Bachs Geige auf Busonis Klavier
Die Erkenntnisse aus den verschiedenen Umarbeitungen und aus Busonis Einspielung auf Klavierrolle sind hier in einer neuen Ausgabe vereint.

Busonis Klavierbearbeitung der bachschen Chaconne für Violine solo zählt wohl zu den berühmtesten und meist gespielten Transkriptionen überhaupt. Nachdem man in der Nachkriegszeit und im Zuge der Hinwendung zur barocken Aufführungspraxis über solch «stilfremde» Übertragungen eher die Nase gerümpft hatte, ist gerade bei den jüngeren Pianisten und Pianistinnen Busonis Version wieder hoch im Kurs.
Ausgerechnet der legendäre Klaviertitan Eugène d’Albert, dem Busoni dieses Werk widmete, war allerdings nicht sonderlich angetan und schrieb ihm, ein Werk für Violine solo eigne sich nicht für eine Transkription für Klavier zu zwei Händen: «Die einzige Lösung findet sich meines Erachtens im brahmsschen Arrangement für die linke Hand allein.» Busoni selber dachte sogar noch an eine Version für grosses Orchester, erkannte aber, «dass die Chaconne für einen grossen Apparat nicht ausreicht – sie verliert an Grösse.-Für Clavier klingt sie immer noch am homogensten.» Zeichensetzung? Im Grunde hört man aus dieser Klavierfassung aber nicht den Klang einer Violine, sondern eher die Pracht einer Orgel heraus.
Seine Chaconne hat Busoni mehrmals umgearbeitet und auch auf einer Klavierrolle eingespielt. Alle daraus resultierenden Einsichten hat der G. Henle-Verlag nun in einer mustergültigen Neuausgabe vereint, zusammen mit kongenialen Fingersätzen des kanadischen Virtuosen Marc-André Hamelin.
Kleiner Zusatztipp: Die letzten acht Takte klingen doch wohl am überzeugendsten in Busonis Aufnahmeversion: ganz ohne Arpeggien, mit schlichten, aber vollklingenden Akkorden.
Ferruccio Busoni, Chaconne aus der Partita Nr. 2 d-Moll von Johann Sebastian Bach, Bearbeitung für Klavier, hg. von Norbert Müllemann, HN 557, € 12.00, G. Henle, München 2014