«Geistertrio»

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf das Klaviertrio Nr. 5 D-Dur «Geistertrio».

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Als Beethoven im Juli 1808 dem Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel seine beiden Klaviertrios op. 70 anbot, bekräftigte er dies mit dem Nachsatz «da daran Mangel ist». Schöpferisch befand er sich auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn: Die Werke stehen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Sinfonien Nr. 5 und 6, dem Klavierkonzert Nr. 5 sowie zur gattungssprengenden Chorfantasie. Gewidmet ist das Opus 70 der Gräfin Anna Maria Erdödy (1778–1837), in deren Haus Beethoven nicht nur kurzzeitig Quartier bezogen hatte, sondern das als adeliger Salon auch Raum für die Aufführung der Werke bot. So berichtet Johann Friedrich Reichardt in seinen Vertrauten Briefen am 31. Dezember 1808: «Einen zwiefachen musikalischen Abend habe ich wieder gehabt. Erst ein Quartett bei der Gräfin Erdödy. Beethoven spielte ganz meisterhaft, ganz begeistert, neue Trio’s, die er kürzlich gemacht, worin ein so himmlischer kantabeler Satz vorkam op. 70/2, 3. Satz, wie ich von ihm noch nie gehört, und der das Lieblichste, Graziöseste ist, das ich je gehört; er hebt und schmilzt mir die Seele, so oft ich dran denke.»

Weitaus radikaler gestaltete Beethoven indes das Klaviertrio D-Dur op. 70/1. Die knapp gefassten Ecksätze sind von so grosser motivischer und rhythmischer Energie, dass mitunter die Grenze des klanglich Machbaren erreicht ist (sofern das Ensemble diese beabsichtigte Schonungslosigkeit auch wirklich riskiert). Hierzu kontrastiert der fast statisch anmutende langsame Satz (Largo assai et espressivo), der seine innere Spannung vor allem aus der Harmonik bezieht. Seine wahrhaft singuläre Klanglichkeit, die der Komposition später auch den Beinamen «Geistertrio» einbrachte, kommt allerdings mit einem zeitgenössischen oder auch nachgebauten Tasteninstrument weit stärker zum Tragen als mit einem modernen Konzertflügel. Dafür sorgen nicht allein die geringere Saitenspannung (der gusseiserne Rahmen war noch nicht erfunden), sondern auch die subtilere Tastenmechanik und die unterschiedlichen Dämpfer. Genau so hob es der Komponist und Schriftsteller E. T. A. Hoffmann in einer sehr ausführlichen Besprechung des Satzes hervor – und hielt damit das Besondere auch für die Nachwelt in poetischen Worten fest: «… der Rec.ensent erwähnt nur noch eine Eigenheit, die diesen Satz vor so vielen Flügel-Compositionen auszeichnet und hervorhebt. Zu dem Hauptthema, wenn es Violine und Violoncell vortragen, hat der Flügel meistentheils einen Satz in 64theil Sextolen, die pp. und leggiermente vorgetragen werden sollen. Es ist dies fast die einzige Art, wie auch der Ton eines guten Flügels auf eine überraschende, wirkungsvolle Weise geltend gemacht werden kann. Werden nämlich diese Sextolen, mit aufgehobenen Dämpfern und dem Pianozug, mit geschickter, leichter Hand gespielt, so entsteht ein Säuseln, das an Aeolsharfe und Harmonika erinnert, und, mit den Bogentönen der übrigen Instrumente vereinigt, von ganz wunderbarer Wirkung ist. – Rec. that zu dem Pianozug und den Dämpfern auch noch den sogenannten Harmonicazug, der bekanntlich das Manual verschieb, so, dass die Hämmer nur eine Saite anschlagen, und aus dem schönen Streicherschen Flügel schwebten Töne hervor, die wie duftige Traumgestalten das Gemüth umfingen und in den magischen Kreis seltsamer Ahnungen lockten.» (Allgemeine musikalische Zeitung 1813)


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