Liebesbriefe und Philosophisches

Vokalzyklen mit Orchester aus frühen und späten Schaffensperioden Heinrich Sutermeisters.

Heinrich Sutermeister 1982. Foto: Hans Müller/wikimedia commons

Die Musikwissenschaftlerin Antje Müller schreibt in einem Artikel über Heinrich Sutermeister, in dem sie den Komponisten ziemlich eindeutig als Nazi-Mitläufer charakterisiert, dass bei der Betrachtung «konformer» Musik aus Deutschland zwischen 1933 und 1945 nicht die «ohnehin meist dürftige Musik untersucht werden müsste», sondern die Rezeption, da die Musik allein kaum das ganze assoziative Beiwerk vermitteln würde. Damit wird sie der Musik des 1910 in der Nähe von Schaffhausen geborenen und 1995 in seiner Wahlheimat am Genfersee gestorbenen Komponisten nicht gerecht.

Tatsache ist aber, dass Sutermeister, der in München unter anderem bei Walter Courvoisier und beim erzkonservativen Hans Pfitzner studiert hatte und zu dessen Freunden Carl Orff und Werner Egk gehörten, die dem NS-Regime sehr nahestanden, mit Blindheit geschlagen schien, was Leben und Politik in Deutschland betraf. Zwei seiner Opern wurden 1940 und 1942 in Dresden mit Erfolg uraufgeführt, eine dritte, für Berlin geschriebene konnte nur aufgrund der Kriegsereignisse nicht gespielt werden. Dass im Booklet der neuen Toccata-Classics-CD diese Problematik mit keinem Wort erwähnt wird, mutet seltsam an, wird Othmar Schoeck doch für seine mangelnde Distanz zum nationalsozialistischen Staat regelmässig kritisiert.

Die CD enthält die grossen Vokalzyklen Sutermeisters sowie eine Arie aus der Oper Romeo und Julia (1940). Es ist keine Frage, dass der Komponist sein Handwerk verstand und auch einen persönlichen Stil entwickeln konnte, der von der deutschen Spätromantik ausgeht und der Tonalität und der herkömmlichen Instrumentation treu bleibt, wobei das Cembalo einige ungewohnte Farbtupfer beisteuern darf. Erstaunlich ist, dass die Sieben Liebesbriefe für Tenor und Orchester von 1935 klanglich nicht Welten von den Sechs Liebesbriefen für Sopran und Orchester von 1979 entfernt sind. Eigentlich ist die Textwahl originell: Es sind Liebesbriefe aus dem 16. und 18. Jahrhundert von zumeist bekannten Persönlichkeiten und Dichtern, die ganz unterschiedliche Gemütslagen schildern. Das Problem ist die Fülle an Text, die zumindest ohne Booklet in der Hand nicht immer verständlich ist und auch etwas langatmig wirkt. Das gleiche trifft auf die Consolatio philosophiae für hohe Stimme und Orchester auf lateinische Texte des römischen Philosophen Boethius zu, die zum Andenken an Ernest Ansermet entstanden ist und 1979 von Peter Schreier in Genf uraufgeführt wurde.

Trotz kompetenter Interpretationen durch die Sopranistin Juliane Banse, den Tenor Benjamin Bruns und die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Rainer Held ist die CD kein feuriges Plädoyer für erneute Konzertaufführungen dieser Werke.

Heinrich Sutermeister: Orchestral Music Vol. 2, Works for Voice and Orchestra. Juliane Banse, soprano; Benjamin Bruns, tenor; Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz; Rainer Held, conductor. Toccata Classics TOCC 0608

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