Von Händel bis Rihm

Die Academy, die jährlich im September in Zermatt vom Berliner Scharoun-Ensemble geleitet wird, ist begehrt und höchst anspruchsvoll, wie ein Besuch vor Ort zeigt.

Sie gehört zu den renommierten Meisterkursen für junge Musikerinnen und Musiker, die 2005 gegründete und vom neunköpfigen Berliner Scharoun-Ensemble getragene «Zermatt Festival Academy», und sie ist so begehrt wie anstrengend. Bis zu 500 Bewerbungen aus aller Welt treffen jeweils bei der Leitung ein, aus denen die Glücklichen selektioniert werden. Heuer haben es 33 geschafft, darunter elf von Schweizer Hochschulen, vier davon schweizerischer Nationalität.

Der Hornist Marcial Holzer zählt dazu: «Zermatt ist eine Academy mit Festival, wo auf sehr hohem Niveau gearbeitet wird, deshalb habe ich mich gemeldet», umschreibt er seine Motivation, «es ist für mich ein Glück, mit dem Scharoun-Ensemble proben und spielen zu dürfen.» Die Anforderungen sind hoch, es werden sowohl Kammermusik wie auch Orchesterstücke zusammen mit dem Scharoun-Ensemble im Zermatt Festival Orchestra einstudiert, und zwar quer durch alle Stilepochen.

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Holzer schätzt gleichermassen das Coaching des Hornisten Stefan de Leval Jezierski, als auch der Bläsergruppe im Orchester durch den Fagottisten Markus Weidmann: «Es sind nicht nur die intensive Probezeit und die Aufführungen, die mir extrem viel bringen, sondern auch das Zusammensein mit den anderen Akademisten», bilanziert Holzer.

Proben …

In einer Probe der 1. Sinfonie von Mendelssohn konnte man sich ein gutes Bild davon machen. Für einmal gab es keinen Dirigenten, die Probe wurde von Konzertmeister Christophe Horak geleitet sowie von Christian Poltéra, der hier nicht als Solist, sondern als Cello-Stimmführer des Zermatt Festival Orchestras präsent war. Er ersetzte den sich in Vaterschaftsurlaub befindenden Claudio Bohórquez.

Horak und Poltéra harmonierten gut in dieser Probe, kein Wunder, denn «Christophe und ich haben schon mit 14 Jahren zusammen Kammermusik gemacht», erzählte Poltéra nach der Probe lachend. In der Tat war es spannend, wie es die beiden Musiker, ergänzt durch den Fagottisten Markus Weidmann, der die Bläser instruierte, verstanden, aus einem ungebändigten, behäbigen Allegro di molto einen wirbligen, konturierten Mendelssohn-Satz zu formen. Präzise Artikulation und dynamische Differenzierung setzten die Orchestermitglieder mühelos in die Tat um.

«Die jungen Musizierenden sind gut vorbereitet und äussert flexibel», lobte denn auch Horak nach der Probe: «Es macht unglaublich Spass. Die Frische, der Enthusiasmus und die Freude der jungen Menschen sind ansteckend.» Das Scharoun-Ensemble macht im Vorfeld jeweils Vorschläge, was gespielt werden könnte, die Academy-Leitung besorgt dann die Endauswahl der Werke, die einstudiert und vor Publikum gespielt werden.

… und konzertieren

Das Resultat der Probenarbeit konnte man sich etwa am 13. September in der English Church anhören: Es war ein buntes Programm mit Werken von Hindemith, Debussy, Rihm und Blanc, das auch an die Zuhörerschaft hohe Anforderungen stellte. In Hindemiths Sonate für vier Hörner begegnete man auch Marcial Holzer wieder. Der Zusammenklang im langsamen Fugato gelang ebenso gut wie die häufigen Taktwechsel im 2. Satz «Lebhaft».

Besonders gelungen war die Sonate für Flöte, Bratsche und Harfe von Debussy, bei der gleich zwei Schweizer Nachwuchstalente brillierten, der Bratschist Johannes Moehrle und die Harfenistin Tjasha Gafner. Wie der von Micha Afkham betreute Moehrle sich einmal mit der ausgezeichneten Flötistin Alexandra Gouveia, dann wieder mit der Harfenistin klanglich abzustimmen verstand, war eine Ohrenweide. Danach fiel das sowohl programmatisch als auch interpretatorisch höchst diffizile Sextett von Rihm etwas ab.

Von Enthusiasmus getragen war die Interpretation von drei Sätzen aus dem Septett für Klarinette, Fagott, Horn und Streicher von Adolphe Blanc. Das durch den Kontrabass dunkel gefärbte Werk verlangt den Interpretierenden einiges ab. Sophia Eschenburgs Violinspiel mutete wohl auch deshalb etwas spitz exponiert an. Derweil präsentierte sich Rafal Kleszcz an der Klarinette mit seinen brillanten Läufen etwas gar dominant, dabei hatte er mit Alexander Rauch am Fagott und Helene Fleuter am Horn zwei exzellente Partner an seiner Seite.

Der vierte Schweizer im Bunde war Silvan Irniger, ein Geiger, der in Zürich bei Andreas Janke studiert und von diesem auch ein Empfehlungsschreiben für die Academy erhalten hatte, wie der 24-Jährige erzählte. Irniger spielte sowohl im Streichoktett von Enescu und im Nonett von Farrenc als auch in den Orchesterkonzerten mit.

Wir trafen ihn bei einer Probe zu Händels Suite für Trompete, Streicher und Basso continuo in D-Dur. Dirigent war Stanley Dodds, als Solist spielte der Solo-Trompeter der «Berliner», Guillaume Jehl, der Barocktrompete an der Scola Cantorum Basiliensis studiert hatte. Und auch hier verblüffte, wie Händels Musik nach Dodds Anweisungen an Konturen gewann, die Phrasierungen kürzer und prägnanter wurden. Irniger hatte sichtlich Spass am Einstudieren und meinte, «die Stilwechsel gehören an dieser Academy einfach dazu». Sprachs und setzte die Probe mit Prokofiews Symphonie classique fort.

Zermatt Festival

Scharoun-Ensemble

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