Von der Jazzszene, für die Jazzszene

Ende Februar fanden in Bern erstmals die Swiss Jazz Days statt. Am zweitägigen Event gab es viel Musik, Workshops und Diskussionsrunden. Der Anlass fand grossen Anklang und wird 2023 fortgeführt.

Die Aula im Progr Bern war gut gefüllt, als über die Utopie «Chancen einer Dachkampagne für den Schweizer Jazz» gesprochen wurde. Foto: Gabriele Spalluto / Swiss Jazz Days

Die Swiss Jazz Days sind ein neuer Networking- und Szeneevent, der gemäss Programmheft auf aktuelle Themen der nationalen und internationalen Musikbranche fokussiert. Der zweitägige Anlass, der Ende Februar in Bern erstmals über die Bühne ging, diente auch dazu, «zusammen Ideen und Strategien zu erarbeiten, um gemeinsamen Herausforderungen zu begegnen».

Initiiert wurden die Swiss Jazz Days namentlich von Simon Petermann und Christoph Jenny. «Das Aha-Erlebnis hatte ich bereits 2015. An der Messe Jazzahead in Bremen wurde mir bewusst, woran es mir in der Schweiz mangelte – am Gefühl, in eine Szene eingebunden zu sein», erinnert sich Petermann. Der Musical Director des Fischermanns Orchestra und Sendungsmacher bei Radio RaBe machte sich deshalb 2020 gemeinsam mit seinem Kompagnon Christoph Jenny daran, einen Event «von der Jazzszene für die Jazzszene» zu entwickeln. Rasch habe sich abgezeichnet, dass ein solcher Anlass nicht nur auf lebhaftes Interesse stosse, sondern sich auch finanzieren lasse.

Grüner werden

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Chris Jenny und Simon Petermann: Das Team hinter den Swiss Jazz Days. Foto: Gabriele Spalluto / Swiss Jazz Days

An den 1. Swiss Jazz Days wurden nicht nur Workshops wie «Social Media & Digital Communication» und «Medienpromotion für Musikschaffende» angeboten, sondern auch Konzerte und Diskussionsrunden – etwa zum Thema Entrepreneurship im Jazz oder zu den «Chancen einer Dachkampagne im Schweizer Jazz». Beim Panel «Nachhaltige Förderstrategien» standen laut Moderatorin Milena Krstic die ökologischen Aspekte im Mittelpunkt. Lea Heimann, die beim Berner Jazzklub Bee-Flat für Booking, Fundraising und Vermittlung zuständig ist, erklärte, dass sich diesbezüglich eigentlich noch alle in einem Lernprozess befänden. Der Ressortleiter Popkredit Zürich, Niklaus Riegg, betonte hingegen: «Zum sogenannten Green Booking habe ich ein gespaltenes Verhältnis.» Zwar sei es absolut richtig, dass sich die Festivals bemühten, zusehends «grüner» zu werden, doch die Verantwortung dafür dürfe keinesfalls an die Musikschaffenden delegiert werden.

Moderatorin Krstic, selbst Musikerin, erzählte von ihren eigenen Bemühungen, sowohl privat als auch beruflich möglichst selten mit dem Flieger unterwegs zu sein. Sie gab zu bedenken: «Wer als Musiker wirklich Erfolg haben will, kommt fast nicht umhin, viel herumzufliegen.» Ein Statement, das Riegg mit der Erkenntnis ergänzte, dass die hiesige Jazzszene ihren Protagonisten zu wenig Auftrittsmöglichkeiten biete: «Als Schweizer Jazzer ist man mehr oder weniger gezwungen, im Ausland zu touren.» Zwar erweist sich der Zug innerhalb Europas als gute Alternative zum Flugzeug, doch die Distanzen dürfen nicht unterschätzt werden, wie ein von Lea Herrmann angeführtes Beispiel verdeutlichte: Beim Booking eines Konzertes habe sie von den Auftretenden verlangt, per Zug anzureisen. Was dazu führte, dass die Musiker aus Sizilien 21 Stunden unterwegs und auf der Bühne entsprechend ausgepowert waren. Eine frühere Anreise inklusive einer zusätzlichen Übernachtung wäre aus Erholungsgründen angebracht gewesen, bloss: Dafür fand sich kein Budget.

Die Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass eine bessere Absprache unter den veranstaltenden Schweizer Klubs vonnöten sei. Wodurch sich mitunter verhindern liesse, dass Formationen zum Beispiel heute in Madrid, morgen in Basel und übermorgen in Barcelona auftreten. «Es braucht mehr Kollaboration und weniger Konkurrenzsituation», so Niklaus Riegg. Aus dem Publikum zu Wort meldete sich auch Carine Zuber, bis letzten Herbst Leiterin des Zürcher Jazzklubs Moods. Sie berichtete etwa von Gesprächen mit den SBB über einen möglichen Interrailpass für Künstlerinnen und Künstler. Entwicklungen, die darauf hindeuten, dass das Thema für die Musikbranche zusehends an Relevanz gewinnt.

Vielseitiger vernetzen

Und welches Fazit zieht Simon Petermann nach den 1. Swiss Jazz Days? «Der Start ist gelungen und dank der vielen positiven Rückmeldungen fühlen wir uns in der Idee bestärkt, den Anlass zukünftig jedes Jahr durchzuführen.» Aus Petermanns Sicht wäre es erstrebenswert, wenn der Event künftig vermehrt Veranstalter sowie Vertreter der Kulturförderung, von Stiftungen und Labels anziehen würde. Diesmal waren die rund 130 Teilnehmenden in erster Linie Musikerinnen und Musiker. Womit bereits das erste Ziel erreicht wäre: Jazzerinnen und Jazzer miteinander zu vernetzen.

«Wir sind sehr offen, wie es mit den Swiss Jazz Days weitergehen soll», hält Petermann fest. Um den Puls der Jazzszene künftig noch besser zu fühlen, haben er und Christoph Jenny sich fix zum Ziel gesetzt, den Anlass nicht ausschliesslich in der Bundesstadt durchzuführen. Dieser Schritt soll dazu beitragen, der Fragmentierung der Jazzszene bestmöglich entgegenwirken. Eins liegt Petermann besonders am Herzen: «Ganz wichtig ist uns die Zusammenarbeit mit anderen Szenen, wir verschliessen uns weder dem Pop noch dem Rock.»

 

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