Licht über Schatten
Dieses Duo für zwei Querflöten von Michael Schneider verbreitet mit modernen Spieltechniken eine hoffnungsvolle Stimmung.

Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager hat der Pan-Verlag 2015 die Komposition Licht über Schatten für zwei Flöten des Komponisten Michael Schneider (*1964) veröffentlicht. Schneider, dessen Werk von Kammermusik, Vokalmusik bis hin zu Orchesterwerken reicht, erhielt schon während seiner Gymnasialzeit wichtige Anregungen bei János Tamás und studierte dann bei Dimitri Terzakis in Bern Komposition.
Licht über Schatten entstand bereits 1993 in einem Meisterkurs Komposition von Edisson Denissow während den Internationalen Musikfestwochen in Luzern, wo es noch im selben Jahr von Kathrin Rengger und Katja Marty uraufgeführt wurde. Der Komponist hat das Duo Elfriede Frank, der zweiten Ehefrau des Vaters von Anne Frank gewidmet, die selbst den Holocaust überlebte, aber ihren Mann und ihre drei Kinder verlor. Er beschreibt sie im Vorwort als vitale und aufgeschlossene Frau, über deren Leben durch den Verlust dieser Familienmitglieder ein Schatten blieb. Ein Gedicht des unter Stalin verfolgten Lyrikers Ossip Mandelstam (1891–1938) mit dem Titel In weite Ferne ist dem Stück als Motto vorangestellt. Ohnmacht und Gewalt auf der einen Seite stehen Hoffnung, Menschlichkeit und der Kraft der Poesie auf der anderen Seite gegenüber.
Der Komponist beschreibt in dem Duo mit leisen, luftdurchsetzten, zerbrechlich wirkenden Tönen eindrucksvoll Stimmungen, die inspiriert sind vom Schicksal verfolgter Menschen. Das Stück beginnt dunkel und geheimnisvoll in der tiefen Lage, wird aber im weiteren Verlauf durch die Ausweitung und Verlagerung des Tonumfangs in die zweite und dritte Oktave der Flöten, die sich im Wechselspiel beleuchten, immer heller, bewegt sich dynamisch aber immer noch im leisen Bereich zwischen pp und mf. Es kommen immer mehr Farben in den Dialog der beiden Querflöten, zunächst durch eine Flageolettmelodie in beiden Stimmen, die sich in der Oberstimme oft abwechseln, und dann noch durch gleichzeitige Multiphonics in beiden Stimmen, die fast wie Sphärenklänge tönen, wenn auch das Stück immer wieder in die tiefe Lage zurückkehrt. Der Schluss des Duetts ist frei mit Whistletönen gestaltet und erinnert an ein Flüstern der Stimmen. Licht über Schatten macht nachdenklich und ist ein eindrucksvoller Dialog, in dem durch die Klangfarben der Flöten hoffnungsvolles Licht über Schatten geworfen wird.
Michael Schneider, Licht über Schatten, für zwei Flöten, PAN 360, € 9.00, Pan, Basel/Kassel 2015