Rund um Othmar Schoeck

«Passé composé. Neoklassizismus in der Schweiz» – Das Begleitbuch zum Othmar-Schoeck-Festival 2021 erweist sich als Lesebuch zur Schweizer Musikgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Das «Begleitbuch zum Othmar Schoeck Festival 2021» ist mehr als nur dies und in gewissem Sinn auch weniger. Die Wahl der Themen, der verhandelten Komponisten hat sich aus den Programmen ergeben, die in den Konzerten des Festivals gespielt wurden. Dennoch sind nur wenige Texte (etwa Heinrich Aernis Einlassungen zu Paul Müller-Zürich, Raffaele d’Alessandro und Hans Schaeuble oder Katrin Spelinovas Interview mit der Komponistin Cécile Marti) eigentliche Konzerteinführungen.

Zur Hauptsache enthält das Büchlein gemischte Essays, die Unterschiedliches wollen: Chris Walton gibt einen gedrängten Abriss seines Buches über Richard Flury, Michael Schneider eine Kurzbiografie von Peter Mieg, Cristina Urchueguía einen Bericht ihrer Beschäftigung mit Walter Furrer, Anselm Gerhard setzt sich in drei Analysen mit verschiedenen Perspektiven von Schoecks Liedkunst auseinander. Stand der Neoklassizismus als Leitstern über dem Festivalprogramm, so macht sich das Büchlein gar nicht die Mühe, diesen Bezug voll auszuleuchten oder gar zu Neudeutungen dieses musikhistorisch schwierigen Begriffs vorzustossen. Einzig Sibylle Ehrismanns Porträt des Aargauer Komponisten Werner Wehrli stellt diesen Epochenbezug her. Vielmehr entstand eine Sammlung von Texten, die sich erfrischend unaufgeregt zu einem anregenden Lesebuch zur Schweizer Musikgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammenfügt. Ergänzt werden die Betrachtungen um Interviews, etwa mit Marc Andreae über seinen Grossvater, den Dirigenten und Komponisten Volkmar Andreae.

Wahre Trouvaillen sind indes die Quellentexte, zum einen Arthur Honeggers Souvenirs sur Othmar Schoeck, welche den Protagonisten von ungeahnten Seiten zeigen, vor allem aber die beiden einfühlsamen essayistischen Betrachtungen von Schoecks älterem Bruder Walter aus den 1940er-Jahren, die gerade in unseren Tagen auch hierzulande erstaunlich aktuell sind: «Verzweiflung packt michob der Sinnlosigkeit der allgemeinen Vernichtung um Weniger willen […]. Sind Mozart, Bach, Beethoven und die andern nicht mehr, was sie waren, weil es den Zerstörern beliebt, die Welt in einen solchen Zustand der Armut zu versetzen, dass sie um Sicherheit und Brot froh ist und solche zu Trotteln macht, denen ein Gedicht oder ein Lied Erbauung ist […]. Ich will versuchen, noch etwas zu üben.»

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Passé composé. Neoklassizismus in der Schweiz, Begleitbuch zum Othmar Schoeck Festival 2021, hg. von Alvaro Schoeck und Chris Walton, 134 S., Fr. 15.00, Müsigricht, Steinen 2021, ISBN 978-3-9524842-7-2

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