Kulturbotschaft des Bundesrates: Guter Ansatz für Begabtenförderung

Die Schweizer Musikhoch-schulen bilden auf hohem Niveau professionelle Musikerinnen und Musiker aus. Der kulturelle Auftrag lautet, die Musikwelt zu bereichern und in aller Breite Musiklehrpersonen auszubilden.

MK/MvO — Musiklehrpersonen haben eine wichtige kulturelle Rolle in unserem Bildungssystem, geht es doch im Musikerberuf darum, vor allem auch jungen Menschen die Welt der Musik zu vermitteln und musikalische Talente zu fördern. Das Schweizer Volk hat sich im September 2012 mit einem erfreulich klaren Ja zur musikalischen Förderung der jungen Generation ausgesprochen. Im neuen Verfassungsartikel 67a haben wir seither die Grundlage, junge Menschen an die Musik heranzuführen, musikalische Ausbildung auf Ebene der Volks- und Musikschulen zu ermöglichen und durchaus auch, um junge Talente zu fördern. Dies wenigstens war die Auffassung der Politik und einer vom Bund eingesetzten Expertenkommission zur Umsetzung dieses Verfassungsartikels. Ähnlich wie im Sportbereich, welcher ebenso wie die Musik im Schweizer Bildungssystem breit verankert ist, sollen dabei sowohl Breiten- als auch Spitzenleistungen im Fokus stehen. Beide bedingen sich gegenseitig! Musikalische Bildung hat sicherlich in erster Linie das Ziel, junge Menschen an die Musik heranzuführen, an kulturelle Fragestellungen und an kreativ-künstlerische Sinnhaftigkeit und Sinnlichkeit. Das gleichzeitige Anwenden von Geist und Emotion, Können und Intuition, Wissen und Erfahren gehört integral zu jenen Qualitäten, welche eine Persönlichkeit ausmachen. Ob diese Persönlichkeit dann am Ende professionelle Musikerin oder Musiker wird, ist nicht die prioritäre Frage. Viele Fragestellungen in der Musik sind dieselben wie in anderen Bereichen auch, und musikalische Kenntnisse sind in fast allen Lebensbereichen wertvoll: Musik trainiert beide Hälften des Gehirns!

Deshalb haben die Musikhochschulen das durch die letzte Kulturbotschaft 2016-2019 lancierte Programm Jugend und Musik («j+m») sehr begrüsst, auch wenn es bei diesem Programm um die breite Musikförderung von Jugendlichen durch die Unterstützung von Kursen und Musiklagern geht, die in erster Linie von den Musikverbänden sowie den Musikschulen ausgerichtet wird. «j+m» ist aus Sicht einer möglichst lückenlosen Musikbildung ab dem Schulalter sicherlich eine erste wichtige Grundlage für ein Hinausgehen über den Normalunterricht an den Volksschulen. Diese Grundlage reicht aber weder von der Zielsetzung des Verfassungsartikels her noch bezüglich der finanziellen Ausstattung mit jährlich rund 3 Mio. Franken aus. Ein Blick auf das Sportförderungsprogramm Jugend und Sport («j+s»), welches insgesamt mit mittlerweile fast 100 Mio. Franken pro Jahr subventioniert wird, zeigt vor allem auf, dass es neben der Breitenförderung eben auch immer um Begabtenförderung gehen muss. Musik ist auf den ersten Blick nicht so kompetitiv wie der Sport – und doch ist der Ansatz der Begabtenförderung entscheidend, wenn es darum geht, junge Menschen mit einem höheren Interesse für Musik mit entsprechendem Zusatzunterricht (beispielsweise zusätzliche Lektionen am Instrument, Ensemblespiel, Gehörtraining, Musiktheorie) weiter zu bringen. Dies können die öffentlichen Musikschulen in gezielter Form nicht gewährleisten, systematische Begabtenklassen und weitere Massnahmen sind in den wenigsten Kantonen etabliert, und im Normalfall haben Musikschulen dazu die Mittel nicht.

Deshalb war und ist es auch aus Sicht der Musikhochschulen unabdingbar, das Setting der Umsetzung des Verfassungsartikels 67a über «j+m» hinaus mit dem Element der Begabtenförderung zu ergänzen.

Musikalische Bildung – auch Begabte speziell fördern!

Aus der Sicht der Schweizer Musikhochschulen sollte es eine systematische Begabtenförderung auf Ebene der kantonal verantworteten Musikschulen geben. Daran angeschlossen – sozusagen als letzte Meile für die Hochtalentierten, die eine professionelle Musiklaufbahn anstreben – folgt das PreCollege, also die Vorbereitung auf die Eintrittsprüfung an eine Musikhochschule. Egal ob vorbereitende Ausbildungen an Musikschulen, Gymnasien oder an den Hochschulen stattfinden: wichtig ist die gezielte und qualitativ hochstehende Ausbildung, damit die Studierenden eine echte Chance für eine professionelle Laufbahn als Musikerin und Musiker haben. Grundsätzlich sollten dabei, getragen von allen Kantonen oder eventuell auch durch Bundesgelder, alle Begabten aus allen Kantonen eine entsprechende PreCollege-Finanzierungsbasis haben. Eine Forderung, die bisher längst nicht in allen Landesregionen erfüllt ist.

Aus diesem Grund haben sich in den letzten Jahren die Konferenz Musikhochschulen Schweiz (KMHS) mit dem Verband Musikschulen Schweiz (VMS) zusammengetan und unter anderem das Leitbild über die «Förderung von musikalischen Begabungen in der Schweiz» erarbeitet, welches die gemeinsamen Positionen festhält und mögliche Förderangebote definiert. Es geht darum, gemeinsam die Modalitäten von PreCollege-Studiengängen zu definieren, um so die lückenlosen Übergänge von der schulischen Musikausbildung (Begabtenförderung an Musikschulen) zum professionellen Hochschulstudium zu gewährleisten. Dazu gehört auch die sogenannte «Talent Card» als Eintrittsbedingung für Talentprogramme auf Stufe Musikschulen und daran anschliessend ein «PreCollege Label». Letzteres soll an dazu geeignete Musikschulen und weitere vorbereitende Institutionen vergeben werden, die einen gewissen Minimalstandard der Vorbereitung auf eine Hochschule garantieren.

Nachholbedarf in der Schweiz

Nicht unerwähnt darf die Tatsache bleiben, dass die Schweiz in dieser Hinsicht einen deutlichen Nachholbedarf gegenüber vielen musikalischen Ausbildungsprogrammen für Junge und Begabte in unseren Nachbarländern hat. Dies zeigt etwa ein Vergleich, der im Leitbild von KMHS und VMS erwähnt wird und der sich insbesondere auch auf die Definitionen zur kulturellen Bildung von UNO und UNESCO abstützt. Den Hochschulen wird oft vorgeworfen, sie hätten einen zu hohen Anteil an ausländischen Studierenden. Die Tatsache ist aber, dass bei Aufnahmeprüfungen das Niveau der erwiesenermassen sehr begabten schweizerischen Bewerbenden oft tiefer ist, als jenes der gleichaltrigen ausländischen Talente. Eine systematische und qualitativ hochstehende Begabten- und PreCollege-Ausbildung in der Schweiz würde diesen Wettbewerbsnachteil rasch wett machen und das inländische Potenzial von professionellen Musikerinnen und Musikern besser ausschöpfen.

Vor dem Hintergrund all dieser Überlegungen und Konzepte kann man den neuen Vorschlag des Bundesrates und des Bundesamtes für Kultur im Rahmen der neuen Kulturbotschaft 2021-2024, nebst der Weiterführung von «j+m» in Zukunft auch die Begabtenförderung zu unterstützen, nur begrüssen. Der vorgeschlagene neue Absatz im Kulturförderungsgesetz ist die Rechtsgrundlage für die oben skizzierte Begabtenförderung, welche die Musikverbände und die KMHS in den letzten Jahren mit Nachdruck verlangt haben. Deshalb unterstützt die KMHS diesen Vorschlag. Sie erwartet allerdings, dass dieser verpflichtend ins Gesetz aufgenommen wird und dass die Politik mithilft, diese wichtige Lücke im Schweizer Musikbildungssystem zu schliessen. In einem gemeinsamen Vorgehen von Bund und Kantonen können hier effiziente kantonale Modelle gefunden werden, um die hohen musikalischen Potenziale noch besser zu nutzen. Dies nicht etwa als Selbstzweck, sondern weil die Gesellschaft Musik als Kulturgut dringend nötig hat – und vielmehr noch qualitativ hochstehend ausgebildete Musikpädagoginnen und -pädagogen, die an unseren Volks- und Musik-schulen Musik unterrichten und vermitteln.

 

Die Vernehmlassung der KMHS zur Kulturbotschaft 2021-2024 des Bundesrates finden Sie hier:

> www.kmhs.ch

Die Botschaft des Bundesrates finden Sie hier:

> www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/57189.pdf

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