Die Schweiz swingt

Vor allem in den 1920er- und 1930er-Jahren und oft für die Gäste in illustren Hotels schrieben viele Schweizer Komponisten Klavierstücke im Stil der populären amerikanischen Tänze.

Albert Moeschinger in den 1920er-Jahren in Grindelwald. Er spielte zuweilen auch als Unterhaltungspianist in Berghotels. Foto: Albert-Moeschinger-Stiftung

Der vor 250 Jahren geborene Sängervater Hans Georg Nägeli brachte es fertig, dass die Schweiz singt. Ironie des Schicksals, dass zu seinem Geburtstag ausgerechnet eine CD erschienen ist, die ein ganz anderes Bild der helvetischen Musiklandschaft zeigt: Die Schweiz swingt.

In der Reihe «20th Century Foxtrots» kamen als fünfte Folge lauter Raritäten von zwölf Schweizer Komponisten sowie dem lange in Zürich lebenden Deutschen José Berr und der in Paris erfolgreicheren Genfer Komponistin Marguerite Roesgen-Champion heraus. Aufgestöbert hat die mehrheitlich unveröffentlichten Tanzstücke der Musikologe Mauro Piccinini, der diese Serie auch wissenschaftlich betreut. Er schreibt, wie sich der fälschlicherweise für Jazz gehaltene Foxtrott beispielsweise in St.Moritzer Hotels mittels einer «Tschetzpend» etablierte. Mit hinreissendem Elan und viel Humor gespielt werden die Stücke auch in der jüngsten Folge vom Wiener Pianisten Gottlieb Wallisch. Das von Alastair Taylor in zeittypischer Art-Déco-Manier brillant gestaltete Booklet-Titelblatt zeigt ein tanzendes Paar vor verschneiter Bergkulisse. Die im SRF-Radiostudio Zürich aufgenommene, in Deutschland hergestellte CD verströmt auch damit internationales, vorwiegend amerikanisch geprägtes Flair.

In zwölf Ersteinspielungen erklingen Foxtrotts und Tangos von Komponisten, die, zwischen 1865 (Emile Jaques-Dalcroze) und 1941 (Urs Joseph Flury) geboren, alle ihr Herz kurzfristig an den Jazz und an amerikanische Modetänze verloren hatten. Nebst Arthur Honegger, Conrad Beck, Paul Burkhard, Peter Mieg und Julien-François Zbinden sind auch weniger bekannte wie René Gerber, Walter Lang oder André-François Marescotti in diesem Projekt zu finden.

Den mit viel Swing bezwingenden Einstieg macht Albert Moeschinger mit besonders hellhörigen Einfühlungen in den Jazz. Tallula nennt er seine synkopenreiche Foxtrott-Fantasie von 1930, der sich ein waschechter Farewell Blues anschliesst. Für alles Folgende haben diese beiden scharf profilierten Stücke Modellcharakter. Der Rheinberger-Schüler José Berr erheitert kurioserweise mit einem One-Step über das Jodellied Ich bin ein Schweizerknabe und das Thurgauerlied.

20th Century Foxtrots, Vol. 5. Switzerland. Gottlieb Wallisch, piano. Grand Piano GP 922

Das könnte Sie auch interessieren