Neues von Johann Sebastian Bach
Gibt es das überhaupt? Ja und nein. Die Musik der vorliegenden Editionen für Holzbläser ist wohl bekannt, das Klanggewand ist neu.

Pieter Dirksen nähert sich mit Akribie und analytischem Geist der Rekonstruktion einer Triosonate, deren Endfassung uns als Orgeltriosonate e-Moll BWV 528 überliefert ist. Er merkt an, dass es sich bei dieser Sonate um den «einfachsten Fall» aller Orgelsonaten handle, die allesamt nicht als Originalkompositionen zu gelten haben, sondern aus Bearbeitungen schon vorher bestehender Instrumentalsätze hervorgegangen sind. Es ist zu hoffen, dass der Bearbeiter den Mut nicht verliert und auch die komplexeren Herausforderungen der übrigen fünf Sonaten annimmt, denn das vorliegende Resultat der Sonate Nr. 5 darf als äusserst gelungen bezeichnet werden.
Die Ausgabe bietet dank grosszügigem Stimmenmaterial verschiedene Aufführungsmöglichkeiten, wobei die wichtigsten jene in g-Moll (mit Oboe) bzw. in e-Moll (mit der terztransponierenden Oboe d’amore) sind. Historisch mit verschiedenen Quellen begründet, könnte auch mit einer französischen Oboe (a=392Hz, spielt in g-Moll) und Viola da gamba/Basso continuo im Kirchenton (a=465Hz, spielen in e-Moll) zusammen musiziert werden, was nach heutiger Gewohnheit (a=440Hz) zu einem klingenden Ergebnis in f-Moll führen würde … Bei aller Ehrfurcht vor Dirksens akribischen Recherchen ist es empfehlenswert, nach Studium der anderen Fassungen (und des informativen Rekonstruktionsberichtes!) da und dort alternative Oktavierungen und Ornamentierungen auszuprobieren und danach eigene Lösungen zu finden.
Einen gänzlich anderen Blick auf Bach bieten zwei Bearbeitungen für Bläserquintett, eine Besetzungserfindung der ausgehenden Klassik und somit, wie es scheint, nicht prädestiniert für Barockmusik. Die Auswahl des Präludiums und Fuge a 5 voci (b-Moll BWV 867) aus dem Wohltemperierten Clavier erweist sich aber als erfolgreich, da die Polyfonie und dialogisierende Gestalt der Komposition durch eine neue Komponente, diejenige der klanglichen Variation, bereichert wird und somit zur Verständlichkeit der Musik beiträgt. Der Bearbeiter Christian Vitalis verzichtet auf jegliche Angaben bezüglich Artikulation und Dynamik, hier ist eine differenzierende Ensemblearbeit vonnöten. Für kleinere Anpassungen in Stimmführung und Themenvollständigkeit sei ausserdem das Studium des Originals ausdrücklich empfohlen. Beim anderen Werk, Präludium und Fuge g-Moll BWV 885, bringt die Bearbeitung nicht denselben Gewinn, weil die originale Vierstimmigkeit nicht immer glücklich auf die fünf Instrumente übersetzt wird. So leidet die Darstellung einer konzisen Werkdramaturgie durch ein oftmals eher willkürlich anmutendes Hin und Her zwischen Flöte und Oboe. Zu hoffen ist auf weitere Bearbeitungen fünfstimmiger Werke aus Bachs Zyklus, da diese eine wirkliche Bereicherung des Repertoires bedeuten könnten.
Johann Sebastian Bach, Triosonate für Oboe (Oboe d’amore), Viola (Viola da gamba) und Basso continuo nach BWV 76/8 und 528, rekonstruiert von Pieter Dirksen, KM 2306, € 18.50, Breitkopf & Härtel
id., Präludium und Fuge b-Moll BWV 867, (Wohltemperiertes Klavier I), für Bläserquintett eingerichtet von Christian Vitalis, E.D. 11287, € 15.80, Edition Dohr, Köln
id., Präludium und Fuge g-Moll BWV 885, (Wohltemperiertes Klavier II), E.D. 11288, € 17.80