Kommentar: Basel diskutiert die Verteilung öffentlicher Musikfördergelder

Die IG Musik Basel hat im letzten Dezember die Studie «Konzertbesuche und musikalisches Angebot in Basel-Stadt und Basel-Landschaft» veröffentlicht. Ein Kommentar.

Dienstleistungen wie Bühnen, Probenräume, Aufnahmestudios, Orchester oder Konzerthäuser (hier das Treppenhaus im Stadtcasino Basel) sollten offen sein für Produktionen aller Stilrichtungen. Foto: Roman Weyeneth

Die klassische Musik beansprucht den mit Abstand grössten Anteil an öffentlichen Fördermitteln. Das hat historische Gründe: Die städtischen Konzertsäle, Opernhäuser und Sinfonieorchester repräsentieren auch heute noch vor allem die tonangebenden politischen und wirtschaftlichen Eliten. Die meisten öffentlichen Gelder werden dabei von Infrastrukturen, Unterhalt und Löhnen gebunden. Lange Zeit schien dies unbestritten. Mittlerweile ist das Missverhältnis zwischen Kosten und gefühlter gesellschaftlicher Relevanz der klassischen Musik aber so offensichtlich, dass immer mehr die Frage gestellt wird, ob da nicht mit viel Aufwand eine Kultur am Leben gehalten werde, die immer mehr an Wichtigkeit verliert und bloss noch die ästhetischen Bedürfnisse einer exklusiven Minderheit bedient.

Eine Studie des Forschungsinstituts Ecoplan und der Universität Basel hat die ungleiche Verteilung untersucht. Sie beleuchtet die Situation mit Blick auf die kantonale Basler «Initiative für mehr Musikvielfalt», über die am Rheinknie im Herbst abgestimmt werden dürfte. Die Studie stellt zunächst einmal fest, dass die Klassik «mit 90 Prozent des öffentlichen Musikbudgets unterstützt» wird. Für alle andern Stilrichtungen zusammen bleibe das restliche Zehntel. Das widerspreche, schreibt die IG Musik Basel, die hinter der Initiative steht, in einer Medienmitteilung, dem Kulturfördergesetz, das dem Kanton den Auftrag gebe, vielfältig zu fördern. Auch das Kulturleitbild 2020–2025 lege als Ziel fest, alle Genres «angemessen zu unterstützen».

Die Studie beschränkt sich allerdings auf Angaben zum Musikkonsum. Am häufigsten wünschen sich die Befragten, vor allem die jüngeren, mehr Konzerte im Bereich Pop, Rock, Punk, Metal, Hip-Hop, Rap und R&B. Konzerte des Sinfonieorchesters Basel haben einen Anteil von 15 Prozent an allen besuchten Anlässen. Dem stehe gegenüber, dass Basel-Stadt 74 Prozent des gesamten Musikbudgets in das Sinfonieorchester investiere.

Teilhabe, Relevanz und Öffnung

So weit so klar. Weniger eindeutig wird die Sache, wenn danach gefragt wird, ob unabhängig von der konkreten Nutzung der Konzertangebote die Klassikförderung als sinnvoll betrachtet wird. Einen interessanten Hinweis gibt da eine deutsche Untersuchung, der Relevanz-Monitor des Liz-Mohn-Centers und des Instituts für Kulturelle Teilhabeforschung. Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen ist demzufolge «voll und ganz bzw. eher der Meinung, dass Angebote in Theaterhäusern (Sprechtheater, klassische Konzerte, Musicals, Oper, Ballett, Tanz) für kommende Generationen erhalten bleiben sollen, selbst wenn sie diese selber kaum oder gar nicht nutzt».

Legitimiert wird die «Hochkultur» von der deutschen Bevölkerung also nicht mit der konkreten Inanspruchnahme, sondern mit der kulturellen Relevanz. Man kann davon ausgehen, dass die Resultate in der Schweiz ähnlich ausfallen würden. Ein weiteres interessantes Ergebnis des Monitors: Jüngere Befragte unter 30 Jahren sagten «überdurchschnittlich häufig, dass sich Angebote in Theaterhäusern nicht an Menschen wie sie richten, sie sich dort fehl am Platz fühlen und nicht wissen, wie sie sich dort richtig verhalten sollen».

Die Basler Initiative für mehr Musikvielfalt fordert, dass «das freie, nicht-institutionelle Musikschaffen künftig mit mindestens einem Drittel des jährlichen Musikbudgets» unterstützt werden muss. Zum freien Musikschaffen gehören aber auch Projekte der Klassik. Eine Annahme der Initiative müsste deshalb keineswegs dazu führen, dass Pop, Rock, Rap und so weiter verstärkt gefördert würden.

Immobilien und Arbeitsplätze kann man nicht einfach so zurückbauen. Will man die Benachteiligung von Pop, Rock, Rap und so weiter in den öffentlichen Fördertöpfen aufheben, kann die Lösung nur heissen, dass man Bühnen, Probenräume, Orchester, Aufnahmestudios und weitere Dienstleistungen, die nach wie vor praktisch ausschliesslich der Klassik zudienen, für die Produktionen aller Stilrichtungen öffnet. Das wäre auch staatspolitisch konsequent. Die öffentliche Hand sollte die neutralen Produktionsmittel zur Verfügung stellen und nicht Stile favorisieren.

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