Gratulationsmenuett

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf das Gratulationsmenuett Es-Dur für Orchester.

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Happy Birthday Mr. Beethoven! Was würde der Meister wohl sagen, wenn er von all den ihm zu Ehren für das Jahr 2020 geplanten Konzerten und Festivals, den Kongressen und Festvorträgen erfahren hätte? Wundern würde er sich vermutlich, mit welcher Selbstverständlichkeit die Nachwelt seinen 250. Geburtstag begeht – oder doch besser: das 250. Geburtsjahr. Denn wann genau Klein-Ludwig das Licht der Welt erblickt hat, das bleibt im Dunkeln. Gesichert ist lediglich der am 17. Dezember 1770 erfolgte Eintrag im Taufregister von St. Remigius in Bonn. Sehr wahrscheinlich war die Geburt am Vortag, dem 16. Dezember, gewesen; wegen der hohen Kindersterblichkeit taufte man zu jener Zeit meist umgehend am nächsten Tag. Beethoven selbst sah wohl den 16. als seinen Geburtstag an, und dieser war auch dem näheren Umfeld bekannt. Das geht aus einem Brief von Johann Georg Albrechtsberger hervor, der am 15. Dezember 1795 ausdrücklich zum «morgigen Namenfest» gratulierte – aber natürlich den Geburtstag meinte.

Erstaunlich ist jedoch, dass Beethoven lange im Unklaren über sein Geburtsjahr war, und damit auch sein Alter nicht genau feststand: Sein Vater hatte ihn bei den ersten öffentlichen Auftritten als zwei Jahre jünger angekündigt (1778 als mit «6 Jahren») – eine Angabe, die sich in den folgenden Jahren entsprechend fortschrieb und auch noch im 19. Jahrhundert durchaus üblich war. Nachdem Beethoven im Frühjahr 1810 in Bonn um eine Kopie aus dem Taufregister ersucht hatte (das Familienbuch war verloren gegangen), korrigierte er sogar «1770» in «1772». Der Irrtum muss sich in den folgenden Jahren aufgelöst haben; jedenfalls wird in der Todesanzeige das korrekte Alter angegeben.

Ein wirkliches Geburtstagsfest wird Beethoven aber wohl in keinem Jahr gefeiert haben: Der heute so wichtige Tag erlangte erst zu späterer Zeit seine Bedeutung, als der kirchliche Namenstag durch den säkularen Geburtstag abgelöst wurde. Insofern wird es auch nicht verwundern, in Beethovens Instrumentalmusik nur ein einziges Ständchen zu finden: das Gratulationsmenuett WoO 3. Es erklang erstmals am 3. November 1822 bei einer ambitionierten Freiluftserenade am Vorabend des Namenstages von Karl Friedrich Hensler (1759–1825), dem Direktor des Josephstädter Theaters, über die sogar in der Wiener allgemeinen Theaterzeitung berichtet wurde – allerdings mit einer falsch verstandenen Nobilitierung des Menuetts: «… kaum war Herr Hensler in seine Wohnung getreten, so begann unter den Fenstern auf der Strasse von dem gesammten Orchester-Personale die schöne Ouverture des Herrn Kapellmeister Prof. Drechsler …, auf dieses folgte ein trefflich gespieltes Flötenconcert, darauf eine sehr gute Ouverture des Hrn. Kapellmeister Gläser, und endlich eine eigends für diesen Abend von Ludwig van Beethoven herrlich neu komponirte Simphonie sic.» Den Abschluss bildeten Marsch und Chor aus Mozarts Oper Titus mit neu unterlegtem Text.

Auch wenn das mit leichter Hand geschriebene, erstmals 1832 unter dem neutralen Titel Allegretto gedruckte Gratulationsmenuett heute selbst unter Kennern weitgehend unbekannt sein dürfte, so zeigen einzelne harmonische Wendungen wie auch die Instrumentation unverkennbar den wahren Meister.

Taufregister von St. Remigius
 


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