Acht Tage Saxofon

Tägliche Konzerte, aber auch Meisterkurse liessen das Instrument hochleben. Beim Repertoire gab es einiges zu entdecken.

«Grössen der internationalen Saxofonszene und Nachwuchstalente zeigen ein weites Spektrum: klassische, zeitgenössische und improvisierte Musik.» Wer sich auf der Seite des Zurich Saxfests über das Festival informieren will, wird nicht gerade mit Angaben überhäuft. Doch nach kurzem Nachdenken muss man zugeben, dass mit diesem Satz eigentlich das Wesentliche gesagt ist. Das Saxfest wurde wegen Corona nach 2017 erst zum zweiten Mal ausgerichtet. Organisiert hat es der an der Zürcher Hochschule der Künste unterrichtende Saxofonist, Dirigent und Kulturmanager Lars Mlekusch. Und es leistete genau das, was kurz und bündig angekündigt worden war. Konzerte unterschiedlichster Stile, verteilt auf diverse Locations in Zürich, vom Toni-Areal und dem Mehrspurclub über das Fraumünster und die Johanneskirche bis zum Partylokal Labor5 oder dem Kulturmarkt. Kenneth Tse, Christoph Grab, David Brutti oder das Duo Amstad Inglin sind nur einige wenige Namen, die aber anzudeuten vermögen, wie breit das Angebot an Musik war.

Das Saxofon als Megafon und Spielzeug …

Mlekusch organisierte das Saxfest gemeinsam mit dem Zurich Saxophone Collective, einem aus seinen Schülern bestehenden Ensemble. Dadurch wurden den Mitgliedern unbezahlbare Erfahrungen geboten: als Organisatoren, Interpreten, Besucher hochstehender Konzerte und Meisterkurse. Gerade letztere ermöglichten faszinierende Einblicke, wie ein Kurzbesuch bei Frank Gratkowski zeigte.

Image
Meisterkurs bei Frank Gratkowski in der Kunsthalle

Der Deutsche, der am Donnerstagabend auch eine Soloimprovisation gezeigt hatte, wird auf Wikipedia zwar als Jazz-Saxofonist, -Klarinettist und -Komponist bezeichnet, lässt sich jedoch nur mit viel Willen zur Vereinfachung in eine solche Schublade pressen. Eher könnte man ihn als waghalsigen Improvisator ohne Netz und doppelten Boden bezeichnen, dem Genregrenzen nichts bedeuten. Es war aufschlussreich, Gratkowski über seinen ungewöhnlichen Werdegang oder die stete Suche nach Neuem sprechen zu hören. Am stärksten haften geblieben ist aber die undoktrinäre Haltung zu seinem Instrument. Als Megafon bezeichnete er es, als Spielzeug, das er immer wieder auf seine Funktionen und Möglichkeiten austeste. Es ist wohl dieser Spieltrieb, der es ihm gemeinsam mit der konsequenten Arbeit an selbst gestellten Herausforderungen ermöglicht, sich nur selten zu wiederholen. Für die klassisch geschulten Studenten war der Unterricht eine Herausforderung. Improvisation will genauso gelernt sein wie das exakte Spiel nach Noten, ist aber gemäss Gratkowski auch für den klassischen Interpreten wichtig. Seiner Erfahrung nach würden gerade Interpreten Neuer Musik auch die aufgeschriebene Musik besser spielen, wenn sie zumindest etwas Erfahrung als Improvisatoren hätten.

… und in Bearbeitungen

Gelegenheit sich als Interpreten zu präsentieren, hatten die Mitglieder des Zurich Saxophone Collective einige. So bestritt das Ensemble das per Streaming übertragene Eröffnungskonzert am Samstagabend mit Stücken von Bartók, Francisco Guerrero Marín und Mahler und bewies dabei eindrücklich, auf welchem Niveau es zu spielen vermag. Bartóks Divertimento und Mahlers 4. Sinfonie waren Bearbeitungen von Miha Ferk, der die Werke kongenial umgeschrieben hat, die Saxofone lediglich ergänzt durch Akkordeon, Klavier, Harfe, Kontrabass und Schlagwerk. Doch bei aller Brillanz des Resultats zeigten sich hier auch die Grenzen des Konzepts. Für Aussenstehende, sprich Nicht-Saxofon-Aficionados, erschliesst sich der Nutzen eines solchen Arrangements nur bedingt. Gerade Mahlers Vierte verliert durch die Umarbeitung doch einiges ihrer Vielschichtigkeit.

Image
Lars Mlekusch leitet das Zurich Saxophone Collective

Inwiefern Bearbeitungen oder «Umnutzungen» auch bereichern können, bewies hingegen ein anderes Konzert. In der kleinen Johanneskirche beim Limmatplatz wurde der Sonntagabend dem «lyrischen Saxofon» gewidmet. Während Weberns Quartett Op. 22 für Violine, Klarinette, Saxofon und Klavier vielleicht nicht der Inbegriff lyrischer Melodien ist, spielten Studenten anschliessend Lieder von Schubert, Strauss und Mahler. Eine schöne Alternative zum Gesang, bei der das Saxofon manchmal vielleicht etwas stark das Klavier dominierte. Nach der Pause dann lieferten der Saxofonist Harry White und der Pianist Hans Adolfsen ein kleines, aber sehr feines Konzert mit einigen Überraschungen ab. Vokalisen, also textlose Gesangsstücke, von Roussel, Messiaen und Nielsen boten Harry White die perfekte Bühne, das Saxofon singen zu lassen. In den darauf folgenden drei sehr kurzen Stücken für Saxofon Solo von Daniel Fueter offenbarte White virtuos, wie vielschichtig komprimiert diese «Stücklein» sind. Der Abschluss bot dann eine tatsächliche Erweiterung des Repertoires. Erwin Schulhoffs Esquisses de Jazz für Klavier wirkten in der Bearbeitung von Edward Rushton und Hans Adolfsen wie ein genuines Saxofonstück. Mögen sich diese kleinen Trouvaillen etablieren!

Das könnte Sie auch interessieren