m4music gänzlich digital

Im letzten Jahr coronabedingt abgesagt, wurde m4music diesen März online durchgeführt. Im Fokus standen der Nachwuchswettbewerb «Demotape Clinic» und zahlreiche Expertengespräche, die sich natürlich auch um aktuelle Nöte der Schweizer Musikszene drehten.

2020 fiel m4music der Pandemie zum Opfer und auch in diesem Jahr liess sich das Musikfestival des Migros-Kulturprozents nicht mit Zuhörerinnen und Zuhörern vor Ort realisieren. «Um die Weihnachtszeit wurde uns definitiv bewusst, dass es schwierig werden dürfte, die Veranstaltung im März hybrid und mit Publikum durchzuführen. Also haben wir uns entschlossen, stattdessen auf eine rein digitale Ausgabe zu setzen», erinnert sich Festivalleiter Philipp Schnyder von Wartensee. «Zudem kamen wir zum Schluss, uns mit dem Event primär an die Professionals aus der Musikbranche zu richten.» Mit anderen Worten: Im Fokus der 24. Ausgabe standen der Konferenzteil mit Diskussionsrunden zu Themen wie verstärktem Klimaschutz in der Musikindustrie oder dem Dschungel der Streaming-Lizenzgebühren sowie der Nachwuchswettbewerb Demotape Clinic.

Wie Klubs überleben

Über 600 Personen aus der Musikbranche haben auf der digitalen Eventplattform aktiv teilgenommen, und einige Tausend haben sich als Publikum beim Stream zugeschaltet, was laut Schnyder den Erwartungen entsprach. «Die Professionals zeigten sich zudem äusserst engagiert und haben auch die Gelegenheit genutzt, nach den Panels die Diskussionen auf eigens dafür eingerichteten Plattformen noch weiterzuführen.» Schnyder räumt ein, dass die digitale Durchführung von m4music nicht dieselben Emotionen mit sich bringt: «Live haben musikalische Erlebnisse einfach eine andere Dringlichkeit.»

In Nachtleben in Zeiten der Pandemie erzählte Diego Dahinden, Geschäftsführer des Berner Klubs Kapitel Bollwerk, von einem erfolgreichen Crowdfunding, um die Lokalität über Wasser zu halten. Er erklärte, die Zukunft des Veranstaltungsortes dürfte bis Ende des Jahres gesichert sein. Dies nicht zuletzt dank der vom Kanton Bern gesprochenen Ausfallentschädigung für Kulturschaffende, von der auch das Kapitel Bollwerk profitiert.

Viele würden hierzulande um solche Gelder kämpfen, ergänzte Nathalie Brunner, besser bekannt als DJ Playlove. «Doch viele fallen zwischen Stuhl und Bank.» Sie sorgte sich auch, dass noch zahlreiche Veranstaltungsorte der Pandemie zum Opfer fallen könnten: «Sind diese erst mal weg, dann endgültig.» Mittlerweile könne sie sich gar nicht mehr vorstellen, wie sich das anfühlen werde, wenn das Nachtleben wieder auferstehen werde. «Auch nach dem Ende der Pandemie wird es noch lange dauern, bis Covid-19 aus den Köpfen der Leute verschwunden ist», sagte sie. «Ich wäre allerdings nicht überrascht, wenn es dann zu einer Art Jugendkulturexplosion kommen würde.»

Covidfreie und grüne Festivalzukunft

Ebenfalls mit den Auswirkungen der Pandemie beschäftigte sich Green Pass, Politics, Patience: What Will Save Festival Culture? Angesichts der Tatsache, dass auch 2021 zahlreiche Events wie auf dem Gurten oder in St. Gallen aufgrund von Covid und der damit einhergehenden Planungsunsicherheit nicht stattfinden werden, stellt sich die Frage: Wie sieht deren Zukunft aus?

Christof Huber, Festivaldirektor des Open Airs St. Gallen, betonte, er sei zwar kein Befürworter einer Impfpflicht, um ein Festival besuchen zu können, aber: «Ein Green Pass, der die Impfung bestätigt, würde uns, aber auch anderen Grossanlässen eine Perspektive geben.» Huber bemängelte insbesondere, dass es in der Schweiz – anders als etwa in Grossbritannien – bislang zu keinem wirklichen Dialog mit den Behörden bezüglich des weiteren Vorgehens gekommen sei. «Der Wert der Unterhaltungskultur wird hierzulande unterschätzt.» Dennoch zeigt sich der Ostschweizer optimistisch: «Laut einer Umfrage des französischen Festivals Eurockéennes würden sich 70 Prozent der potenziellen Besucherinnen und Besucher testen lassen.» Was ihn hoffen lässt, dass 2022 am Open Air St. Gallen und anderswo wieder der Musik gefrönt werden darf.

Der Wunsch, weniger CO2 auszustossen, ist mittlerweile auch in der Musikkultur angekommen: Der neu gegründete Verein Vert le Future setzt sich dementsprechend für eine nachhaltige Kultur- und Veranstaltungsbranche ein. Einer seiner Mitbegründer, Moritz Meier, nannte am Panel Mehr Klimaschutz in der Musikindustrie Zahlen des Bundesamts für Umwelt, wonach die Schweizer Bevölkerung 2,8-mal so viele Ressourcen verbrauche, wie ihr eigentlich zur Verfügung stünden. «Und die Musikindustrie, die nicht zuletzt auf vielen Reisen und Touren basiert, bildet da keine Ausnahme», erläuterte Meier. «Somit sind wir ein Teil des Problems, doch wir können auch ein Teil der Lösung sein.» Wie Ansätze dazu im Kleinen aussehen könnten, schilderte Kajo Frischknecht, Co-Geschäftsleiter des Winterhurer Konzertlokals Salzhaus: «Zu den von uns ergriffenen Massnahmen gehören ein Kompost hinter der Bar oder ein Wassertank statt Petflaschen in der Bandgarderobe.» Seine Erkenntnis: «Sobald wir offen haben, generieren wir Emissionen – es gibt also noch viel zu tun.»

Mehr Offenheit für andere Genres

Das Thema Nachhaltigkeit wolle man übrigens auch am m4music stärker berücksichtigen als noch vor wenigen Jahren, erwähnte Philipp Schnyder. Obschon das Festival nun bereits zum zweiten Mal ohne Publikum über die Bühne gehen musste, habe sich am Engagement des veranstaltenden Migros-Kulturprozents nichts geändert. «Das Festival gehört zu unseren wichtigsten Fördermassnahmen.» Das m4music sei mehr denn je bestrebt, auch während des Jahres präsent zu sein und der Musikszene sowie dem Publikum immer wieder Neues zu bieten. Für die Zukunft ist etwa angedacht, dass die Plattform des Festivals anderen Partnern zur Verfügung gestellt wird und diese selbst Inhalte kreieren – wie es etwa mit Swiss Music Export bereits geschieht. «Neu ist auch, dass wir Jazz mit Nähe zur Popkultur ins m4music integrieren», so Schnyder. Denkbar sei zudem mehr Offenheit gegenüber der klassischen Musik. «Dass ein Projekt zwischen Pop, Jazz und Klassik oszillieren könnte, ist aus unserer Sicht sehr gut vorstellbar.»

Wie sich die Gesundheitslage 2022 präsentieren wird, ist noch völlig ungewiss. Philipp Schnyder schliesst nicht aus, dass ein «normales Festival» zumindest wieder denkbar wird. Schon jetzt steht jedoch fest: m4music will künftig stärker dazu beitragen, dass die diversen Musikgenres beim Festival nicht nur unter einem Dach zusammenkommen, sondern auch vermehrt Berührungspunkte finden.

Die meisten Expertengespräche lassen sich nachverfolgen unter:

https://www.youtube.com/channel/UCsbhIFlFE1GWjhTbCHaeD_Q

www.m4music.ch

Das könnte Sie auch interessieren