Wer sich wohlfühlt, bleibt motiviert

Unter dem Titel «Are you motivated?» fand am Samstag, 11. November 2023, in Freiburg das diesjährige Symposium von Swissmedmusica statt.

Zur Eröffnung spielten Justine Pittet (Violine), Nino Overney (Viola) und Edgar Dupré (Cello) vom Conservatoire Fribourg Ernst von Dohnányis Streichtrio op. 10. Foto: zVg

Prävention im Musikunterricht sei lange ein Tabuthema gewesen, sagte Pia Bucher, Gründungsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Musikmedizin, heute Swissmedmusica SMM, in ihrem Grusswort der Schweizerischen Interpretenstiftung SIS. Niemand habe zugeben wollen, dass es einem im Musikerberuf nicht immer gut gehe. Besonders durch die Pandemie habe sich das aber geändert. Auch soziale Sicherheit trage viel zur psychischen und physischen Gesundheit bei. Deshalb riet sie den Anwesenden, das Vorsorgeportal für Kulturschaffende sein-oder-nichtsein.ch zu besuchen und sich über die Möglichkeiten zu informieren.

Selbstbestimmtes Musizieren

Durch die ersten drei Referate zog sich als roter Faden die Forderung nach Individualität: Anke Grell erinnerte daran, dass Musikunterricht für Kinder und Jugendliche oft die einzige 1:1-Zeit mit einer erwachsenen Person ausserhalb der Familie sei. Welche Verantwortung sich daraus für eine Musiklehrperson ergibt, versteht sich von selbst. Durch spielerischen und individuell angepassten Unterricht lässt sich die Motivation zum Musizieren und auch zum Üben erhalten. Die Lernenden werden dazu angeleitet herauszufinden, mit wie viel Aufwand sie ihre Ziele erreichen, und sie sollen ihrer Ausbildungsstufe gemäss selbst Verantwortung für ihr Üben übernehmen dürfen. So entsteht eine intrinsische Motivation, die nachhaltiger ist, als eine vom familiären Umfeld oder von überambitionierten Lehrkräften aufgezwungene.

Oliver Margulies schreckte auf mit der Aussage, dass drei Viertel aller Berufsmusiker und -musikerinnen berufsbedingte gesundheitliche Beschwerden haben. Verkrampfungen, Fehlhaltungen und einseitige Belastungen führen oft dazu, dass schon jugendliche Musizierende an Schmerzen leiden. Es ist deshalb wichtig, dass Musikstudierende an den Hochschulen individuell musikphysiologisch unterstützt werden. Wer sich beim Musizieren wohlfühlt, bleibt motiviert, und wer zukünftig musikpädagogisch tätig sein wird, kann mit dem notwendigen musikphysiologischen Wissen bei seinen Schülerinnen und Schülern viel Positives bewirken.

Carine Tripet Lièvre hielt ein flammendes Plädoyer dafür, Musiklernende bei allfälligen Misserfolgen individuell zu begleiten. Sie beschrieb Motivation als Motor, der statt mit Benzin mit Engagement und Anstrengung genährt werde. Lernende erkennen, welche Anstrengungen zu Erfolgen führen. Bleibt diese Belohnung aus, muss die Lehrperson den stockenden Motor wieder zum Laufen zu bringen, indem sie eine Aufgabe stellt, die unmittelbar, z. B. innerhalb der nächsten Unterrichtsstunde, gelöst werden kann.

Der erlernten Auftrittsangst kann man laut Antonia Pfeiffer mit positiven Affirmationen entgegentreten, und man kann sie «wegklopfen»: PEP nennt sich die Methode, bei der man auf Akkupunkturpunkte klopft, während man sich mental in eine angsterregende oder stresserzeugende Situation begibt.

Emotionales Engagement bringt Interaktion

Wie nach jedem Referat versuchte Moderatorin Isabelle Freymond zu diesem Zeitpunkt, die Zuhörenden zu Fragen zu motivieren. «Könnte es am fehlenden Praxisbezug liegen, dass die Fragen ausbleiben?», fragte jemand. – Die behandelten Themen hatten alle einen Praxisbezug und in den Referaten wurde viel Wissen vermittelt. Etwas ermüdend war aber, dass die Referierenden primär ihre Powerpoint-Präsentationen vorlasen. Einzelne interaktive Elemente hätten wohl zusätzlich motiviert.

Der ideale Zeitpunkt also für das Referat von Christian Studler: Er erzählte aus der Praxis als Musiker und als Professor für Querflöte. «Ängste fühlen sich in der Musikerseele zu Hause», meinte er und fand es erschreckend, dass an der HKB ganze Klassen vor jedem Auftritt Betablocker schluckten. Sein Mittel gegen das Anerziehen von Auftrittsängsten ist eine Feedback-Kultur, in der sich die Studierenden so akzeptiert fühlen, wie sie sind. Nicht der Zwang zur Leistung und der Kampf gegen Fehler darf im Vordergrund stehen. Vielmehr soll die Kritik aufzeigen, was alles schon da ist und was gut ist und wie man darauf aufbauen kann.

Christian Studler. Foto: zVg

Man glaubte ihm, dass er während seiner Lehrtätigkeit Menschen ausgebildet hat, und keine Musikmaschinen. Interessanterweise löste sein Referat eine Flut von Fragen aus. Das war ein Schaustück, wie echtes Engagement und Emotionalität zu motivieren vermögen!

Das übrigens zweisprachige und simultan übersetzte 19. SMM-Symposium war von Präsident Wolfgang Böhler und seinem Team perfekt organisiert. In den Pausen und beim anschliessenden Apéro blieb Zeit für angeregte Diskussionen mit Kollegen und Kolleginnen aus den Sparten Musik, Musikpädagogik, Medizin, Psychologie und Therapie, und an der Tischmesse konnte man sich über neue Unterrichtsmethoden, unterstützendes Instrumentenzubehör und Präventionsmethoden informieren. Prävention steht denn auch seit dem Namenswechsel zu Swissmedmusica im Zentrum der Organisation.

Das alles motiviert, nächstes Jahr das Jubiläums-Symposium zu besuchen!

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