Dem «ausbündigen Meister» auf der Spur

Im Rahmen des 40. Festivals Alte Musik Zürich fand eine Tagung zum böhmischen Komponisten Jan Dismas Zelenka (1679–1745) statt. Die Veranstaltung am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Zürich wurde konzipiert und geleitet von Esma Cerkovnik.

Zelenka-Gedenktafel in Louňovice pod Blaníkem, dem Geburtsort des Komponisten fotografiert 2014 von Ivan Rozkošný/Wikicommons

Unter dem Titel Du hochgepriesener, vollkommner Virtuos: Jan Dismas Zelenka und seine Zeit bot die Tagung vom 16. März Einblicke, Einordnungen und neue Aspekte zu den vielen offenen Fragen rund um Zelenkas Leben und Werk: Wer war dieser Komponist, der sich selbst den Beinamen des «reuigen Schächers», Dismas, gab? Welche musikalischen Entwicklungen brachte der von seinem Zeitgenossen Johann Sebastian Bach hoch geschätzte Zelenka nach Dresden? In sechs Vorträgen wurden sozialgeschichtliche, ideengeschichtliche, musiktheoretische und aufführungspraktische Fährten verfolgt.

In ihrer Einführung beleuchtete Esma Cerkovnik (Zürich) den Topos des Virtuosentums ausgehend von einem Lobgedicht Johann Gottlob Kittels, eines Zeitgenossen des Komponisten, der Zelenka im «Wettstreit der Music» als «vollkommner Virtuos» bezeichnete. Anschliessend stellte Jóhannes Ágústsson (Reykjavík) neue Quellen zu Zelenkas frühen Dresdner Jahren vor mit besonderem Augenmerk auf jesuitische Kontexte. Thomas Hochradner (Salzburg) ordnete die Bedeutung von Zelenkas Lehrzeit bei Johann Joseph Fux kritisch ein. Dabei nahm er die bisherige Forschung, namentlich die Untersuchungen Friedrich Wilhelm Riedels und Wolfgang Horns, als Ausgangspunkt für eine neue Gewichtung der bekannten schriftlichen Zeugnisse. Václav Kapsa (Prag) präsentierte die böhmischen Netzwerke des Komponisten, wobei neben tschechischen Elementen in seiner Musik der musikalische Austausch zwischen Prag und Dresden – beides Wirkungsorte Zelenkas – im Vordergrund stand.

Angelika Moths (Zürich) stellte musiktheoretische Betrachtungen in Zelenkas Œuvre an. Vor dem Hintergrund von Johann David Heinichens Generalbass-Traktaten betonte sie die innovative Harmonik des Komponisten. Laurenz Lütteken (Zürich) untersuchte die Ouvertüre Hipocondrie aus ideengeschichtlicher Perspektive. Zeitgenössische Begriffsdefinitionen der Hypochondrie und Einblicke in Athanasius Kirchers Musikphilosophie boten neue Aspekte zu Zelenkas Musikverständnis in diesem Werk. Schliesslich berichtete der Organist und Dirigent Adam Viktora (Prag) von den Bezügen zu kirchlichen Kontexten mit Ausblick auf die Zelenka-Rezeption zur Zeit der sozialistischen Tschechoslowakischen Republik und präsentierte aufführungspraktische Überlegungen zu Zelenkas Musik.

Die Referentinnen und Referenten der Tagung liessen den «ausbündigen Meister» als eine vielseitige Figur der Musikkultur seiner Zeit lebendig werden und boten in ihren Beiträgen und den anschliessenden Diskussionen viele Denkanstösse für die künftige Musikforschung.

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