So klingt Schweizer Volksmusik
Seit Mitte Juni ist im Forum Schweizer Geschichte in Schwyz die interaktive Ausstellung «Volksmusik» zu sehen. Im Zentrum stehen Schwyzerörgeli, Alphorn, Hackbrett und Jodel.

Seit mehr als fünfzig Jahren wird die traditionelle, die folkloristische und mittlerweile auch die Neue Volksmusik mit Büchern, Notenheften, Tonträgern, Filmen, mit Wechselausstellungen, der Dauerausstellung im Freilichtmuseum Ballenberg und in den beiden Kompetenzzentren in Altdorf und Gonten dokumentiert.
Aus diesem umfassenden Material und bei Besuchen von Musikfestivals und Ländlerkonzerten sowie durch Recherchen im Archiv von Fernsehen SRF und in Fotosammlungen haben Sibylle Gerber und Laura Rompietti das Konzept zur Sonderausstellung «Volksmusik» im Forum Schweizer Geschichte in Schwyz entworfen und erst nach diesen Vorarbeiten nach geeigneten Exponaten gesucht. Dabei wurden nicht in erster Linie Volksmusikinstrumente und Bilder, sondern repräsentative Tonbeispiele in beeindruckender Fülle ausgewählt. Aus Platzgründen haben die Kuratorinnen auf eine Darstellung des ganzen Phänomens verzichtet und versucht, die Schweizer Volksmusik in Teilaspekten punktuell zu erfassen. An mehreren Medienstationen, bei erwünschten Improvisationen durch Besucherinnen und Besucher und im vielseitigen Rahmenprogramm darf Schweizer Volksmusik aber in vielen Varianten erklingen.

Zusammen mit grafischen und tontechnischen Mitarbeitern ist es den Ausstellungsmacherinnen gelungen, einen wichtigen Teil der schweizerischen Volkskultur in Erinnerung zu rufen. Die verschiedenen Alphorntypen, abgebogene Form, Büchel, Stockbüchel und Tiba, sind zwar ausgestellt, aber man vermisst die einzigartige Auffächerung verschiedener Funktionen vom Lock- bis zum Rockinstrument des Nationalsymbols. Als Ergänzung berichtet die begabte Schaffhauser Alphornspielerin Lisa Stoll über ihre Beziehung zur Tracht und zu ihrem Instrument, das sie in einer erfrischenden Einspielung an einer der Medienstationen vorführt. Dass das Hackbrett als wichtigstes Instrument der Appenzeller früher in der ganzen Schweiz verbreitet war und heute noch im Wallis erklingt, wird dem Besucher zwar vorenthalten, aber im Film füllt Nicolas Senn diese Lücke in seiner professionellen Erklärung des alten Saitenspiels und dessen anspruchsvoller Spielweise. In weiteren Videos beweisen ein Schwyzerörgeler und eine Jodlerin die Beliebtheit der Volksmusik auch bei jungen Musikanten.
Formationen und Landschaften
Die Sonderausstellung in Schwyz zeigt die repräsentativen Formationen der Schweizer Volksmusik: Ländlerkapelle (Klarinette, Schwyzerörgeli und Bass), Streichmusik (eine oder zwei Violinen, Cello, Kontrabass und Hackbrett oder anstelle der zweiten Geige und des Cellos Akkordeon), Bandella (kleine Bläsergruppe der Tessiner) und die Fränzlimusik der Engadiner (Streich- und Blasinstrumente). Das älteste, in vielen Volksbräuchen und Vereinen gepflegte Ensemble, Pfeife und Trommel, sucht man vergebens.
In der Schweiz sind heute noch sogenannte Musiklandschaften erkennbar. Unter diesen klingenden Regionen werden das Appenzellerland, die Kantone Schwyz, Tessin, Graubünden und das ehemalige Ländlermekka, die Stadt Zürich, dargestellt. Die Romandie ist mit Joseph Bovet und seinem Knabenchor vertreten, aber wo bleiben die der französischen Musette nachempfundenen «accordéons jurassiens», wo die zahlreichen, jeweils an der «Fête des Vignerons» in Vevey beeindruckenden Chöre der Westschweiz?

All die historischen Schwarz-Weiss-Fotos könnten beim flüchtigen Besucher den Eindruck erwecken, die Schweizer Volksmusik sei ein Phänomen der Vergangenheit. Die zahlreichen Konzerte des Rahmenprogramms zeigen aber, dass Jodeln, das Spiel auf Alphorn, Hackbrett und Schwyzerörgeli lebendiger sind denn je.
Musizierlust wecken
Die zehn Monate lang zugängliche Ausstellung wirkt nicht ermüdend, im Gegenteil: Grosse, holzschnittartig auf die Wände gedruckte Illustrationen von Musikanten und Musiklandschaften leiten spielerisch zu den leicht lesbaren viersprachigen Texttafeln, zu all den Medienstationen mit ihren lustvollen Inhalten und schliesslich zur «Stubete-Bühne», wo Besucherinnen und Besucher bereitgelegte Instrumente ausprobieren, aber auch mitgebrachte eigene Instrumente vorführen dürfen. Und tatsächlich: Man wird durch Sehen und Hören angeregt zum eigenen Spielen, Tanzen und Singen oder man lässt sich dazu inspirieren, auf die riesige Wandtafel zu schreiben, was Volksmusik für einen selbst bedeutet, was Volksmusik überhaupt ist.
In Schwyz ist eine wortwörtlich interaktive Ausstellung gelungen, die zwar in der Wissensvermittlung da und dort Wünsche offenlässt, die aber Lust macht, vorhandene Kenntnisse zu ergänzen und selber zu musizieren.
Das Rahmenprogramm bietet Führungen für 60+, Kinderführungen mit einem Audioguide und Dialogführungen mit Expertinnen und Experten. Empfehlenswert sind zudem ausgesuchte Konzerte im Zelt vor dem Museum. Wer davon nicht profitieren und auch keinen Mitbesuchern zuhören kann, trifft vielleicht auf den musizierenden Metzger neben dem Forum Schweizer Geschichte, der in Arbeitspausen hinter dem Geschäft Schwyzerörgeli spielt.
«Volksmusik»
Forum Schweizer Geschichte Schwyz
Bis 3. Mai 2026
Di–So 10–17 Uhr
forumschwyz.ch/volksmusik

