Hintergrundmusik stört die Konzentration

Ein Team rund um die Psychologin Emma Threadgold von der britischen University of Central Lancashire ist der Frage nachgegeangen, ob Hintergrundmusik Konzentration, Kreativität und Motivation steigert. Mit ernüchterndem Resultat.

Foto: Burkard Vogt/pixelio.de,SMPV

Gängigen Klischees folgend soll Hintergrundmusik die Kreativät steigern. Das Team testete die These in drei Experimenten, die den Einfluss auf das Lösen kreativer Aufgaben thematisierten. Es konfrontierte Probanden mit Songs mit ungewohnten Liedtexten, mit gewohnten Liedtexten und reiner Instrumentalmusik. Alle beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit, verglichen mt einer Kontrolgruppe, die nicht mit Hintergrundmusik berieselt wurde. 

Es zeigte sich auch, dass der negative Effekt völlig unabhängig davon ist, ob die Musik gute Gefühle weckt oder ob es sich um Probanden handelt, die gewohnt sind, Aufgaben zu lösen, während im Hintergrund Musik zu hören ist.

Originalartikel:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/acp.3532

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Sachers Geist im 21. Jahrhundert

Die zweite «Basel Composition Competition» (BCC) fand im Kirchgemeindehaus Oekolampad statt. – Die hohe Qualität der Veranstaltung überzeugte auch diesmal.

Foto: Niklaus Rüegg

 

Von aussen betrachtet hat sich der Wettbewerb verkleinert, doch der Wechsel vom Foyer des Basler Stadttheaters ins vergleichsweise kleine «Oekolampad» hatte keinen Einfluss auf die Bedeutung der Veranstaltung. Wohl waren die Platzverhältnisse etwas beengend, besonders für die Musiker, doch fürs Publikum war die Nähe zum Geschehen eher förderlich. In fünf Konzerten sollten vom 20. bis 24. Februar dreizehn Wettbewerbsbeiträge aufgeführt werden – nachdem ein Mitbewerber seinen Beitrag zurückgezogen hatte, blieben noch zwölf.

Organisator Christoph Müller hat mit seiner BCC ein offenes Format ohne Alters- und Herkunftsbeschränkungen entwickelt. Ein gut funktionierendes Sponsoring oder besser gesagt ein typisch baslerisches, stilles Mäzenatentum erlaubt es ihm, bescheidene Anmeldegebühren zu verlangen, zugleich hohe Preisgelder auszuschreiben (1. Platz: 60 000 Franken; 2. Platz: 25 000; 3. Platz: 15 000) sowie sämtliche drei Basler Profiorchester zu engagieren. Kammerorchester, Sinfonietta und Sinfonieorchester präsentieren die fürs Finale ausgewählten Stücke, deren Einstudierung – als Uraufführungen – mit einigem Aufwand verbunden ist. Betreffend Länge der Kompositionen und des Instrumentariums gelten klare Bestimmungen. Ein Wettbewerbsbeitrag darf nicht länger als 20 Minuten dauern und die Besetzungen ergeben sich aus den Ressourcen der Orchester.

Der Veranstaltung wurde, wie schon bei der ersten Austragung 2017, ein Jugend-Musikvermittlungsangebot angegliedert. Ein Musiklehrer vom Bäumlihof-Gymnasium lud während der Wettbewerbswoche einzelne Komponisten in die Schule ein und band seine Schülerinnen und Schüler in das Wettbewerbsgeschehen mit ein.

Hoher Anspruch

Die attraktive Konstellation des Wettbewerbs zog sehr viele Anmeldungen nach sich: 450 aus 59 Ländern, der älteste Bewerber mit Jahrgang 1929. Schliesslich wurden 250 Partituren eingesandt, von denen die Jurymitglieder 13 auszuwählen hatten. Das Ziel war, eine stilistisch breite Auswahl zu treffen, die sich bis ins Finale hinein bemerkbar machen sollte. Die Jury widerspiegelte den hohen Anspruch dieses Wettbewerbs: Michael Jarrell (Jurypräsident), Wolfgang Rihm (krankheitshalber abwesend), Helmut Lachenmann, Magnus Lindberg, Andrea Scartazzini – allesamt international anerkannte Komponistengrössen. Ausserdem war je ein Orchestervertreter mit dabei. Felix Meyer vertrat die Paul-Sacher-Stiftung, welche als beratender Partner fungiert, ohne allerdings den Anlass finanziell zu unterstützen. Der Geist Sachers schwingt gehörig mit in diesem Projekt. Christoph Müller nimmt denn auch direkt Bezug auf diesen Förderer und Ermöglicher zeitgenössischer Musik: «Ganz im Geiste Sachers sollen heute die spannendsten Komponistinnen und Komponisten des 21. Jahrhunderts nach Basel geholt werden, mit dem Ziel, Anstösse zu Kompositionen zu geben. Damit will die BCC mithelfen, ein Repertoire von Orchesterwerken aufzubauen, das auch noch Jahre später Relevanz haben wird».

Klasse Schlusskonzert

In der Moderation von Patricia Moreno von SRF 2 Kultur lief das Abschlusskonzert in einer lockeren und, was die Ausführung betrifft, hochkonzentrierten Art und Weise ab. Fünf Werke hatten es ins Finale geschafft. Den Beginn machte das Kammerorchester Basel unter der Leitung von Franck Ollu mit Manuel Martínez Burgos’ Komposition Daivāt, ein Wort aus dem Sanskrit, das der Komponist mit «time beyond the mind» übersetzte. Das Publikum bekam ein schnelles, kleinteiliges, expressives Stück mit marterndem Blech und bedrohlicher Grundstimmung zu hören. Ganz anders das leichter zugängliche Werk des Japaners Takuya Imahori Con mille fiori che sbocciano così belli: Im Schnelldurchgang schilderte die Basel Sinfonietta unter Baldur Brönnimann musikalisch das Blühen und Verblühen von elf Blümchen bei Sonne, Wind und Wetter. Spätromantische Stimmungen wechselten mit sphärischen, poetischen, bunten Klangbildern, um zuweilen in ein mächtiges Forte zu münden: ein grosser Publikumserfolg.

Die Programmpunkte 3 bis 5 wurden alle vom Sinfonieorchester Basel unter Francesc Prat bestritten. Den Anfang machte der Deutsche Benjamin Scheuer, der es in seinem Stück versungen verstand, zeitgenössische Klänge mit Witz und Humor zu verbinden. Aus verfremdeten Musikfetzen, die sich in seiner Erinnerung über viele Jahre abgespeichert hatten, zimmerte er ein höchst innovatives Stück. Grotesk rallentierende Glissandi verlieren sich atemlos im Nichts, um sich rasant wieder aufzuschwingen. Zischen, Zwitschern und penetrante Pfeiftöne gehörten zum reichen Klangmaterial und vermischten sich mitunter bedrohlich mit des Zuhörers Tinnitus. Im zweiten Teil entstand im Dialog zwischen Klavier und Streichern ein etwas kohärenteres Klangkontinuum.

Der Schweizer Thomas Mattenberger schaffte es mit seinem reduktionistischen Labyrinth zu Recht bis unter die letzten Fünf – eine echte Erholung zwischen all diesen intensiven und tönereichen Werken: meditativ mit geringem Intervallumfang, liegenden Bläserklängen, um die sich Orchesterclusters gruppierten, signalgebende Röhrenglocken, kaum Dynamik.

Der junge Argentinier Alex Nante verblüffte mit einem kurzen (man hätte gerne noch etwas länger gelauscht) Stück mit romantisch-impressionistischem Duktus namens Helles Bild, inspiriert vom gleichnamigen Gemälde von Wassily Kandinsky. Das dominierende Gelb des Bildes konnte mit den grellen Forte-Stellen assoziiert werden. Sie wechselten sich ab mit feinen Geigen- und Harfenklängen, garniert mit Klarinetten und Celesta. Am Schluss stand markant eine grosse Sext wie ein Fragezeichen im Raum.

Das Verdikt der Jury: 1. Platz Scheuer, 2. Platz Nante, 3. Platz Imahori.

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Foto: Niklaus Rüegg
Von links: Takuya Imahori (3.), Alex Nante (2.) Benjamin Scheuer (1.)

Leistungsverträge mit den Bieler Kulturinstitutionen

Der Bieler Gemeinderat hat beschlossen, mit vier Institutionen neu einen Leistungsvertrag abzuschliessen: mit dem Konzert- und Kulturzentrum Le Singe, dem Festival PlusQ’île, dem Autonomen Jugendzentrum Chessu und den Bourgkonzerten.

Festival Ear we are 2019. Foto: Heinz Windler

Le Singe erhält pro Jahr 80’000 Franken, PlusQ’île 35’000 Franken, der Chessu 40’000  Franken und die Bourgkonzerte 10’000 Franken. Überdies hat der Gemeinderat für 18 bereits unterstützte Institutionen einer Vertragsverlängerung zugestimmt und sieben von ihnen eine Beitragserhöhung gewährt. darunter finden sich das Festival Ear we are, die Société philharmonique und das Theater und Orchester Biel Solothurn TOBS.

Die Kredite für letzteres sind dem obligatorischen Referendum unterstellt. Insgesamt werden für die Periode 2020 bis 2023 Verträge mit 22 lokalen Institutionen und einem Gesamtbeitrag von 848’200 Franken (Vorperiode: 671’100 Franken) abgeschlossen.

 

Jobtausch in Oper und Nachhaltigkeits-Institut

Der Wuppertaler Opernintendant und der Präsident des Wuppertal Instituts tauschen unter dem Motto Wechsel/Wirkung für drei Wochen ihre Job. Der Tausch soll inspirieren und eine nachhaltige Organisationsentwicklung initiieren. Die Beteiligten hoffen auf Nachahmer.

Berthold Schneider (links) und Uwe Schneidewind (Foto: Wuppertal Institut/A. Riesenweber)

Für genau drei Wochen wechseln Berthold Schneider, Intendant der Wuppertaler Oper und Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts, ihre Ämter. Der Rollentausch ist  keine Hospitanz, bei der sich die beiden Chefs nur auf den Stuhl des jeweils anderen setzen und beobachten, wie ein Opern- und Institutsbetrieb abläuft. Die Leiter beider Institutionen wollen mit dem Ämtertausch ihr Führungsverständnis, ihre eigenen Arbeitsprozesse und sogar Arbeitsziele anhand der gemachten Erfahrungen neu betrachten.

Der Ämtertausch soll beide Institutionen dazu motivieren, ihre Organisationskultur und Organisationsprozesse zu reflektieren.Opernintendant und Instituts-Präsident hoffen, dass das Projekt Wechsel/Wirkung Schule machen wird und zur Nachahmung anregt. Beide sind offen für weitere Ämterwechsel mit weiteren Institutionen und Unternehmen.

Das Wuppertal Institut erforscht und entwickelt «Leitbilder, Strategien und Instrumente für Übergänge zu einer nachhaltigen Entwicklung auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene». Im Zentrum stehen laut Eigencharakterisierung der Institution Ressourcen-, Klima- und Energieherausforderungen in ihren Wechselwirkungen mit Wirtschaft und Gesellschaft. Die Analyse und Induzierung von Innovationen zur Entkopplung von Naturverbrauch und Wohlstandsentwicklung bilden einen Schwerpunkt der Forschung.

Weiterhin Lotteriegelder für Kultur

Der Berner Regierungsrat überarbeitet das kantonale Lotteriegesetz und passt es dem neuen Bundesrecht an. Gemeinnützige Vorhaben, vornehmlich aus den Bereichen Kultur und Sport, sollen weiterhin aus Lotteriemitteln unterstützt werden.

Foto: KFM/pixelio.de

Heute stehen dem Kanton Bern gut 50 Millionen Franken jährlich zur Verfügung, um gemeinnützige Vorhaben in Bereichen wie Kultur und Sport zu unterstützen. Davon profitieren jedes Jahr hunderte von Vereinen und Institutionen für ihre gemeinnützigen Vorhaben. Das neue Kantonale Geldspielgesetz soll die Mittelverteilung weiterhin sicherstellen. Es führt dabei gewisse Neuerungen und Präzisierungen bei den Zuwendungsbereichen ein. So sollen künftig auch Gelder an gemeinnützige Projekte aus dem Bereich Jugend und Gesellschaft fliessen können. Die Subventionierung staatlicher Aufgaben durch Reingewinne aus Lotterien und Sportwetten bleibt weiterhin unzulässig.

Der Regierungsrat hat die Vernehmlassung zur Gesetzesänderung bis 21. Mai 2019 eingeleitet. Es ist vorgesehen, dass der Grosse Rat die Gesetzesänderung in der Frühlingssession 2020 in erster Lesung beraten wird. Das neue Recht muss spätestens am 1. Januar 2021 in Kraft treten.
 

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ETH-Auszeichnung für Musik-Game

In der Kategorie 2, Studierende bis 25 Jahre, wurde das musikalische Lernspiel «Musa» von Silvia Lama prämiert. Gespielt wird über die Tastatur eines Klaviers oder Keyboards.

Alfred-Escher-Denkmal in Zürich. Foto: ©rachid amrous – stock.adobe.com,SMPV

Zum 200. Geburtstages von Alfred Escher hat die ETH Zürich den Alfred-Escher-Preis ins Leben gerufen. In zwei Kategorien zeichnet sie damit ideenreiche Lernende und Gymnasiasten (Kategorie 1, 17 bis 20 Jahre) und Studierende (Kategorie 2 bis 25 Jahre) aus. Wie die ETH mitteilte, wurden aus 55 Eingaben je 5 Projekte fürs Finale ausgewählt. In der Kategorie 2 ging der erste Preis an Silvia Lama, eine 23-jährige ETH-Studentin am Departement für Management, Technologie und Wirtschaft.

In der dreiminütigen Präsentation sagte sie, sie wolle die Begeisterung der Kinder für Computerspiele nutzen, um sie beim Instrumentalspiel bei der Stange zu halten. Das in italienischer Sprache angelegte Game «Musa» erkennt Töne von Tasteninstrumenten und leitet die Kinder so durchs Spiel. Entwickelt wurde es für Android, eine Apple-Version ist am Entstehen.
 

Spritzige und lyrische Duette

Michael Lötsch hat traditionelle Klezmer-Stücke für zwei Flöten bearbeitet und eine Reihe von neuen Kompositionen hinzugefügt

Jüdische Musikanten im Prager Ghetto, 1741 (s. unten)

Das in der Reihe World Music erschienene Heft für zwei Flöten enthält eine Sammlung von bekannten Stücken der Klezmer-Literatur, bearbeitet vom Herausgeber Michael Lötsch, sowie Eigenkompositionen. Die Bezeichnung Klezmer kommt aus dem hebräischen und bezog sich ursprünglich auf die Musiker. Unter Klezmer versteht man heutzutage vorwiegend instrumentale Musik, deren Repertoire vor allem aus Stücken zur Begleitung von Hochzeiten und anderen Festen besteht. Die Melodien, welche, wie es Michael Lötsch im Vorwort beschreibt, «zugleich Melancholie und Ausgelassenheit vermitteln», sind in ihrer Machart äusserst vielfältig und lassen daher auch bei der Interpretation grössere Freiheiten bezüglich Tempo, Phrasierung und Interpretation zu.

Klezmeron ist eine bekannte Melodie in d-Moll, die sich dann zu einem helleren F-Dur-Teil wendet und wieder nach Moll zurückgeht. Tish Nigun hat eher einen ruhigen Charakter und klingt sehr lyrisch. Die Eigenkompositionen von Michael Lötsch stehen den Originalen kaum nach. Revenge ist ein spritziges Stück, bei dem beide Stimmen in Terzen geführt sind, was den besonderen klanglichen Charme ausmacht. Auch die einfallsreiche Klezmer Fantasy beinhaltet ein prägnantes Thema, welches nach Zwischenteilen immer wieder aufgenommen wird. Seven Steps pulsiert durch seine dauernden Wechsel zwischen 7/8- und 4/4-Takt.

Die Duette, bei denen das thematische Material und die Begleitung auf beide Stimmen verteilt sind, bewegen sich weitgehend in der mittleren bis höheren Lage, sind für fortgeschrittene Flötistinnen und Flötisten gut spielbar und eignen sich auch für den Unterricht.
 

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Klezmer Flute Duets, 13 Stücke für zwei Flöten bearb. von Michael Lötsch, UE 33044, € 14.95, Universal Edition, Wien 2017

 

 

 

 

 

 

Jüdische Musiker in Prag, 1741. Aus The prague ghetto, 1902, von Hermann, J. Telge, und Z. Winter. Foto eines Exponats im Diaspora Museum, Tel Aviv. wikimedia commons

Extrem gegensätzliche Stücke

Zwei neue Werke für Harfe, «Calembredaine» und «Ganagobie», von Bernard Andrès versprechen Spass und Stimmung.

Prieuré de Ganagobie, Schiff, Mosaik Nr. 11. Foto: Jochen Jahnke/wikimedia commons

Der Komponist und Harfenist Bernard Andrès hat in den Jahren 2012 (Calembredaine) und 2013 (Ganagobie) zwei Werke komponiert, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hinter den für uns Deutschsprachige verheissungsvollen Titeln verbergen sich Welten: Calembredaine heisst «alberner Spass», während Ganagobie der Name eines Benediktiner Klosters in der Haute Provence ist. Dementsprechend unterscheidet sich auch die Musik!

Zuerst zu Calembredaine: ein wahrhaft witziges Stück, kurzweilig und spritzig. Es ist im 6/8-Takt geschrieben, spielt mit rhythmischen Verschiebungen und Offbeats. Durch kurze Pausen werden Überraschungen erzeugt, die einen tatsächlich an der Nase herumführen. Dem Stück liegt mehrheitlich ein eigener Modus zu Grunde, der ein bisschen an arabische Musik erinnert. Das heisst, dass nur wenige Pedalwechsel vorkommen, es jedoch auf einer Pedalharfe gespielt werden muss. Nur vier Seiten dauert der Spass, hat Schwung und wirkt packend. Neben den gewöhnlichen Spieltechniken kommen auch die für Andrès typischen «Sons Xylo» und «Sons Pincées» vor. Bezüglich Schwierigkeit würde ich das Stück der 5. bis 6. Stufe zuordnen. Es sei hier noch auf einen Druckfehler hingewiesen: Ende Takt 25 fehlt in der linken Hand der Bassschlüssel und Ende Takt 30 dessen Auflösung zurück in den Violinschlüssel.

Ganz anders wirkt Ganagobie: Es ist eine Suite aus fünf Sätzen. Der Viertelpuls ist durchwegs deutlich spürbar und erinnert dadurch an das auf Säulen ruhende Kloster. Die verschiedenen Sätze beschreiben eine würdevolle Stimmung: Im ersten, Le Monastère sur la Colline, sieht man das Kloster auf dem Hügel; im zweiten, Le Portail de pierre, tritt man durch das Portal ein; den alten Mönch besucht man im dritten, Le Vieux Moine; der vierte dreht sich um kosmische Mosaiken, Mosaïques cosmologiques, und der fünfte spielt unter grünen Eichen, Sous les chènes vertes. Nachdem das Stück fortissimo angefangen hat, klingt es nach elf Minuten sehr leise aus.

Bernard Andrès bedient sich verschiedener musikalischer Sprachen. Wirkt der Anfang eher impressionistisch und erinnert an Debussy, so tauchen später eher wieder romantische Harmonien und Gesten auf, um die Grösse des Klosters darzustellen. Oft füllen filigranere Sechzehntel-Bewegungen in der rechten Hand das Grundgerüst der Säulen auf, sie lassen an die Verzierungen im Kloster denken.

Das Stück ist nicht einfach zu spielen, da es mehrheitlich ruhig wirkt und selten die Spannung von Gegensätzen sucht. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass es in einem Kirchenraum schön zur Geltung käme.
 

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Bernard Andrès: Calembredaine pour Harpe, HA 09753, ca. € 11.40, Edition Hamelle (Alphonse Leduc), Paris

id.: Ganagobie, Suite pour Harpe, HA 09754, ca. € 17.80
 

Einer der geachtetsten Universalmusiker seiner Zeit

Friedrich Schneider (1786-1853) war ein überaus produktiver Komponist. Ein erster Teil seiner Klaviersonaten ist nun erschienen.

Friedrich Schneider, Stahlstich um 1855 von L. Sichling nach einem Porträt von G. Völkerling (1852)

Der Komponist Friedrich Schneider (1786–1853) dürfte den meisten eine unbekannte Grösse sein. Sein Name taucht immerhin im Zusammenhang mit Beethovens 5. Klavierkonzert auf. Er war nämlich der Solist bei der Uraufführung im Leipziger Gewandhaus. Das kam sicher nicht von ungefähr: Schneiders pianistische Fähigkeiten waren offenbar sehr beachtlich. Und so verwundert es nicht, dass er schon in jungen Jahren zahlreiche Klavierwerke schrieb, darunter nicht weniger als 42 Sonaten. Ulrich Urban hat sich nun darangemacht, diese in vier Bänden bei Breitkopf & Härtel zu veröffentlichen. Band 2 ist in einer sorgfältigen Urtextausgabe bereits erhältlich.

Es lohnt sich, die Werke genauer anzuschauen. Erwartungsgemäss versteht sich Schneider auf einen gut spielbaren und brillant klingenden Klaviersatz. Auch das kompositorische Handwerk ist tadellos; die Harmonik mindestens auf der Höhe der Zeit. Einflüsse von Beethoven oder Haydn sind sicher da, aber gelegentlich denkt man sogar an zukünftige Meister, besonders in der A-Dur-Sonate op. 76 von 1806. Da klingt es stellenweise fast wie in Schuberts grosser Sonate gleicher Tonart. Erstaunlich, denn diese entstand ja erst 22 Jahre später!

Woran liegt es also, dass diese Musik trotz solcher Qualitäten in Vergessenheit geriet? Nun, dafür gibt wohl mehrere Gründe. Vor allem: Die Themen sind oft zu wenig packend und originell, als dass sie sich für eine Weiterentwicklung der musikalischen Gedanken eignen würden. Stattdessen werden die Formteile einfach mit virtuosen Sequenzen verbunden. Der Klaviersatz klingt zwar angenehm, ergeht sich aber zu oft in stereotypen Floskeln. Am wenigsten von solchen Mängeln betroffen ist wohl die Grande Sonate in f-moll op. 27. Hier herrschen eine Ökonomie und Konzentration der Mittel vor, besonders im 3. Satz «Largo» mit seinem eindrucksvollen Spiel um Licht und Schatten.

Friedrich Schneider mag genannte Mängel vielleicht auch selber gespürt haben. Ab 1815 komponierte er kaum noch für das Klavier, dafür umso häufiger für Orchester und Chor: 23 Sinfonien,16 Oratorien und unzählige Kantaten flossen aus seiner Feder. Und als Komponist, Hofkapellmeister, Dirigent, Pianist, Organist, Pädagoge und Organisator von Festspielen war er einer der geachtetsten Universalmusiker seiner Zeit.
 

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Friedrich Schneider: Sämtliche Kaviersonaten, Band II (Sonaten mit Opuszahl), hg. von Ulrich Urban,
EB 8942, € 44.90, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2018

 

 

 

 

Friedrich Schneider, Stahlstich um 1855 von L. Sichling nach einem Porträt von G. Völkerling (1852). Quelle: wikimedia commons

Stimmungsgeladenes Wiegenlied

Fabio Maffeis «Una Carezza infranta» für Violine und Klavier ist nicht einfach einzustudieren.

Fabio Maffei (Fotonachweis s. unten)

Johann Sebastian Bachs Siciliano-Sinfonia aus dem Weihnachtsoratorium liefert das Muster zu dieser komplexen etwa sieben Minuten dauernden «gebrochenen Liebkosung» für Violine und Klavier. Es ist die 2012/2013 entstandene 18. Komposition des in der Romandie lebenden und weltweit wirkenden Komponisten Fabio Maffei.

Der durchgehende 6/8-Takt ist komplex durchwirkt mit Duolen, Quartolen, Quintolen und sich zu leidenschaftlichem Forte steigernden Läufen. Dass vor jeder Note ein Vorzeichen steht (auch bei gleichen Tönen im selben Takt und mit Auflösungszeichen vor jedem C-Dur-Ton) erschwert das Einstudieren weiter. Nach vielen atonalen Reibungen, überschwänglichen, zärtlichen und alptraumhaften Szenen mündet das Stück in ein friedliches Wegdämmern. Das ausführliche Vorwort von Vincent Arlettaz (auf Deutsch übersetzt von Verena Monnier) inspiriert die Interpretierenden.

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Fabio Maffei, Una Carezza infranta, Ninna nanna per violino e pianoforte, Fr. 20.00, Archives musicales de la Bibliothèque cantonale universitaire (BCU) Lausanne, 2017 ISBN 978-2-88888-148-3

 

 

 

 

 

Foto: Laurent Dubois (photographer at the BCUL) — Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne (BCUL_00000801.jpg), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48738584

Generalbass «begreifen»

Die Einführung in den Basso continuo von Diez Eichler ist übersichtlich und macht Lust, die Beispiele sofort in die Praxis umzusetzen.

J. S. Bach: Symbolum Nicenum aus der h-Moll-Messe, bezifferter Bass. Quelle: wikimedia commons

Wer sich mit der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts beschäftigen will, muss die Grundlagen des Generalbassspiels beherrschen – ein dornenvolles Unterfangen, denn entweder klingt er nicht gut oder er steht im Widerspruch zu den einschlägigen Quellen, und in der Musiktheorie wird Generalbass zum Teil ganz anders abgehandelt. Kein Problem für Diez Eichler: Er erklärt ihn in einfachen Worten und bringt zahllose Notenbeispiele (in moderner Umschrift) aus den einschlägigen deutschsprachigen Traktaten des frühen 18. Jahrhunderts (Heinichen, Niedt, Mattheson).

Damit erreicht er, dass man sich gleich hinsetzt, liest und sogleich selber spielt, also im doppelten Sinn «begreift». In logischer Aufeinanderfolge erklärt er die damaligen Gewohnheiten der Bezifferung – eben auch das nicht eigens Bezeichnete – und sorgt dafür, dass man den Generalbass unmittelbar in die Finger bekommt. Eichler beschränkt sich zu Recht auf den deutschen Basso continuo des Hochbarock, vermittelt aber immer wieder Ausblicke auf die französische oder italienische Praxis, ja benennt sogar die Differenzen zum heutigen Sprachgebrauch der Musiktheorie – stets ohne quellenversessenen Mahnfinger; denn der Benutzer will ja alles möglichst ebenso kompetent wie unbelastet in die Praxis umsetzen. Der Cembalist und Generalbasslehrer Diez Eichler will somit die Vorstufe zu Jesper Christensens Grundlagen des Generalbass-Spiels (1992) liefern, und das ist ihm gelungen. Zusätzlich fügt er noch ein Übungsheft bei mit unausgesetzten Bässen, verzichtet aber auf Lösungsvorschläge, weil diese sich allesamt in den Notenbeispielen aus den Originalquellen im Hauptheft leicht finden lassen.
 

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Diez Eichler: Generalbass. Eine Einführung. Nach historischen Quellen, 82 S., € 19.90, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-7651-0453-4

Ein für die Componisten gefährlicher Dichter

Über 3000 Musikwerke hat Georg Günther in seinem Kompendium aufgelistet: alles Vertonungen von Texten Friedrich Schillers.

Schiller-Denkmal in Mainz. Foto: Dieter Schütz/pixelio.de

Neben dem 500-seitigen Verzeichnis der Vertonungen von Texten Alexander Puschkins, das Ernst Stöckl 1974 für den Verlag VEB Leipzig zusammengestellt hat, präsentiert sich das Kompendium von Georg Günther zu den Schiller-Vertonungen mit seinen über tausend Seiten noch komfortabler. Bescheiden dagegen nimmt sich das Verzeichnis der Goethe-Vertonungen aus, das Willi Schuh vor mehr als 60 Jahren vorgelegt hat. Dennoch war Schiller anscheinend nur im 19. Jahrhundert der am häufigsten vertonte deutsche Dichter. Goethe, Heine, Eichendorff oder Rückert haben ihn später «überrundet». Es hiess aber schon zu Schillers Lebzeiten, dass er «ein für die Componisten gefährlicher Dichter» sei, da er sich zu viele Freiheiten im Versmass nehme oder seine Lyrik sich zu sehr an den Verstand statt an das Gefühl richte. Aber immerhin sind 3053 Objekte von Schiller aufgelistet, welche auf irgendwelche Weise mit Tönen kombiniert worden sind.

Man könnte denken, dass auch in der Schweiz Festgesänge, Schiller-Kantaten, Schiller-Märsche und Fest-Ouvertüren in den Jubeljahren Konjunktur hatten, der Wilhelm Tell war ja auf verschiedene Weise musikalisierbar. Auffällig ist aber die reservierte Haltung der Schweizer Komponisten: Hans Georg Nägeli ist mit 13 Nummern vertreten, Lothar Kempter mit vier Vertonungen, Heinrich Sutermeister mit einer Kantate (ein Kompositionsauftrag der Schweizer Landesausstellung 1964), von Hans Huber ist eine Tell-Sinfonie für grosses Orchester (1881) aufgelistet, von Paul Huber ein einziges Lied für Sopran, Klavier und Horn (1966). Weder Arthur Honegger, Othmar Schoeck, Peter Mieg, Albert Moeschinger noch Rudolf Kelterborn haben sich mit Schiller beschäftigt.

Auf der Suche nach dem Namen von Arthur Honegger bin ich aber auf Otto Jägermeier (1879–1933) gestossen, der auf Seite 605 mit einem hübschen Werktitel aufgelistet ist: Marie Tell et Guillaume Stuart à Reims. Tragédie à la Potpourri en forme d’une Mélodrame après Frédéric Rellisch. Textbearbeitung Joe G. Weth. Deklamation mit Klavierbegleitung und drei obligaten gedämpften Zimbeln. Schön, dass der Name Jägermeiers den Weg auch in diese lexikalische Aufbereitung gefunden hat; er, der 1972 im Riemann-Musiklexikon erstmals aufgetaucht ist, ohne je existiert zu haben, und doch heute in beinah allen einschlägigen Lexika zu finden ist! Dies alles ist dem Autor des Schiller-Kompendiums bestens bekannt; er fügt deshalb dem Werktitel eine umfangreiche Information bei, worin selbst er noch neue Details beisteuern kann und damit das Spiel, das Herbert Rosendorfer vor beinahe 50 Jahren in Gang gesetzt hat, noch um eine Runde erweitert. Übrigens ist Otto Jägermeier 1933 in Zürich gestorben und liegt auf dem Friedhof Fluntern begraben, nicht unweit von James Joyce.

Zu den Entdeckungen in diesem Buch gehört auch, dass Jürg Kienbergers Tell-Schauspielmusik von 2012 schon erwähnt ist und dass Arnold Schönberg nach 1883 eine Fantasie über Die Räuber für grosses Orchester geschrieben habe, deren Material aber verschollen sei. Noch viel ergiebiger aber ist der Umweg über Rossinis Guillaume Tell zu den von der Zensur erzwungenen sieben alternativen Titeln: Hofer, the Tell of the Tyrol für London 1830, Andreas Hofer deutsche Fassung für Berlin 1830, Le Governatore Gessler e Guglielmo Tell für Lucca 1831, Karl Smily (Karl der Kühne), russische Fassung für Sankt Petersburg 1836, Guglielmo Vallace für Mailand 1836, Rodolfo di Sterlinga für Rom 1840 und Carlo il Temerario für Sankt Petersburg 1847. Ausserdem werden bei der Bearbeitung des Wilhelm Tell von Julius Kapp aus dem Jahre 1934 die Änderungen aufgezeigt, welche «durch die aktuellen Ereignisse in Deutschland» notwendig geworden waren, um der nationalsozialistischen Ideologie Genüge zu tun: «Ich habe absichtlich das Schweizer Lokalkolorit auf das Mindestmass beschränkt und den Freiheitskampf eines Volkes und das Schicksal seines Führers allgemein menschlich zu gestalten versucht», schrieb Kapp über seine Adaption. Im Weiteren erfährt man von ihm auch, dass massive Eingriffe in die Musik vorgenommen worden sind.

Das umfangreiche Material der über 3000 Werke von 1700 Komponisten ist benutzerfreundlich unterteilt, mit Register und allen zur Verfügung stehenden Verlagsangaben versehen. Schade ist nur, dass im E-Book keine Suchfunktion für Namen und Titel integriert ist; nur die einzelnen Kapitel können direkt angesteuert werden.

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Georg Günther: Friedrich Schillers musikalische Wirkungsgeschichte – ein Kompendium,
1070 S., E-Book Fr. 114.50, Hardcover Fr. 134.00,
Verlag J. G. Metzler, Stuttgart 2018,
ISBN 978-3-476-04620-8

 

 

 

 

 

 

Verlinkter Bildnachweis: Dieter Schütz / pixelio.de

Neue Sicht auf Szymanowskis Leben

Die Biografie, von Danuta Gwizdalanka auf Polnisch verfasst, ist auch auf Deutsch erschienen.

Villa Atma in Zakopane, wo Szymanowskis ab 1930 wohnte. Foto: David Conway/wikimedia commons

Die Literatur über den bedeutendsten polnischen Komponisten aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, Karol Szymanowski (1882–1937), ist in Buchform immer noch recht schmal. Jetzt liegt mit einer Neuerscheinung von Danuta Gwizdalanka erstmals eine umfangreiche Veröffentlichung vor. Sie wirft neues Licht auf die Biografie eines Musikers, der seine Homosexualität bis zum Lebensende vor seiner Mutter verbarg. Wie aus seinen Briefen hervorgeht, die von der Szymanowski-Spezialistin Teresa Chylińska herausgegeben wurden, bekannte der 27-jährige Komponist: «Mama ist meine erste und meine letzte Liebe.»

Mit «Leben mit der Familie» und ausführlichen Auskünften über die weit verzweigte Verwandtschaft beginnt die bescheiden illustrierte Biografie ebenso intim, wie sie endet. Aus dem Kapitel «Der Narziss und die Mimose» ist mehr Unbekanntes zu erfahren als etwa aus dem Werkkommentar zu den 12 Etüden op. 33, mit denen Szymanowski die Klaviermusik revolutionierte. «Der nach Huldigungen lechzende Künstler», wie die Autorin schreibt, der an «übersteigertem Ehrgeiz» und Neurasthenie litt, war nicht nur Kettenraucher, sondern auch Alkoholiker. Zu den Vorzügen des Buches gehört nebst sehr informativen Zitaten und detailreichen Einsichten in die Psyche des neurotischen Künstlers die Schilderung, welche Anregungen der Komponist seinen Reisen in den Süden, nach Paris, Wien, Berlin und in den Orient verdankt.

Als ob das EU-Land Polen nicht zu Europa gehören würde, erscheinen Szymanowskis Aufenthalte getrennt in den Kapiteln «In Europa» und «In Polen». Während «Der Nationalkünstler» breit gewürdigt wird, kommt die posthume Werkrezeption im Kapitel «Das Leben nach dem Leben» mit nur gerade zwei Druckseiten aus. Als Sterbeort nennt die Autorin «ein spezialisiertes Sanatorium in Lausanne», ohne zu präzisieren, dass es sich um die von Dr. Dufour geleitete Clinique du Signal handelte. Eine «Chronik von Leben und Werk» rundet zusammen mit einem Literaturverzeichnis und Personenregister die an vielen Wiederholungen leidende Publikation ab.

Anders als die Werbung behauptet, handelt es sich hier nicht um die «erste Szymanowski-Biografie in deutscher Sprache». Das Buch wurde polnisch geschrieben und von Peter Oliver Loew übersetzt, nachdem schon polnische Buchpublikationen von Stanisław Golachowski 1982 in Leipzig, 1983 in Krakau und 1986 die Anthologie Über Karol Szymanowski in Warschau in deutschen Übersetzungen veröffentlicht worden waren.
 

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Danuta Gwizdalanka: Der Verführer. Karol Szymanowski und seine Musik, Aus dem Polnischen übersetzt von Peter Oliver Loew, 292 S., € 27.10, Harrasowitz, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-447-10888-1

Ehrungen für Sina

Sina gehört zu den Aushängeschildern des Mundartpop. Nun ist sie nicht nur als erste Frau bei den Swiss Music Awards für ihr Lebenswerk geehrt worden. Sie belegt mit ihrem neuen Album auch den Spitzenplatz der Schweizer Hitparade.

Sina (Bild: zvg)

Bei den Swiss Music Awards ist Sina im KKL Luzern der Outstanding Achievement Award für ihr Lebenswerk überreicht worden. Dazu eroberte sie mit ihrem neuen Album «Emma» auch den Thron der Offiziellen Schweizer Hitparade. Für diesen Erfolg zeichnete sie Andy Renggli, General Manager Schweiz von GfK Entertainment, im Rahmen des Events mit einem Nummer 1 Award aus.

«Emma» ist Sinas dritte Platte nach «Wiiblich» (1995) und «Ich schwöru» (2011), die an die Spitze der Schweizer Hitliste gelangt. Gleichzeitig ist es ihr elftes Top-10-Album. Rechnet man sämtliche Platzierungen zusammen, so dominierte Sina im Laufe ihrer Karriere 169 Wochen das Ranking.

Der von GfK Entertainment und IFPI Schweiz ins Leben gerufene Nummer 1 Award der Offiziellen Schweizer Hitparade ehrt nationale Künstler, die auf Platz eins der wöchentlich erstellten Musik-Hitliste stehen. Er wurde im Oktober 2016 eingeführt.

 

Von realer Gegenwart

Tiefe und extratiefe Holzblasinstrumente sind die Stars dieser Stücke von Dominique Schafer, interpretiert vom ensemble proton bern.

ensemble proton bern. Foto: Oliver Oettli,Dominique Schafer,Dominique Schafer,Dominique Schafer

Der Titel dieser CD mit Ensemblestücken von Dominique Schafer ist Programm: Vers une présence réelle … Ob Schafer dabei Georg Steiners einflussreiche Publikation Von realer Gegenwart (1990), die zu Beginn des digitalen Zeitalters noch mal eine Metaphysik der Kunst festklopfen wollte, im Hinterkopf hatte, sei dahingestellt. Um die unmittelbare Gegenwart von Klang braucht man sich jedenfalls in diesen vom ensemble proton bern so brillant wie energetisch ausformulierten Kompositionen keine Sorgen machen.

Das titelgebende Ensemblestück spricht Bände: eine komplex verästelte, mikrotonal schattierte Musik mit harmonisch und klangfarblich reichen Texturen. Schafer hat den Ensembleapparat dazu in drei Trio-Gruppen aufgespalten, die im Rahmen einer gross angelegten Klangentfaltung sich aneinander reiben, verschmelzen, wieder abstossen und dabei unterschiedlichste Aggregatzustände von Klang ausprägen. Besonders konzentrierte Klangfindungen verkörpern zwei Solostücke mit elektronischen Erweiterungen: Cendre (2008/15) für Bassflöte und achtkanalige Elektronik ist eigentlich eine Raumkomposition, welche die dünnhäutigen «Asche»-Klänge der Flöte um den Hörer herumschickt und sie dabei ergänzt, manipuliert oder flächig grundiert. Besonders eindrucksvoll: das Richard Haynes auf den Leib geschriebene Ringwood (2018), ein hoch konzentrierter Monolog für Bassklarinette und Live-Elektronik, dessen schillernde Multiphonics und markante Einzelgesten kristalline Schärfe und mikroskopische Differenzierung erfahren – ein Paradestück für Haynes. Schafers Vorliebe für tiefe, ja besonders tiefe Holzbläser untermauert Infr-a-ktion (2018), das die selten zu hörenden Tieftöner Lupofon (eine Art Bassoboe) und Kontraforte (ein Ultra-Kontrafagott) einer Gruppe von sechs Instrumenten gegenüberstellt. Ein kraftvolles, mitreissendes Stück, das mit seinen schrundig dunklen Klangfarben den Höhepunkt dieser CD markiert.

Hervorzuheben der detaillierte, nah an die Musik heranzoomende Booklet-Text von Thomas Meyer, leider auch bei Kairos heute keine Selbstverständlichkeit mehr.
 

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Fluchtpunkte (Beginn)
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Ringwood (Beginn)
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Infr-a-ktion (Ausschnitt)
Image

Dominique Schafer: Vers une présence réelle …
ensemble proton bern, Leitung Matthias Kuhn.
Kairos 0015036KAI

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