Klavierfestival «Beflügelt»: Nachwuchsförderung in der Industriehalle

Man nehme zwei Flügel, miete einen Raum und bastle ein Festival. So einfach schien «Beflügelt – Ein Festival für zwei Klaviere», das vom 26. bis zum 29. August in Basel stattfand, auf den ersten Blick gestrickt.

New Piano Duo: Anastasija Raspopova und Iveri Kekenadze. Foto: Charlie Hui, viswerk.ch

Ein einfaches Rezept, aber trotzdem überaus ergiebig. Zu hören waren spannende Konzerte in einer ausrangierten kleinen Industriehalle, die von jungen, meist noch in Ausbildung befindlichen Pianistinnen und Pianisten gespielt wurden. Doch damit nicht genug: Statt Steinways, wie sie auf den Konzertpodien mittlerweile Standard sind, kamen zwei Grotrian-Steinweg-Flügel zum Einsatz.

Initiantin dieses Festivals war die Swiss Foundation for Young Musicians mit ihrer künstlerischen Leiterin Isabel Heusser. Seit zehn Jahren setzt sie sich für junge Musikerinnen und Musiker ein, denen sie eine Plattform für Konzerte in kleinem Rahmen bietet, so etwa im 14-tägigen Turnus halbstündige Mittagskonzerte in den eigenen Geschäftsräumen. Im Januar 2021 wurde Isabel Heusser dann angetragen, ob die Stiftung nicht einen alten Grotrian-Steinweg-Flügel als Leihgabe an Studenten der Musikhochschule Basel vermitteln könnte.

Image
Der historische Flügel wirkt im Zusammenspiel mit dem neuen Instrument orchestral. Foto: Charlie Hui, viswerk.ch

Der Flügel mit Baujahr 1895 hat eine bewegte Geschichte hinter sich, denn er gehörte einem jüdischen Ehepaar in Frankfurt, das 1933 vor den Nazis flüchten musste, wobei das Instrument nach Cambridge gerettet werden konnte. Vor zehn Jahren wurde es von Raphael Carnal in Bern generalüberholt, es bekam neue Hammerköpfe und der Resonanzboden wurde repariert, wie Heusser ausführt: «So kam ich auf die Idee, damit ein Festival zu gestalten und dem alten Instrument einen modernen Grotrian-Steinweg von 2014 gegenüberzustellen.»

Heusser schrieb Pianistinnen und Pianisten an, die sie in ihrer Stiftungstätigkeit kennengelernt hatte, und wurde überrannt von positiven Rückmeldungen und Programmvorschlägen: «85 Prozent davon betrafen russische Komponisten, was ich natürlich nicht akzeptieren konnte.» Und so begann sie selbst, zusammen mit den ausgewählten Interpretinnen und Interpreten sinnvolle Programme zusammenzustellen.

Jedes Duo bekam einen Zeitrahmen von rund 90 Minuten, in denen es sich an die Instrumente gewöhnen konnte, plus 20 Minuten Einspielzeit vor jedem Konzert. Der Klavierstimmer war immer vor Ort. In dieser Zeit galt es, das Instrument zu wählen und die verschiedenen Klangwelten aufeinander abzustimmen.

Entstanden ist daraus ein Festival mit zehn Konzerten, in denen ein breites Spektrum an Werken vorgestellt wurde, von den Klassikern im Konzert «Götter auf dem Olymp» mit Mozarts Sonate für zwei Klaviere D-Dur KV 488 und Brahmsʼ Sonate für zwei Klaviere f-Moll op. 34b bis hin zu «Die Kraft der Kreativität» mit einer Uraufführung von Amador Buda Fuentes Manzor (*1991).

Ein Schwerpunkt galt der französischen Musik mit der Sonate pour deux pianos von Francis Poulenc und Claude Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune in der Klavierbearbeitung des Komponisten. Als besondere Spezialität spielten Marco Scilironi und Florian Noack die Symphonie Nr. 3 Liturgique von Arthur Honegger in einer Klavierbearbeitung von Dmitri Schostakowitsch.

Unterschiedlicher Umgang mit den beiden Flügeln

Ganz der russischen Musik gewidmet war das Konzert «Cuir de Russie, 1920», das einen Querschnitt an Werken, Charakteristika der Instrumente und pianistischem Können der Interpretierenden bot. Der historische Flügel präsentierte sich in guter Stimmung, mit weich und sonor klingendem Bassregister, breit schwingender Mittellage und «glockigem» Diskant. Das neue Instrument war agiler, klanglich klarer fokussiert, ausgeglichener in den Registern und mit anderer Obertönigkeit als der alte «Kollege».

Mit Rachmaninows Frühwerk Fantaisie-Tableaux op. 5 von 1893, also fast dem Entstehungsjahr des alten Flügels, spielten Zofia Grzelak und Martin Jollet, Studierende der Musikhochschule Basel, ein ihrem pianistischen Niveau gut entsprechendes Stück und setzten die beiden Instrumente ideal ein: Grzelak am neuen Grotrian angriffig und mit virtuosen Läufen, Jollet mit Inbrunst die besondere Klanglichkeit des Oldtimers zelebrierend und die romanzenhafte Sehnsuchtsmusik mit viel Pedal voll auskostend.

Die aus Belarus stammenden Hanna Syrneva und Alik Balagozyan hatten ein happiges Programm zu absolvieren. Zuerst die Fantasie a-Moll op. posth. von Alexander Skrjabin, danach von Nikolaj Methner Russian Round Dance und Knight Errant op. 58. Alle Werke sind klavieristisch virtuos, leben von Stimmungs- und Rhythmuswechseln und sind bei Methner gar kontrapunktisch vertrackt. Die beiden jungen Künstler fegten allerdings durch die Partitur, als gelte es ein Wettrennen zu gewinnen, von Differenzierung war leider wenig zu hören.

Ganz anders dann der Abschluss nach der Pause mit Rachmaninows Symphonic Dances op. 45, die der Komponist selbst für zwei Klaviere arrangiert hat. Das Duo Fuko Ishii und Denis Linnik konzertierte auf hohem Niveau, hörbar gut aufeinander eingespielt, wobei Fuko Ishii dem alten Flügel ungewohnte Klänge entlockte. Bei schnellen Läufen und Trillern war er nicht so agil, dafür staunte man über das Differenzierungsvermögen in Lautstärke und Anschlag. Im Gespräch danach meinte Duopartner Linnik zudem, mit diesen unterschiedlichen Flügeln sei es einfacher, einen orchestralen Gesamtklang zu erzielen, weil sie sich durch die Obertönigkeit gut voneinander unterschieden.

Die schlichte Halle namens «Metallbau» passte gut zur Frische des Gebotenen, sie zu finden ist im Kleinbasler Wohnquartier aber ohne Beschilderung nicht ganz einfach.

Image
Duo Fuko Ishii und Denis Linnik im «Metallbau». Foto: Charlie Hui, viswerk.ch

Das könnte Sie auch interessieren