Verschärfter Artenschutz

Unisono (Deutsche Musik- und Orchestervereinigung) ist besorgt um die weitere Nutzung von Holzbögen für Streichinstrumente. Aktuell droht ein allgemeines Nutzungsverbot von Fernambukholz, das als einziges die Herstellung von Bögen für Streichinstrumente in höchster Qualität garantiert.

Fernambukbaum im Park Córrego Grande in Florianópolis, SC, Brasilien. Nachweis: s. unten

Die internationale CITES Vertragsstaatenkonferenz, eine internationale Handelskonvention mit dem Ziel, die Tier- und Pflanzenpopulation nachhaltig zu nutzen und zu erhalten, berät vom 14. bis 25. November in Panama, ob Fernambuk ohne Ausnahmeregeln hochgestuft wird. Das hätte dramatische Konsequenzen für den Handel, vor allem jedoch für das grenzüberschreitende Reisen von Orchestern und Musikern mit Streichinstrumenten und ihren Fernambukbögen.

Die Bögen müssten voraussichtlich kurzfristig auf Material und Herstellungsjahr zertifiziert sowie von den unteren Umweltweltbehörden in den Kommunen registriert werden. Passiert dies nicht fristgerecht, womit angesichts des knappen Personals der kommunalen Umweltämter zu rechnen ist, könnten Musiker mit einem Fernambukbogen nicht mehr reisen.

Bogenbauer aus der ganzen Welt haben sich seit dem Jahr 2000 mit Unterstützung von Streichern zur IPC-Initiative (International Pernambuco Conservatory Initiative) zusammengeschlossen. Damit gehören sie zu den wichtigsten Schützern der Art. Bislang konnten mehr als 340’000 neue Fernambukbäumen gepflanzt werden. Fachleute initiierten zudem zahlreiche soziokulturelle Programme in Brasilien und botanische Studien zu dieser Holzart.

«Langfristig würde ein Nutzungsverbot von Fernambuk zum Aussterben des weltweiten Bogenbaus führen, und die Klangästhetik von Streichinstrumenten und Orchestern bedrohen» erklärt dazu unisono-Geschäftsführer Mertens. «Zudem würden die Initiativen zur Aufforstung von Fernambuk beendet. Damit wäre Fernambuk als Art mehr bedroht als geschützt.» 

Musikalische Erinnerungsräume

Die Musikwissenschaftlerin Monika Schoop von der Leuphana-Universität Lüneburg erkundet mit ihrem aktuellen Forschungsprojekt «Musikalische und klangliche Erinnerungsräume in der Post-Witness Era».

Gedenkstätte Ahlem in Hannover. Foto: Gerd Fahrenhorst (s. unten),SMPV

Die Ära der Zeitzeugen, die aus eigener Anschauung über die Zeit des Nationalsozialismus berichten können, neigt sich dem Ende zu. Für die Erinnerungskultur in Deutschland stehen deshalb grosse Veränderungen bevor. Monika Schoop geht es dabei darum, «einen neuen Weg einzuschlagen und sowohl die soziale als auch die klangliche und musikalische Dimension der Erinnerungsräume zu erfassen».

Gleichzeitig soll das Projekt eine neue Plattform in Niedersachsen schaffen, um wichtige Akteure der Erinnerungskultur zu vernetzen und einen Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis zu initiieren. Gemeinsam mit den Gedenkstätten Bergen-Belsen, Ahlem und Moringen werden Workshops für nachhaltige Erinnerungsarbeit entwickelt und veranstaltet. Sie dienen dazu, Herausforderungen gegenwärtiger Erinnerungskultur zu thematisieren, Potenziale von Musik und Klang für künftige Erinnerungsarbeit zu reflektieren und Handlungsstrategien zu erarbeiten.

Mehr Infos:
https://www.leuphana.de/forschung/aktuell/ansicht/2022/10/26/musikwissenschaftlerin-untersucht-die-rolle-von-musik-und-klang-fuer-die-erinnerungskultur.html

Auszeichnungen der Stadt Zürich

Die Stadt Zürich zeichnet dieses Jahr in sechs Fördersparten 22 Kulturschaffende und drei Kollektive mit Werkjahren, Werkstipendien und Auszeichnungen in der Höhe von insgesamt 633’000 Franken aus.

soyuz21. Foto: Hannah Beutler

Aus Jazz Rock Pop kommen Dino Brandão, Franziska Staubli und Sandra Weiss in den Genuss eines Werkjahres im Umfang von 48’000 Franken. In der E-Musik  gehen je ein Werkjahr (48’000 Franken) an Manfred Werder (Komposition) und soyuz21 (Interpretation).

Stadtpräsidentin Corine Mauch überreicht die Auszeichnungen am Freitag, 25. November 2022, an einer Feier für geladene Gäste im Kaufleuten. Die Werkjahre, Werkstipendien und Auszeichnungen sind ein zentrales Instrument der Stadt Zürich zur Förderung der freien Szene.

Zudem wird im Namen des Stadtrats die Auszeichnung für besondere kulturelle Verdienste an den Verein Bildung für Alle, den Trägerverein der Autonomen Schule Zürich, verliehen. Diese Auszeichnung wird vom Stadtrat jeweils zeitgleich mit dem Kunstpreis der Stadt Zürich vergeben.

Der grosse Unbekannte

In einer brillant geschriebenen Biografie verortet Laura Decurtins den Komponisten Gion Antoni Derungs in einem reichen kulturhistorischen Panorama.

Trotz seines immensen kompositorischen Schaffens gehört der Bündner Komponist Gion Antoni Derungs (1935–2012) zu den grossen Unbekannten in der Schweizer Musiklandschaft. Sein Œuvre umfasst mehrere hundert Kompositionen, darunter zehn autobiografisch deutbare Sinfonien und mehrere abendfüllende Opern. Und dennoch: Ausserhalb Graubündens wird Derungs’ Schaffen – mit Ausnahme einiger Chorkompositionen – wenig gewürdigt. Einen gewichtigen Beitrag hin zu einer adäquaten Anerkennung liefert nun die Bündner Musikwissenschaftlerin Laura Decurtins mit einer Biografie über den Komponisten. Diese enthält zugleich ein gut strukturiertes Werkverzeichnis, das von Thomas Järmann erstellt und von Decurtins überarbeitet wurde. Die in Chur aufgewachsene Decurtins ist keine Unbekannte in der Erforschung der Musik ihres Heimatkantons. Mit der Derungs-Biografie legt sie nach ihrer 2019 publizierten Dissertation Chantai rumantsch! innert kürzester Zeit ein weiteres Buch über die Musik Graubündens vor.

Bunte Kulturgeschichte

Laura Decurtins zeichnet in der rund 220 Seiten umfassenden Biografie nicht nur die Lebensabschnitte Derungs’ nach – von seiner Herkunft in der Sursevla, über seine Ausbildung in Zürich bis zu seinen Wirkungsstätten Lichtensteig und Chur –, sondern verortet den Komponisten in einem bunten kulturhistorischen Panorama, was die Lektüre des Buches zu einem grossen Vergnügen macht. Über den Schulalltag in der Klosterschule Disentis erfährt man im Buch ebenso etwas wie über das musikalische Milieu im Zürich der Fünfzigerjahre mit seiner Affinität zur Unterhaltungsmusik oder über die Musikpflege am Lehrerseminar in Chur.

Decurtins verlässt dabei oftmals geschickt das chronologische Erzählen und leuchtet verschiedene Themenfelder ergiebig aus, etwa mit einem Blick in Derungs’ Komponistenwerkstatt oder der Einordnung seines Wirkens als Instrumentallehrer, Chordirigent und Domorganist.

Im Romanischen verwurzelt

Innerhalb der in acht Kapitel gegliederten Biografie flicht Decurtins erhellende Werkanalysen ein, die von ihr subjektiv gewichtet werden. Derungs interessierte sich für die neuen musikalischen Wege, die an den Darmstädter Ferienkursen eingeschlagen wurden. Er durchlief die Schule der Avantgarde, liess jedoch die romanische Kultur nie hinter sich. Dadurch entstanden Kompositionen in einer ganz eigenen Stilistik, die aus der Auseinandersetzung mit seiner Heimat gespeist werden.

Sein vierstimmiges, im Jahr 1959 komponiertes A-cappella-Stück Sut steilas geniesst in der Chorszene schon jetzt Kultstatus. Mit Il cerchel magic wiederum gelangte Mitte der Achtzigerjahre die erste romanische Oper überhaupt auf die Bühne. Derungs Œuvre umfasst von sehr zugänglichen Stücken bis zu avancierten Klängen eine grosse Bandbreite. Die brillant geschriebene Biografie von Laura Decurtins verführt zu dessen Neuentdeckung.

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Laura Decurtins: Der Bündner Komponist Gion Antoni Derungs (1935–2012). Eine musikalische Biografie, 416 S. (davon ca. 200 S. Register und Werkverzeichnis), Fr. 48.00, Chronos, Zürich 2022, ISBN 978-3-0340-1666-7

Haben Sie Jazz gesagt?

Was verstehen die Schweizer Musikhochschulen von Jazz? Dies ist die grundlegende Frage, die sich das System der höheren Musikausbildung in der Schweiz in diesem Artikel stellt.

Antoine Gilliéron — Über den Stellenwert des Jazz an den Schweizer Musikhochschulen hinaus. Ein Gespräch mit Gregor Hilbe, 2016 – 2022 Leiter des Profils Jazz / Pop an der ZHdK.

Gregor Hilbe, au niveau de l’enseignement musical tertiaire en Suisse, pouvez-vous décrire ce qu’offrent les Hautes Écoles de Musique et/ou à Zurich quant aux possibilités de se former en jazz (BA/MA ainsi que modules d’ouverture dans les cursus principaux ou double-curriculums comme classique et jazz) ?

In Zürich bieten wir im ersten Zyklus im Bereich Jazz ein generalistisches BA Studium an, welches in den Bereichen Improvisation, Hör-Fähigkeiten, Rhythm Cultures, Producing, Theorie, Solo- und Ensemble-Skills alle wichtigen Bereiche anbieten, die später für eine Laufbahn in den vielfältigsten musischen Bereichen die Grundlage bieten. Das darauf aufbauende Master Studium gliedert sich in die Bereiche Performance, Pädagogik und Producing, in dessen Rahmen die Studierenden bereits individualisiert an ihren Eigenkreationen und diversen Projekten arbeiten können. Im Master-Studium übernehmen die Studierenden den Grossteil der Gestaltung ihres Curriculums selbst, um beim Abschluss mit marktfähigen Projekten in unterschiedlichsten freischaffenden oder institutionellen Bereichen arbeiten zu können. In Partnerschaft mit meiner Alma Mater, der Kunstuniversität Graz, gibt es auch einen Jazz-spezifischen dritten Zyklus für PhD-Kandidat:innen, die eine betont künstlerische Forschungsrichtung anstreben.

Quel regard portez-vous sur le terme « jazz » utilisé dans nos institutions ainsi que sur la notion de « musique improvisée » qui serait peut-être plus en phase avec les besoins de communication ?

Jazz ist vielmehr eine Herangehensweise als ein Begriff, der stilistisch wirken könnte. Jazz bedeutet nicht nur eine vielfältige und vielschichtige Improvisationskultur, sondern auch von Anfang an, eigene Musik zu kreieren, um die Bereiche der Improvisation, Komposition und Producing durchlässig bzw. sich gegenseitig beeinflussend zu halten. Ob das Wort so im 21. Jahrhundert bestehen bleibt, ist eine der spannenden Entwicklungen, die beobachtet werden können, zumal die Institutionen in anderen Ländern auch durchaus andere Begriffe geltend machen, wie Musiques Actuelles (ergänzend zu «contemporaine»), Rhythmic Music, Improvised Arts oder andere «Pointers», welche in diese Richtung zeigen.

Que développe la ZHdK pour l’année prochaine au niveau des importants changements concernant le département que vous dirigez ?

Wir diversifizieren unser Angebot im Bereich der Performance, wo wir neue Major-Programme in Jazz und Pop entwickelt haben für die Studierenden. Weiterhin starten wir im Herbstsemester 2023 unseren neuen Minor-Programme «Producing Basic» und «Producing Advanced», die den kommenden Studierenden ein komplettierendes Angebot im Bereich der Kreation eröffnen werden. Ausserdem wird gegenwärtig mit deutlich mehr Frauen und Diversität im Team und in den Gremien ein Zeichen gesetzt für zukünftige Studierende. Wir hoffen, dass sich die zukünftige Studierendenschaft parallel dazu diverser entwickeln wird. Wir versuchen hier jede Unterstützung zu geben.

 

 

Eine sehr persönliche musikalische Sprache

Der Drummer, Percussionist und Producer Gregor Hilbe hat über die Jahre eine sehr persönliche musikalische Sprache entstehen lassen, die die Direktheit und Körperlichkeit repetitiver Rhythmen und die Sinnlichkeit elektronischer Ästhetik vereint und einen Katalog von Produktionen in vielen verschiedenen ästhetischen und ethnischen Kontexten geschaffen hat.

Aufgewachsen in einer kosmopolitischen Familie führte seine frühe Faszination für die Klänge von Miles Davis, Weather Report und den Sounds der 80er-Jahre dazu, dass er sich im Alter von 11 Jahren in den Minimoog verliebte: Die Elektronik wurde sein zweites Instrument.

Mit 16 Jahren nahm er Unterricht bei Jojo Mayer und trat in dessen Fussstapfen als Schlagzeuger des Vienna Art Orchestra. Nach seinem Studium an der Kunstuniversität Graz kamen unzählige freiberufliche Aktivitäten, darunter Auftritte mit den Künstlern Mark Murphy, Theo Bleckman, Christian Zehnder, Nguyen Lê, Nils Petter Molvaer, Sheila Jordan, Kurt Elling, Art Farmer, Bob Mintzer, Joseph Bowie, Monica Zetterlund, Sebastian Studnitzky etc.

In den 90er-Jahren gründete er «Tribal Poetry» mit dem ToySun Collective in Paris und machte die tiefgreifende Erfahrung, Tony Allen zu treffen, mit dem er bei Comet Records zusammenarbeitete. Weitere Kollaborationen waren «Avril» mit Laurent Garniers Label F-Comm, gefolgt von ausgedehnten Tourneen (Glastonbury, Montreux, Dour etc.).

Die kosmopolitische Geschichte der Familie und die 20 Jahre, die er in Paris, London und Berlin verbracht hat, haben einen Sound geformt, der den Zeitgeist mit ethnischen Einflüssen verbindet.

Regionalkonferenz Zentralschweiz

Jeden September treffen sich Schulleitende aus den Zentralschweizer Kantonen zur Regionalkonferenz. Sie wird jeweils gemeinsam vom VMS und von der Hochschule Luzern – Musik verantwortet und dient dem Austausch. Dieses Jahr standen am Morgen Inputs zum Thema Unterrichtsentwicklung auf dem Programm, und am Nachmittag setzten sich die Teilnehmenden in kleinen und wechselnden Gruppen zusammen und tauschten sich zum Gehörten aus. „Es war ein gelungener und inhaltlich sehr interessanter Anlass“, berichtet Eva Crastan vom Organisationsteam. Sie schätzt das Gefäss sehr – sowohl als Vorstandsmitglied im VMS wie auch als Abteilungsleiterin der Musikschule Luzern. „Musikalische Bildung hört nicht an der Kantonsgrenze auf“, sagt sie. „Gemeinsam können wir Ideen entwickeln und haben so bei der Umsetzung mehr Durchschlagskraft.“

Interview mit Lucas Bennett

Lucas Bennett war 14 Jahre lang Redaktor unserer Verbandsseiten in der SMZ. Im Gespräch mit seiner Nachfolgerin blickt er auf diese Zeit zurück.

Marianne Wälchli — Seine Artikel waren immer sehr sorgfältig geschrie-ben und fundiert recherchiert, und ich bin mir bewusst, dass ich jetzt in sehr grosse Fussstapfen trete.

Lieber Lucas, du warst 14 Jahre lang SMZ-Redaktor für unseren Verband, wofür ich Dir im Namen aller SMPV-Mitglieder ganz herzlich danke. Empfindest Du beim Abschied auch etwas Wehmut?

Ja, natürlich! Es war eine lange und spannende Zeit, in der sich der Verband auch sehr verändert hat. Aber gerade weil es eine lange Zeit war, finde ich es richtig, dass jetzt jemand anderes neue Akzente setzt. Besonders vermissen werde ich aber die Zusammenarbeit mit dem Redaktionsteam und die guten Diskussionen in den Redaktionskom-missionssitzungen.

Was war Dir besonders wichtig als SMZ-Redaktor?

Den Verband einerseits für die Mitglieder darzustellen, aber gleich-zeitig auch Aussenstehenden die Vielfältigkeit des SMPV zu vermitteln. Dann war mir ein gutes sprachliches Niveau immer wichtig; das heisst, ich habe mich immer bemüht, auch Texte, die ich nicht selber geschrieben habe, mit viel Liebe zu redigieren.

Was hat sich verändert in den 14 Jahren?

Am Anfang meiner Zeit waren die SMPV-Seiten vor allem klassisches Verbandsorgan mit Berichten über ZV-Sitzungen, PKs und DVs. Heute ist alles thematisch viel offener.

Ist Dir ein Artikel speziell in Erinnerung geblieben?

Ein Höhepunkt war für mich das Interview mit der damaligen Stände-rätin, Simonetta Sommaruga. Es war eine sehr spannende Begegnung mit einer faszinierenden Persönlichkeit, die das Interview für die vergleichs-weise «kleine Zeitung»jeden Moment absolut ernst genommen hat.

Hast Du oft Reaktionen auf deine Artkel erhalten?

Auf genau diesen Artikel am meisten, sonst waren starke Reaktionen selten. Themen rund um einen GAV für Musiklehrpersonen oder generell um Arbeitsbedingungen an Musikschulen riefen die stärksten Reaktionen hervor. Und in persönlichen Gesprächen konnte ich Randbemerkungen entnehmen, dass die Seiten gelesen werden. Sonst gab es wenig Reaktionen.

Das liegt wohl auch an der fehlenden Tagesaktualität wegen der relativ langen Produktionszeit. Wie gleicht man das aus?

Tagesaktuelle Themen stellt man entsprechend auf die Homepage, postet sie in den sozialen Medien oder stellt sie in die Online-Ausgabe der SMZ.

Wie schätzt Du den Stellenwert der Online-Ausgabe ein; wird sie gelesen?

Das ist in Bezug auf unsere Verbandsinhalte sehr entwicklungsfähig. Mit dem Relaunch im Januar sollte das attraktiver werden, wodurch die Online-Ausgabe hoffentlich auch mehr genutzt werden wird.

Hast Du einen besonderen Rat für mich?

Lass unbedingt die Türen offen für die Sektionen und Mitgliederund lade sie ein mitzumachen, Artikel zu schreiben oder mindestens Ideen dazu zu liefern. Ein Wermuts-tropfen in den letzten Jahren war, dass die Partizipation von Sektionen und Mitgliedern spürbar zurückgegangen ist. Ich hoffe, Du findest einen Weg, die Verbandsseiten wieder mehr zu einem Spiegel der vielfältigen Verbands- und Mitgliederaktivitäten werden zu lassen.

Ich werde deinen Rat beherzigen. Danke für das Gespräch und alles Gute für Deine neuen Projekte!

Nachruf auf Dorothea Baumann

Am 29. August 2022 ist Dorothea Baumann, Generalsekretärin der International Musicological Society (IMS) von 1994 – 2019 und Privatdozentin der Musikwissenschaft an der Universität Zürich, verstorben.

Antonio Baldassare— Geboren am 4. April 1946, studierte sie Klavier an der Musikakademie in Zürich bei Bertie Biedermann (Diplom 1968) und Musikwissenschaft, Physik und neuere deutsche Literatur an der Universität Zürich. 1977 promovierte sie mit einer Arbeit «Die dreistimmige Lied-Satztechnik im Trecento» (veröffentlicht 1979), die von Kurt von Fischer betreut wurde. Ab 1978 war sie assoziierte Forscherin und wurde durch ihre Habilitation «Raum und Musik: Eine Untersuchung zur Bedeutung des Raumes für die musikalische Aufführungspraxis» (veröffentlicht 2011) im Jahr 2000 zur Privatdozentin ernannt. Neben ihrer Stelle am Departement für Musikwissenschaft und dem Ethnomusikologischen Archiv an der Universität Zürich dozierte sie wiederholt an der Universität Bern, am Departement für Architektur der ETH und am Institut für Musiktherapie der Zürcher Hochschule der Künste. Von 1977 bis 1996 war sie Dozentin für Organologie und Akustik im Weiterbildungsprogramm des Schweizer Radio und Fernsehens. Von 1978 – 1995 war sie verantwortlich für die Dokumentation des Programmbuchs für die Tonhalle-Gesellschaft Zürich und seit 1976 als Beraterin für Fragen der Akustik tätig. Nicht zuletzt wurde sie als Gastdozentin an die Graduate School der City University of New York im Jahr 1987 eingeladen sowie im Jahr 1998 an die Universität Innsbruck, sie trat auch regelmässig als Pianistin und Harfenistin an Konzerten auf.

Dorothea Baumann war leitendes und beratendes Mitglied von vielen renommierten nationalen und internationalen wissenschaftlichen Institutionen und Organisationen: Von 1985 bis 2006 war sie Präsidentin der Sektion Zürich der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft; von 1993 bis 2004 Vizepräsidentin und von 1990 bis 1992 sowie 2005 bis 2012 Präsidentin der Schweizer Sektion der International Association of Music Libraries, Archives and Documentation Centres (IAML), von 1986 bis 2008 Quästorin der Allgemeinen Musikgesellschaft Zürich (AMG), von 1996 bis 2004 Mitglied der Commission Mixte des RILM, von 2004 bis 2010 Mitglied des Stiftungsrates der Kurt Leimer Stiftung und schliesslich, wie bereits erwähnt, ein Vierteljahrhundert lang (1994 – 2019) Generalsekretärin der IMS. Darüber hinaus war sie als beratendes Mitglied bei der Commission Mixte von RISM (seit 1994), beim Projekt «Universum der Musik» (seit 1997) und beim Staatlichen Institut für Musikforschung (SIM) Berlin (seit 2009) tätig. Schließlich war sie seit 2011 Mitglied im Council of Association bei RIdIM.

Dorothea Baumanns wissenschaftliche Arbeit umfasst ein breites Spektrum an Bereichen und Themen, darunter die Musik des Mittelalters und des Trecento; die Organisation von Wissen in Datenbanken; Themen der historischen und systematischen Musikwissenschaft und deren Verhältnis zueinander; Akustik, Aufführungspraxis sowie Organologie; Musikikonographie; Musiktheorie; Musikpsychologie; Musikphilosophie und interdisziplinäre Aspekte der Musik; Raumakustik und Musikwahrnehmung. Zudem engagierte sie sich stark für die Förderung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Vielfalt und Pluralität (sowohl in Bezug auf die Thematik als auch auf die Methodik) ihrer bemerkenswerten Forschungs- und Publikationstätigkeit muss als Ergebnis ihres intensiven und tiefgehenden Interesses an und der Auseinandersetzung mit aktuellen Diskussionen und Trends in der Musikwissenschaft verstanden werden – ungebrochen bis zu ihrem viel zu frühen Tod. Dabei hat sie sich nie auf die «Schlachtfelder der Positionen» zurückgezogen, was im Wesentlichen ihrer tiefen Überzeugung von der produktiven Kraft konstruktiver Diskussionen und Kompromisse geschuldet ist. In dieser Hinsicht ist Dorothea Baumann stets und unbeirrt dem Kernsatz von Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785) gefolgt: «Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.» Vor diesem Hintergrund ist Kurt von Fischers Charakterisierung von Dorothea Baumann als «die gute Seele des Zürcher Musikwissenschaftlichen Instituts und der Schweizer Musikwissenschaft» zu verstehen.

Die Stimme von Dorothea Baumann, die Dinko Fabris, ehemaliger Präsident des IMS, einmal als «lebendiges Gedächtnis des IMS» bezeichnet hat, ist am 29. August 2022 kurz vor Tagesanbruch verstummt, aber sie wird als herausragendes Beispiel und Vorbild für Anstand, Ehrlichkeit und Integrität in Erinnerung bleiben, die die grundlegenden Bedingungen des oben erwähnten kategorischen Imperativs von Kant sind, und als unerschütterliche Verfechterin einer beseelten musikwissenschaftlichen Haltung, die sich ihrer gesellschaftlichen Aufgabe nicht nur bewusst ist, sondern diese auch durch Musikforschung und Musikpraxis lebt.

Nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb

Vor einem halben Jahr fand in Zürich das Finale des Schweizerischen Jugendmusikwettbewerbs 2022 statt. Seit-her haben einzelne Preisträger*innen die Gelegenheit genutzt, Erfahrungen zu sammeln und das Gelernte zu vertiefen. Die Vorbereitung des Wettbewerbs 2023 ist bereits in vollem Gang.

Heinrich Baumgartner — Mit zahlreichen Vorspielen und einer eindrücklichen musikalischen Werkschau fand vom 28. April bis 1. Mai in Zürich der fulminante Schlusspunkt des diesjährigen Schweizerischen Jugendmusikwettbewerbs statt. Einmal mehr hatten fast 1500 Jugendliche im Alter von 8 bis 20 Jahren in den Kategorien Classica, Jazz&Pop, Free Space und Composition teilgenommen, der Löwenanteil in der Kategorie Classica. Ein paar Schnappschüsse aus den verschiedenen Kategorien sind unter «News» auf der Homepage des Wettbewerbs (https://sjmw.ch) zu finden. Einigen der Preisträger*innen winkten in der Folge des eigentlichen Wettbewerbs unter dem Namen «Follow-Ups» nachhaltige Möglichkeiten, um den musikalischen Horizont zu erweitern und Praxiserfahrungen zu vertiefen.

Ende Juni fanden ein Workshop mit dem Saxophonisten und Komponisten Daniel Schnyder sowie ein Kurs für spezielle Streicher-Ensembles mit Tina Strinning und Baiju Bhatt statt. Im August leitete Richard Dubugnon einen Meisterkurs in Basel und im September Oscar Bianchi in Arc-en-Senans den zweiten europäischen Meisterkurs, der in Zusammenarbeit mit der europäischen Union für Jugendmusikwettbewerbe durchgeführt wurde. An Preisträger*innen wurden Stipendien für Meisterkurse nach eigener Wahl sowie ein Stipendium für die Swiss International Music Academy auf der Musikinsel Rheinau im Juli 2022 oder 2023 vergeben. Ausserdem fand im August der Precollege-Kurs mit Maurice Steger im Rahmen der Gstaad Baroque Academy statt.

Im September 2022 traten Preisträger*innen des Wettbewerbs an den Bachwochen in Thun und in der Konzertreihe «Herbst in der Helferei» in Zürich auf. Coaching, Proben und zwei Konzerte für Preisträger*innen mit der Camerata Zürich sind im November 2022 geplant. Am Forum Musikalische Bildung des Verbands Musikschulen Schweiz werden im Januar 2023 weitere Preisträger*innen zu hören sein. Auf Preisträger*innen aus der Kategorie Jazz&Pop warten professionelle Tonaufnahmen in der ZHdK oder im Jazzcampus der Musik-Akademie Basel sowie ein Konzertauftritt in der Esse-Musicbar in Winterthur. Alle diese Angebote sind nur durch die intensive Zusammenarbeit mit Stiftungen, Ensembles und Veranstaltern denkbar, allen voran mit der Ruth Burkhalter-Stiftung zur Förderung junger Musiktalente und mit der Hirschmann Stiftung in Zug.

Die aktive Teilnahme an den meisten dieser Aktivitäten ist Preisträger*innen des Wettbewerbs vorbe-halten. Der – oftmals ebenfalls sehr lohnende – Besuch der Konzerte oder Meisterklassen als Zuhörer*in ist allerdings in vielen Fällen möglich. Detailangaben sind auf der Homepage des Wettbewerbs zu finden. Bei Fragen erteilt die Geschäftsstelle gerne Auskunft.

Nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb. Ein Anlass von dieser Grösse kann nicht von einem Tag auf den anderen organisiert werden. Bereits heute stehen die Orte fest, an denen das Finale ausgetragen wird, nämlich 2023 in Lugano, 2024 in La Chaux-de-Fonds und im Jubiläumsjahr 2025 in Zürich. Festgelegt sind auch die Anmeldeperioden für den Wettbewerb 2023: für Classica, Free Space und Composition 1. bis 27. November 2022, für Jazz&Pop 1. Dezember 2022 bis 15. Januar 2023. Details zum Ablauf des Wettbewerbs in den verschiedenen Kategorien, die in diesem Jahr zugelassenen Instrumente in der Kategorie Classica sowie Antworten auf oft gestellte Fragen finden sich im Internet.

Auch wenn der Wettbewerb von der Grösse und der Professionalität, der Organisation und der Beurteilung her schon lange nicht mehr mit den Anfängen zu vergleichen ist, gilt die Idee des Tonhalle-Dirigenten und Gründers des Wettbewerbs, Gerd Albrecht, bis heute, mit einem nationalen Musikfest einen professionellen Rahmen zu schaffen, in dem jugendliche Talente vor einem interessier-ten Publikum und renommierten Juror*innen zeigen können, was in ihnen steckt und erfahren können, wo sie im nationalen Vergleich stehen.

Geigenunterricht für Kleinkinder

Die Kalaidos Musikhochschule bietet seit 2021 in Kooperation mit dem Suzuki-Institut Schweiz und der Suzuki-Ausbildnerin Agathe Jerie eine Weiterbildung Musikpädagogik Suzuki-Methode an.

Annette Kappeler — Musikpädagog:innen mit Hauptfach Violine oder Viola können dort ihr Repertoire an Unterrichtsmethoden erweitern und nach Abschluss des Certificate of Advanced Studies (CAS) ihre Kenntnisse in Suzuki-Instituten oder Musikschulen einbringen.

Die ersten Studentinnen haben die Ausbildung abgeschlossen, und eine von ihnen, Alexandra Bissig, berichtet nun über ihre Erfahrun-gen.

Alexandra Bissig, warum haben Sie sich für eine Suzuki-Weiterbildung entschieden?

Nach dem Musikpädagogik-Studium wollte ich noch etwas ande-res kennenlernen und hatte schon einiges über die Suzuki-Methode gehört. Mein Ziel war vor allem, meine Unterrichtstätigkeit zu bereichern und neue Inputs zu erhalten – speziell für den Anfang auf der Geige mit kleinen Kindern.

Was unterscheidet die Suzuki-Methode von anderen musikpädagogischen Ansätzen?

Die grössten Unterschiede sind die folgenden: Die Kinder lernen am Anfang übers Gehör und das Nachahmen der Lehrperson, ohne Notentext. Der Einstieg ist bereits für Kinder ab ca. drei Jahren möglich, wogegen er an Musikschulen meist erst ab dem Primarschulalter üblich ist. Die Suzuki-Methode ist aber auch für fortgeschrittene Schüler:innen geeignet. Jede Woche findet Einzel- und Gruppenunterricht statt, in enger Zusammenarbeit mit den Eltern.

Wie zeitgemäss ist die Suzuki-Methode? Was muss man bei seiner Durchführung bedenken?

Die einzige Schwierigkeit sehe ich darin, dass heutzutage zum Teil beide Eltern berufstätig sind. So ist es schwieriger zu erreichen, dass z.B. die Mutter zuerst auch das Geigenspiel erlernt und bei jeder Unterrichtsstunde ein Elternteil dabei und Teil davon ist. Denn mit Einzel-, Gruppenstunden und dem Üben zuhause ist der Suzuki-Unterricht zeitintensiv. Ich denke aber, dass es dafür in jedem Fall eine Lösung und ev. Kompromisse gibt.

In welchem Kontext unter-richten Sie? Welche Aspekteder Suzuki-Methode können Sie dort einbringen?

Ich unterrichte an der Musikschule und konnte schon viele Aspekte des CAS Suzuki in meinen eigenen Unterricht einbringen und ihn dadurch abwechslungsreicher gestalten und mehr auf kleine Kinder zuschneiden. Das lässt sich gut miteinander verbinden, z.B. indem ich mit meinen Schüler:innen mehr über das Gehör und die Nach-ahmung arbeite statt immer nach Noten zu spielen. Es ist mit dem Vorgehen der Suzukimethode einfa-cher geworden, an einer schwierigen Stelle genau und detailliert zu ar-beiten.

Wie können Sie persönlich von dieser Ausbildung profitieren?

Ich konnte auf jeden Fall schon viel von der Ausbildung profitieren. Es fallen mir jetzt andere wichtige Aspekte auf, auf die ich im Unterricht achte. Es gibt ein strukturierteres System, wie beim Unterrichten vorgegangen wird, welche Schritte aufeinander folgen. Mit einigen Tipps aus dem CAS konnte ich auch für mein eigenes Übevorgehen profitieren.

Wie lässt sich die Weiterbildung mit einem Berufsleben als Musikpä-dagog:in verbinden?

Es ist nicht zu unterschätzen wie aufwändig die Ausbildung ist. Es gibt schriftliche Arbeiten zu erledigen. Und z.B. das Aufnehmen der einzelnen Stücke aus den Suzuki-Heften auf Video nimmt viel Zeit in Anspruch. Jede:r Teilnehmer:in beschäftigt sich mit der sogenannten Kleinkindertechnik, die es erlaubt, den Kindern so vorzuspielen, dass sie es mit ihren physiognomischen Voraussetzungen direkt nachahmen können. Die Stücke aus den Suzuki-Schulen, die mit den Kindern erarbeitet werden, werden dann in dieser Technik aufgenommen. Jedoch klappt es gut neben dem sonstigen Berufsleben, da die Aufgaben immer etappenweise abgegeben werden mussten. Auch die Wochenenden mit Präsenzunterricht konnten wir zusammen mit der Dozentin abmachen

> www.kalaidos-fh.ch/de-CH/Studiengaenge/CAS-Certificate-of-Advanced-Studies-Musikpaedagogik-Suzuki-Methode.

Digitales Archiv von Liszts Schriften

Ein Team deutscher, französischer und ungarischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler will alle Schriften Franz Liszts als kommentierte und frei zugängliche digitale Edition aufarbeiten.

Franz Liszt, 1858 Av Franz Hanfstaengl,SMPV

Das Projekt «Digitale Edition und thematische Erschliessung der Schriften von Franz Liszt (Liszt Schriften Digital)» wird von Rainer Kleinertz (Saarbrücken) gemeinsam mit Claudia Bamberg (Trier) und Dorothea Redepenning (Heidelberg) geleitet. Rainer Kleinertz gilt als einer der international renommiertesten Liszt-Forscher und hat seit 2006 einen Lehrstuhl für Musikwissenschaft an der Universität des Saarlandes inne.

Die digitale Umsetzung übernimmt das Trier Center for Digital Humanities; es forscht und arbeitet seit mehr als 20 Jahren unter anderem auf dem Gebiet der digitalen Edition.
Das Projekt ist zunächst auf eine Laufzeit von drei Jahren ausgelegt und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit mehr als einer halben Million Euro gefördert.

Ein Schweizer Idylliker

Das Basler Orchester I Tempi interpretiert Werke für Streichorchester von Rudolf Moser.

Kammerorchester I Tempi. Foto: zVg

Von dieser Musik könnte man gewiss sagen, dass sie schon alt war, als sie komponiert wurde. Sie ist verhalten, gemessen, gediegen und idyllisch. Beim Hören würde man zunächst auf einen Engländer tippen, der ein paar Lektionen bei Paul Hindemith genommen hat. Aber falsch! Ein Schweizer, geboren 1892 in Niederuzwil, aufgewachsen in Basel, unterrichtet u. a. in Leipzig wie Othmar Schoeck bei Max Reger. Später wirkte er als Chor- und Orchesterleiter sowie am Basler Konservatorium als Lehrer für Musiktheorie und Kompositionen. Zu seinen bekanntesten Schülern zählen Paul Sacher und Yehudi Menuhin. Sacher hat in seinen Anfangsjahren einiges von ihm aufgeführt. War’s das? Eine Lokalgrösse, ja. Er hatte offenbar, was er wollte, und konnte sich die Abstinenz von allem Modernen leisten. Sollen wir uns an den Komponisten erinnern? An Rudolf Moser, der 1960 in den Bergen bei Silvaplana tödlich verunglückte.

Im Schatten Schoecks werden seit einiger Zeit Schweizer Sinfoniker wie Fritz Brun oder Joseph Lauber erfolgreich wieder hervorgeholt – orchestrale Dramatiker. Daneben wirkt die Musik Mosers klassizistisch: Suiten, Divertimenti und – neben etlichen Solokonzerten – sogar ein Concerto grosso. Ja, da gibt es auch eine Spielmusik, mit leichter, aber sicherer Hand geführt, handwerklich sauber, ab und zu fugiert. Moser liebte das Kontrapunktische im Tänzerischen. Das Kammerorchester I Tempi aus Basel trägt’s unter der Leitung von Gevorg Gharabekyan beschwingt und stilsicher vor und begleitet das berückende Oboenspiel von Marc Lachat im späten Konzert von 1950. Eine kleine Entdeckung also, höchst angenehm anzuhören. Ich will sie nicht überbewerten, aber darüber hinaus bieten diese fünf Stücke Rudolf Mosers eine willkommene Ergänzung im Repertoire jedes Streichorchesters.

Rudolf Moser: Works for String Orchestra. Chamber Orchestra I Tempi; Leitung Gevorg Gharabekyan; Marc Lachat, Oboe. Genuin GEN 22773

Bachs Vorgänger

Eine ca. 15-minütige Festmusik als Alternative zu allzu bekannten Weihnachtswerken.

Noch immer sind die Werke von Johann Kuhnau (1660–1722) zu wenig bekannt und aufgeführt, obwohl der Vorgänger von Johann Sebastian Bach im Thomaskantorat Leipzig ein vorzüglicher Komponist war. Sein Œuvre, das einen grossen Einfluss auf Bach ausübte, stellte rein quantitativ dessen nicht gerade geringen kompositorischen «Output» in den Schatten. Heutzutage sind von Kuhnau aber leider nur noch ca. 30 Werke erhalten. Um diesen unterschätzten Komponisten und seine vielseitige Tonsprache wieder mehr zu würdigen, erscheinen im Verlag Breitkopf & Härtel in loser Folge nun sämtliche erhaltenen geistlichen Werke in schönen Urtext-Ausgaben.

Aktuell liegt mit der Weihnachtskantate O heilige Zeit eine ideale Festtagsmusik in kleiner Besetzung vor. Das ungefähr 15-minütige Werk nach einer Textvorlage von Neumeister ist mit vier Solisten (SATB) unter optionaler Mitwirkung des Chores und doppelt besetzten Streichern (zwei Violinen und zwei Bratschen) mit Continuo-Orgel leicht aufführbar und bietet eine willkommene musikalische Alternative zu allzu bekannten Werken für das Weihnachtsfest.

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Johann Kuhnau: O heilige Zeit. Kantate zum Weihnachtsfest für Soli, (Chor), Orchester, hg. von David Erler; Partitur, PB 32119, € 29.90; Klavierauszug vokal, EB 32119, € 13.90; Breitkopf & Härtel, Wiesbaden

Ein Quintett mozartscher Prägung

Ein reifes Meisterwerk neu aufgelegt, mit besonderer Berücksichtigung der letzten Entstehungsphase.

«Frühling» heisst die Assoziation, welche Brahms‘ Zeitgenossen, namentlich Clara Schumann, mit diesem Quintett verbanden. Sogar der Brahms gegenüber sonst ablehnend eingestellte Hugo Wolf gelangte beim Erklingen des ersten Satzes «in eine freie, sonnige Aue, worin sich’s an der Hand des kundigen Komponisten gar herrlich erging». Bereits 1860, gut zwanzig Jahre zuvor, hatte sich Johannes Brahms in der Gattung Streichquintett, damals mit zwei Violoncelli, versucht. Daraus wurden das Klavierquintett f-Moll op. 34a und die Sonate f-Moll für zwei Klaviere op. 34b.

Im Frühling 1882, in Bad Ischl, fühlte er sich der Gattung ganz gewachsen, und zwar in deren mozartscher Prägung mit zwei Bratschen. Entstanden ist ein Meisterwerk, welches heute an der Seite der Streichquintette von Wolfgang Amadeus Mozart seinen Platz hat. Kaum aus dem Druck, im Januar 1883, wurde es von namhaften Ensembles aufgeführt und vom Publikum in mehreren Musikmetropolen begeistert aufgenommen. Seine vollendete Form und der heitere Charakter, der nur an wenigen Stellen von elegischen oder dramatischen Passagen abgelöst wird, haben wohl zu diesem einmaligen Siegeszug beigetragen. Originell ist auch das Formexperiment der Kombination des langsamen Satzes mit dem Scherzo: Drei Grave-Teile (Zitat einer frühen Klavier-Sarabande) umrahmen zwei schnelle 6/8- bzw. Alla-breve-Abschnitte, auch sie eine frühere Gavotte für Klavier von Johannes Brahms.

Kathrin Kirsch, Professorin für Musikwissenschaft in Kiel und Betreuerin dieser Urtext-Ausgabe, hat sich bereits in früheren Schriften als Brahms-Spezialistin einen Namen gemacht. Ihr besonderes Augenmerk galt bei dieser Veröffentlichung dem späten Stadium der Werkentstehung, von der Stichvorlage zum Erstdruck. Vorabzüge, d. h. gedruckte Abzüge eines Werks vor der Herstellung und dem Vertrieb des Auflagendrucks, erlauben Rückschlüsse auf Brahms‘ Arbeitsweise in dieser späten Entstehungsphase. Handschriftliche Eintragungen zeigen, wie er kompositorisch differenzierte und den Notentext redaktionell vereinheitlichte. Dass beim Streichquintett Nr. 1 F-Dur op. 88 in diesem Prozess auch der Lektor Robert Keller und der Verleger Fritz Simrock eine gewichtige Rolle spielten, dokumentiert Kathrin Kirsch anhand zahlreicher Briefpassagen.

Das vorliegende Urtext-Stimmenmaterial ist nicht nur hervorragend recherchiert und kommentiert, es ist auch aufgrund des grossen Formats und des augenfreundlichen Schriftbilds gut lesbar. Auf eine technische Einrichtung mit Fingersätzen und Bogenstrichen wurde verzichtet. Zur Vermeidung von Panik beim Seitenwenden sind der erste und zweite Satz auf drei nebeneinanderliegende Seiten gedruckt. Das erleichtert das Einstudieren und die Aufführungen dieses technisch anspruchsvollen, aber wunderschönen Werks enorm!

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Johannes Brahms: Streichquintett Nr. 1 F-Dur op. 88, hg. von Kathrin Kirsch, Stimmen: HN 1482, € 35.00; Studienpartitur: HN 7482, € 12.00; G. Henle, München

Bild oben: wikimedia commons

Im halben oder ganzen Dutzend

Korbinian Bubenzer hat in der Edition Kunzelmann Bearbeitungen von sinfonischen Highlights, Camille Saint-Saëns‘ «Schwan» und dem Finale von Richard Strauss‘ «Don Quixote», herausgegeben.

Seit die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker oder die Philharmonischen Cellisten Köln ab den 1970er Jahren als institutionalisierte Klangkörper das Konzertleben mit innovativen Programmen aufmischten, sind zahlreiche Originalkompositionen und Arrangements für gross- und kleinbesetzte Celloensembles entstanden. Von Chopins Revolutionsetüde bis hin zu Mussorgskis Bilder einer Ausstellung existieren spektakuläre Bearbeitungen, und es dürfte eine Frage der Zeit sein, bis auch von Wagners Ring eine vollständige Fassung für Celloorchester erklingen wird.

Nun hat Korbinian Bubenzer, Cellist bei den Münchner Philharmonikern, beim Schweizer Verlag Edition Kunzelmann zwei eigene Bearbeitungen veröffentlicht. Die für 6 Violoncelli eingerichtete Nummer Der Schwan aus Camille Saint-Saëns‘ Karneval der Tiere lässt sich auch von Amateurspielern bewältigen. Die erste Stimme entspricht dem originalen Solopart, die Begleitung ist auf 5 Celli verteilt, wobei zweite und vierte Stimme die Beherrschung der Daumenlage voraussetzen und die dritte künstliche Flageoletts enthält. Das Begleitensemble kann auch grösser besetzt werden.

Ambitionierter ist die Bearbeitung für 12 Violoncelli des Finales aus der Tondichtung Don Quixote op. 35 von Richard Strauss. Auch hier ist die Cello-Solopartie unverändert geblieben. Die grosse Besetzung wird dem üppigen Klang des Originals voll gerecht und wird in dieser Besetzung ihre Wirkung beim Publikum nicht verfehlen.

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Camille Saint-Saëns: Le Cygne (Der Schwan), für 6 Violoncelli bearbeitet von Korbinian Bubenzer, Partitur, GM-1959, Fr. 15.00, Edition Kunzelmann, Adliswil
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Richard Strauss: Finale aus Don Quixote, für 12 Violoncelli, GM-1960, Fr. 22.60

Beide Arrangements können auf Youtube angehört werden:
Saint-Saëns (Concert Gautier Capuçon & Friends)  bei 25’45“
Strauss (Korbinian Bubenzer)

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