Drei Equale für vier Posaunen

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die drei Equale für vier Posaunen.

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Was wäre die Musikgeschichte ohne den schöpferischen Augenblick? Oder auch schlichtweg ohne die aufführungspraktische Gelegenheit? So war es auch eher ein Zufall, der zur Entstehung der Equale WoO 30 für vier Posaunen führte, die heute schon hinsichtlich der Besetzung etwas seltsam anmuten. Zu verdanken haben wir die knappen Sätze einem Aufenthalt Beethovens in Linz im Jahre 1812, bei dem er sich mit dem damaligen Domkapellmeister Franz Xaver Glöggl (1764–1839) anfreundete. Dieser soll ihn schliesslich darum gebeten haben, «für den Aller-Seelen-Tag (den 2. November) sogenannte Equale für 4 Posaunen zu componiren, um solche in herkömmlicher Weise an diesem Feste von seinen Musikern abblasen zu lassen». So lautet jedenfalls eine durch Ignaz von Seyfried mitgeteilte Erinnerung. Da Beethoven die Anlage dieser bloss lokal tradierten Stücke nicht kannte, bat er darum, «ein Aequal, wie es in Linz bei den Leichen geblasen wurde, zu hören». Und der damals erst 16-jährige Sohn des Domkapellmeisters, Franz Glöggl, fährt in seiner viel späteren Aufzeichnung fort: «So geschah es, daß mein Vater an einem Nachmittage 3 Posaunisten bestellte, da Beethoven ohnedies bei uns speiste, und ein solches Aequal blasen ließ.»

Unterstützt wurden die drei Posaunisten vermutlich von Vater Glöggl selbst, und gespielt wurden Stücke, die wohl zu jenen 1200 Instrumentalpiecen zählten, auf die der Domkapellmeister beim Abblasen vom Turm zurückgreifen konnte. Der weitere Verbleib dieser Sammlung ist allerdings vollkommen ungeklärt. Auch die sonderbare Werkbezeichnung «Equal» scheint dieser lokalen Tradition homofon konzipierter Sätze zu entstammen. Sie findet sich auch in Stücken eines gewissen Wenzel Lambel (vierstimmig, vor 1844) oder beim jungen Anton Bruckner (nur dreistimmig, 1847). Somit dokumentieren die an einem Nachmittag im Herbst 1812 entstandenen Gelegenheitsstücke einen einst lebendigen Brauch, der sonst im Strudel der Geschichte versunken wäre. – In Wien hingegen konnte man mit den drei knappen Sätzen offenbar nur wenig anfangen; sie wurden für Beethovens eigenes Leichenbegräbnis sowie zur Einweihung des Grabsteins mit Texten versehen und mit einem Männerchor aufgeführt.


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