Quintett-Raritäten aus der Schweiz

Kaum bekannte Werke für Streichquartett mit Klavier oder Streichquintett von Gustave Doret, Fritz Bach und Frank Martin, entstanden um 1920.

Gustave Doret, im Buch «Die Schweiz im neunzehnten Jahrhundert, hg. von schweizerischen Schriftstellern unter Leitung von P. Seippel», 1899. Quelle: British Library/Wikimedia commons

Es ist immer erfreulich, auf CDs mit Kompositionen zu stossen, von deren Existenz man höchstens aus Werkverzeichnissen oder Lexika Kenntnis hatte. Eine solche Aufnahme ist Quintettes suisses mit zwei Weltpremieren von Gustave Doret und Fritz Bach für Klavier und Streichquartett sowie einem Werk für Streichquintett des jungen Frank Martin, die sich Liebhaber von opulenter spätromantischer Kammermusik mit Vergnügen anhören werden. Gespielt werden diese Stücke vom Melos-Ensemble Wien und dem italienischen, in der Westschweiz tätigen Pianisten Adalberto Maria Riva. Ein Cellist des Wiener Ensembles ist Christophe Pantillon, der einer bekannten Schweizer Musikerfamilie entstammt. Die Interpretationen aller drei Werke sind hervorragend, inspiriert, temperamentvoll und klangschön. Ein besonderes Lob gebührt dem Pianisten, dem in den zwei Klavierquintetten eine überaus prominente und anspruchsvolle Rolle zukommt.

Adalberto Maria Riva. Foto: zVg

Dorets Quintett ist 1925 auf Anregung des berühmten polnischen Pianisten, Komponisten und Politikers Ignacy Paderewski entstanden. Gustave Doret (1866–1943) ist zwar kein unbekannter Komponist, sein Ruhm beruht aber eher auf seinen Bühnenmusiken für das Théâtre du Jorat im waadtländischen Mézières, der Musik zu zwei Fêtes des Vignerons sowie seinem reichen Liedschaffen. In Aigle geboren, studierte Doret zunächst bei Joseph Joachim in Berlin, anschliessend in Paris bei Jules Massenet und Théodore Dubois. Als Dirigent hob er 1894 Debussys frühes Meisterwerk Prélude à l’après-midi d’un faune aus der Taufe. Seine eigene Musik ist aber eher von Fauré als vom Impressionismus beeinflusst.

Etwas früher komponiert, nämlich 1918, wurde das Poème von Fritz Bach (1881–1930), eigentlich Frédéric Henri Bach, der in Paris geboren wurde, seine Schulzeit und ein Theologiestudium in Lausanne absolvierte, ehe er in der französischen Hauptstadt bei Charles Widor und Vincent d’Indy Komposition und bei Alexandre Guilmant und Louis Vierne Orgel studierte. Zurück in der Schweiz unterrichtete er in mehreren Städten am Genfersee und komponierte hauptsächlich geistliche Musik. In gewisser Weise könnte man sogar sein fast 40-minütiges Klavierquintett dazu zählen: In fünf Sätzen (Jeunesse; Amour; Bonheur; Douleurs, Tristesses; Luttes) wird ein ganzes Menschenleben mit Höhen und Tiefen geschildert. Im letzten Satz tritt zuerst der Psalm 130 in Erscheinung (Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir), bevor der Choral Was Gott tut, das ist wohlgetan dem Leben einen versöhnlichen Ausklang beschert. Musikalisch wird all dies mit relativ einfachen, aber überzeugenden Mitteln umgesetzt, die stilistisch von der französischen Spätromantik beeinflusst sind.

Wie Jacques Tchamkerten in seinem kenntnisreichen Booklettext zu Recht bemerkt, ist Frank Martins Pavane couleur du temps (1920) von Ravels Ma Mère l’Oye und von der Begeisterung für das Frankreich von Louis XIV inspiriert. Der Titel bezieht sich auf Charles Perraults Märchen Peau d’âne, das wir als Allerleirauh kennen. Noch ist wenig oder nichts von Martins Reifestil zu erkennen, aber eine erste Talentprobe, die sehr gut zu den beiden Klavierquintetten passt, ist es allemal.

Quintettes suisses. Œuvres de Gustave Doret, Frank Martin, Fritz Bach. Melos Ensemble de Vienne; Adalberto Maria Riva, piano. Harmonia Helvetica, Cascavelle VEL 1677

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