Klaviersonate Nr. 18 «Die Jagd»

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die Sonate für Klavier Nr. 18 Es-Dur «Die Jagd».

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Nachdem im «Heiligenstädter Testament» die Sorge um den fortschreitenden Verlust des Gehörs, die gesellschaftliche Isolation und bereits überwundene Suizidgedanken einen Höhepunkt und ihre Katharsis gefunden hatten (es handelt sich um einen am 6. Oktober 1802 verfassten, jedoch nie abgesandten Brief an seine beiden Brüder), setzte Beethoven auch schöpferisch neu an. So soll er (nach der Erinnerung von Carl Czerny) dem befreundeten Wenzel Krumpholtz gestanden haben: «Ich bin mit meinen bisherigen Arbeiten nicht zufrieden. Von nun an will ich einen neuen Weg betreten.» Bereits Czerny bezog diese Aussage auf die Klaviersonaten op. 31, mit denen Beethoven tatsächlich die Gattung neu und anders denkt. Dies betrifft nicht nur die Sturm-Sonate (op. 31/2), sondern auch die Sonate G-Dur (op. 31/1), die beide gemeinsam im April 1803 bei Hans Georg Nägeli in Zürich als Heft 5 des Répertoire des Clavicinistes im Druck erschienen. Erst im November 1804 folgte als Heft 11 die Sonate Es-Dur op. 31/3 zusammen mit einem Nachdruck der Pathétique op. 13, da Beethoven die von Nägeli erwartete vierte Sonate nicht mehr lieferte. – Das Répertoire des Clavicinistes bildete übrigens den modernen Gegenpart zur Serie der Musikalischen Kunstwerke in der strengen Schreibart, die Nägeli mit dem Wohltemperierten Klavier eröffnet hatte.

Neben Clementi, Cramer, Dussek und Steibelt befand sich Beethoven dort mit seinen Sonaten in bester Gesellschaft. Der musikalische Anspruch der Serie war hoch angesetzt, wie aus einer verschiedentlich publizierten Annonce hervorgeht: «Es ist mir zunächst um Klavier-Solos in grossem Styl, von grossem Umfang, in mannichfaltigen Abweichungen von der gewöhnlichen Sonaten-Form zu thun. Ausführlichkeit, Reichhaltigkeit, Vollstimmigkeit soll diese Produkte auszeichnen.» Gestochen wurde die Ausgabe in Paris, sodass der Postweg nach Wien für einen ordentlichen Korrekturumlauf zu weit und zu langwierig war. Beethovens Sonaten erschienen daher mit zahlreichen Fehlern, Opus 31/1 gar mit einem unautorisierten viertaktigen Einschub. Beethoven soll ungehalten reagiert haben und veranlasste nur wenig später eine Neuausgabe bei Simrock in Bonn mit dem bezeichnenden Zusatz «Edition tres Correcte».

Ungewöhnlich sind alle drei Werke. In Opus 31/3 greift Beethoven nach einer ganzen Reihe von formalen Experimenten nochmals die viersätzige Anlage auf – um sie dann bis zur Hammerklaviersonate op. 106 ruhen zu lassen. Zugleich setzt er sich über die gängige Reihenfolge der beiden Mittelsätze hinweg. Die musikalischen Parameter von langsamem Satz und Tanzsatz sind darüber hinaus gepaart, verschränkt, vertauscht und doch gegeneinandergesetzt: An zweiter Stelle steht ein wunderbar sonores, vielfach in Baritonlage gehaltenes Scherzo im eigenwilligen 2/4-Takt (Allegretto vivace), gefolgt von einem ruhig hinfliessenden Menuetto älterer Prägung im 3/4-Takt (Moderato e grazioso). Auch der Beginn des Kopfsatzes ist mehrdeutig: Was zunächst wie eine im Tempo reduzierte Einleitung anmutet, stellt sich als Hauptthema des Satzes heraus. Das brillante, den Ambitus des Klaviers virtuos durchmessende Finale geht nach Carl Czerny auf eine Improvisation zurück, als Beethoven «einen Reiter an seinem Fenster vorbeigaloppieren sah». Angesichts des rasenden Tempos (Presto con fuoco) und der überraschenden harmonischen Ausweichungen drängt sich freilich der Eindruck auf, dass es sich eher um einen wilden Parforceritt gehandelt haben muss.


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