Ein Fabelwesen erkundet Volksmusikinstrumente
«Barboza und der klingende Baum» heisst das neue Musikprojekt für Kinder von Howard Griffiths. Das Musikkollegium Winterthur präsentierte es am 1. November im Stadthaus zahlreichen Kindern mit ihren Familien.

Howard Griffithsʼ Musikgeschichten wecken die Fantasie der Kinder und erzählen von wundersamen Dingen. Diesmal geht es um die Tradition der Schweizer Volksmusik: Hackbrett, Alphorn, Schwyzerörgeli und das Jodeln. Die Instrumente werden aber nicht einfach vorgestellt. Barboza, das rührige Fabelwesen aus den Alpen, entdeckt sie auf seiner Reise durch die Schweiz.
Als die Musikerinnen und Musiker des Winterthurer Orchesters mit dem Dirigenten auf die Bühne kommen, applaudieren die Kinder nur zaghaft. Griffiths ist damit nicht zufrieden: «Ihr wisst wohl nicht, dass dies hier ein grossartiges Orchester ist, und ich bin ein berühmter Dirigent. Also bitte ein starker Applaus! Noch lauter! Ich will, dass man ihn bis nach Zürich hört.» Die Kinder klatschen heftig, und siehe da, von nun an machen sie es immer so.
Vom singenden Baum zum klingenden Holz
Barboza liebt den kalten Winter, schläft aber den ganzen Sommer lang in seiner kühlen Höhle. Doch dieses eine Mal wacht er auf, tritt ins Freie und taut in der Sonne allmählich auf. Zuerst will er im Wald den magischen Baum besuchen, der sprechen und singen kann. Doch, oh Schreck, der Baum wurde gefällt!
Zusammen mit dem Jungen Ole macht sich Barboza auf die Suche nach den Holzteilen, die für den Instrumentenbau verwendet wurden: Sie fahren Postauto und Zug, gehen in ein Hackbrett-Konzert (Nayan Stalder), treffen auf eine Alphorn-Spielerin (Lisa Stoll) und lernen das virtuose Spiel auf einem Schwyzerörgeli kennen (Kristina Brunner). Alle Instrumente sind aus dem magischen Holz gebaut. Und als die Jodlerin (Franziska Wigger) Det äne am Bärgli singt, stimmen die Kinder mit ein.
Die lebendigen Illustrationen, die Andrea Peter für das gleichnamige Buch gezeichnet hat, sind gross auf der Leinwand zu sehen. Barboza mit seinen zotteligen weissen Haaren gefällt den Kindern, sie fiebern mit ihm mit. Die Geschichte wird von Fernando Tiberine packend erzählt, die Musik stammt von Fabian Künzli.
Mit stilistischer Breite nah an der Geschichte
Was reizt Künzli am Komponieren für junge Ohren? «Kinder sind unvoreingenommen, offen für Neues und sehr ehrlich», sagt er dazu. «Wenn es ihnen langweilig wird, werden sie einfach laut.» Für Barboza habe er eine breite stilistische Palette anwenden können: moderne Volksmusik, impressionistische Klangflächen, Zeitgenössisches, Theatralisches und auch Rock und Pop.
Fabian Künzli vertont die Geschichte nah am Text. Die Musik ist stimmig in den Erzählstrom eingeflochten, die formalen Teile sind in sich geschlossen und gut fassbar. Das Musikkollegium spielt mit rührender Hingabe, problematisch ist jedoch die Lautstärke. Einerseits hört man den Hackbrett-Solisten kaum, und wenn Tiberini in die Musik hineinsprechen muss, ist er nur schwer verständlich.
Volksmusikinstrumente sind im Trend
Die Barbosa-Geschichte hat Griffiths Anfang Jahr bereits in Salzburg produziert. Mehr als 2000 Mädchen und Buben aus 20 Volksschulen waren mit dabei. Die Aufführungen fanden im Rahmen der «Schulkonzertwoche» statt, die das Mozarteumorchester zum zweiten Mal organisierte. «Wir wollen den Kindern in dieser Konzertwoche den niederschwelligen Zugang zu klassischer Musik ermöglichen», heisst es da. «Das Angebot ist kostenlos – der Andrang sehr gross – die Vorstellungen sind ausgebucht.»
Von dieser Salzburger Produktion gibt es eine Aufnahme, die als Audio abrufbar ist. So wird das Lesen der Geschichte auch für all jene akustisch zum Erlebnis, die Barboza nicht in einer Vorstellung kennenlernen können. Das Buch enthält im Anhang zudem einen Sachteil, der die alpenländischen Instrumente kindergerecht vorstellt. Damit nimmt Griffiths den Trend auf, dass viele Jugendliche Hackbrett etc. spielen lernen wollen. Barboza und der klingende Baum bietet einen zeitgemässen und unterhaltsamen Zugang zur Volksmusik.
Howard Griffiths: Barboza und der klingende Baum. Eine musikalische Reise durch die Schweiz, Musik von Fabian Künzli, Illustrationen von Andrea Peter, Edition Hug 11817, Hug Musikverlage, Zürich 2024, ISBN 978-3-03807-145-7
Audio auf Youtube:
