Rachmaninow in Luzern

In den 1930er-Jahren fand der vielgereiste Pianist, Komponist und Dirigent Sergei Rachmaninow eine Zeit lang Ruhe und Erholung in Hertenstein. Mit einer Sonderausstellung bietet das Hans-Erni-Museum die Gelegenheit, sich dem Künstler und seiner Zeit zu nähern.

Sergei Rachmaninow an seinem Klavier in der Villa Senar, 1930er-Jahre. Foto: Archiv Lucerne Festival, Luzern

Das Gute an Jubiläen ist, dass wieder einmal etwas in Bewegung gerät. Die Villa Senar, ein herrschaftliches Gebäude im Bauhaus-Stil inmitten einer grossen Parkanlage in Hertenstein, war bis vor Kurzem in Privatbesitz. Seit April 2022 gehört die Liegenschaft dem Kanton Luzern. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten ist sie just zum 150. Geburtstag Rachmaninows (1873–1943) zeitweise für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Serge Rachmaninoff Foundation betreut das Haus und organisiert Veranstaltungen im In- und Ausland.

In diesem Zusammenhang wurde dem Staatsarchiv Luzern auch der Nachlass übergeben, was Luzern für Forscherinnen und Forscher zu einem Rachmaninow-Brennpunkt macht. Das Ordnen und Digitalisieren ist eine aufwendige Sache, um die sich das Staatsarchiv vorbildlich kümmert. In einer Ausstellung, die zurzeit im Hans-Erni-Museum gezeigt wird, bekommt man einen Einblick in diese eindrückliche Hinterlassenschaft.

Reisekoffer, Gartenkleider und Fotos

Das Hans-Erni-Museum steht auf dem Areal des Verkehrshauses Luzern. Die Sonderausstellung zu Sergei Rachmaninow befindet sich in der obersten Etage des imposanten Rundbaus. Von Weitem sieht man eine grosse Vitrine, in der ein Reisekoffer des Virtuosen zu sehen ist und seine Originalkleidung, die er gerne bei der Gartenarbeit trug. Rachmaninow war von 1932 bis 1939 in Hertenstein, die Villa Senar war sein Rückzugsort von den anstrengenden Konzertreisen, hier konnte er auch in Ruhe komponieren. Auf diese Zeit fokussiert die Ausstellung.

Heinz Stahlhut, der Leiter des Hans-Erni-Museums, hat sie kuratiert. Den Orten Luzern und Hertenstein in den 1930er-Jahren hat er ein umfangreiches Kapitel gewidmet. Leihgaben aus dem Verkehrshaus, dem Regionalmuseum Weggis und aus Privatbesitz zeigen auf, wie attraktiv Hertenstein damals für den internationalen Tourismus war. Ein anderes Kapitel dreht sich um Architektur, Planung und Ausführung der Villa Senar durch Alfred Möri und Karl Friedrich Krebs. Grundrisspläne, Dokumente und Fotos geben Einblick in die Arbeit dieser fortschrittlichen Luzerner Architekten, die 1933/35 auch die Lukaskirche bauten.

Programm IV. Symphonie-Konzert, Internationale Musikalische Festwochen, Luzern, Ernest Ansermet und Sergei Rachmaninoff, 11.08.1939. Programmblatt, Dokumentationsbibliothek Walter Labhart, Foto: © Andri Stadler, Luzern

Rachmaninow war in erster Linie als Virtuose auf Tournee, auch während seiner Zeit in Hertenstein. Konzertprogramme und Plakate aus aller Welt sind in der Ausstellung zu sehen, insbesondere aus der Carnegie Hall New York und aus Paris. Hier darf auch Rachmaninows einziger Auftritt an den Internationalen Musikfestwochen Luzern nicht fehlen. Am 11. August 1939 spielte er unter der Leitung von Ernest Ansermet Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 in C-Dur, und seine eigene Rhapsodie sur un thème de Paganini für Klavier und Orchester op. 43.

Es sind in dieser Ausstellung vor allem die schön präsentierten historischen Fotos von Rachmaninow, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Man sieht ihn entweder bei der Arbeit am Flügel oder in privater Runde. Ein Blickfang sind auch die zahlreichen, auch russischen Ausgaben von Rachmaninows wohl populärstem Klavierstück, dem Prélude cis-moll op. 3 Nr. 2. Sie stammen aus der Dokumentationsbibliothek von Walter Labhart. Alte Schellackplatten zeugen von einer anderen Zeit der Aufnahmetechnik.

Variationen, Essays und Veranstaltungen

Als Rachmaninow nach Luzern kam, war er in einer Schaffenskrise. Erst nach langer Pause voller künstlerischer Selbstzweifel fand er zu seiner Kreativität zurück. In Hertenstein schrieb er die Variations sur un thème de Corelli op. 42, die Paganini-Rhapsodie und seine dritte Sinfonie op. 44. Neben interessanten Ausgaben dieser Werke ist etwa die Dirigierpartitur der Paganini-Rhapsodie des namhaften Dirigenten Willem Mengelberg zu sehen, versehen mit dessen Eintragungen. Alle drei Werke kann man im Erni-Museum auch anhören.

Ein Katalog zur Ausstellung vertieft Rachmaninows Zeit in Luzern essayistisch. Darin gibt etwa Karl Bühlmann Einblicke in Luzerns Kunstleben der Dreissigerjahre, Elger Nies trägt Indischer Sommer am Vierwaldstättersee bei und Graziella Contratto macht einen Versuch über das grosse Glück, Rachmaninows Musik und der See. Er ist reich bebildert und mit einer Biografie, einer Bibliografie und einer Werkliste versehen.

 

H. Friebel-Sahli: Villa Senar. Gartenfront, 1934. Foto: Stadtarchiv Sursee

Verkehrshaus Luzern, Hans-Erni-Museum, noch bis am 14. Januar 2024.
Der Katalog ist auch digital erhältlich: heinz.stahlhut@verkehrshaus.ch
23. 11. 2023, 18 Uhr: Ausstellungsgespräch zur Villa Senar
14. 1. 2023, 14 Uhr: Finissage-Konzert mit den Corelli-Variationen (Tommaso Carlini)

Serge Rachmaninoff Foundation: https://rachmaninoff.ch

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