dem anderen etwas beizubringen, sondern sich inspirieren zu lassen, die eigene Sicht zu hinterfragen. Die Jungen leben in einer anderen Welt als ich damals. Sie sehen sie mit anderen Augen, auch die Musik. Daraus lerne ich mindestens so viel wie sie von mir.»

Die Magie des Auftritts mit Orchester kann ein Kammermusikkonzert allerdings nicht aufwiegen. So schwärmt etwa Geigerin Simone Zgraggen, die in früheren Jahren von der Stiftung gefördert wurde, seit 2012 eine Professur in Freiburg i. Br. innehat und Konzertmeisterin der Basel Sinfonietta ist: «Neben dem Konzert von Dvořák, das ich in der Tonhalle Zürich spielen durfte, konnte ich danach auch zusammen mit den Orpheum-Solisten Christian Poltéra, David Riniker und Florian Krumpöck in Salzburg, Moskau und wiederum in der Tonhalle auftreten, u.a. mit Beethovens Tripelkonzert.»

Wichtiges Sprungbrett

An die 200 junge Musikerinnen und Musiker kamen bisher in den Genuss von grossen Konzerten, darunter sind Namen wie Sol Gabetta, Truls Mørk, Alice Sara Ott, Renaud und Gautier Capuçon, Martin Grubinger, Vilde Frang oder, aus jüngerer Zeit, Marc Bouchkov und Christoph Croisé. Erfreulicherweise figurieren zahlreiche Schweizer unter den Teilnehmenden, von denen nicht alle den Sprung in die Elite geschafft haben – auch das gehört dazu.

Für etliche war es aber ein bedeutendes Sprungbrett, wie Cellist Maximilian Hornung meint: «Orpheum war im wahrsten Sinne des Wortes eine beflügelnde Erfahrung, unglaublich motivierend und lehrreich.» Eine interessante Ergänzung bietet Coninx: «Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass viele unserer Solistinnen und Solisten noch nicht auf der Welt waren, als Orpheum gegründet wurde, dann sind wir auf dem Weg, ein generationenübergreifendes Projekt zu werden.»

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Howard Griffiths. Foto: Michael Steiner/Orpheum

Orpheum hat sich angepasst, neue Formate kreiert, um dem Nachwuchs eine Besonderheit bieten zu können. Den Wandel umschreibt der künstlerische Leiter Howard Griffiths: «Am Anfang waren CDs wichtig, und ein Label hat einen Künstler jahrelang betreut, was nun nicht mehr der Fall ist. Dadurch sind sie heute oft allein mit ihrer Zukunft, sie müssen Social Media nutzen. Dafür haben wir eine grössere Auswahl von Musikerinnen und Musikern, wobei die Spitze noch immer spitz geblieben ist. Aber wir versuchen immer, Interpreten mit grosser musikalischer Persönlichkeit auszuwählen.»

Trotzdem wird das Medium CD auch mit Unterstützung der Stiftung weiterhin genutzt, etwa mit der Einspielung des Cellokonzerts von Paul Wranitzky (1756–1808) mit Chiara Enderle. Vier Aufnahmen gibt es schon, für nächstes Jahr sind gemäss Griffiths zwei weitere mit Solokonzerten von Bernhard Romberg (1767–1841) und von Georg Goltermann (1824–1898) geplant. Man wähle bewusst unbekanntere Werke, um die aufstrebenden Musiker nicht dem Vergleich mit den Stars auszusetzen.
Radio SRF 2 hat das Jubiläumskonzert in Baden aufgezeichnet, und auf der Orpheum-Website ist die Streamingversion aufgeschaltet.

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