Warnsignal Schmerz

Weniger Spielen kann bei akuten Schmerzen schon helfen. Chronische Schmerzen zwingen zum Überdenken ganzer Lebenskonzepte. Dies ist meist nur mit fachlicher Hilfe machbar.

Martina Berchtold-Neumann — In der musikermedizinischen Sprechstunde ist das Thema Schmerz leider sehr häufig und ein Leitsymptom bei einem Grossteil musikerspezifischer Erkrankungen. Zu unterscheiden ist zwischen einem akuten und einem chronischen Schmerz. Die IASP (International Association for the Study of Pain) beschreibt folgende Unterschiede: Dem akuten Schmerz kommt eine Warn- und Schutzfunktion zu. Er ist in der Regel an erkennbare Auslöser gekoppelt, meist umschreibbar lokalisiert und wird von autonomen sowie endokrinen Aktivierungs- und Stressreaktionen begleitet. Von chronischen Schmerzen spricht man ab einer Dauer von drei bis sechs Monaten. Sie können sowohl im Zusammenhang mit einer anhaltenden Erkrankung als auch abgelöst von strukturellen Veränderungen als eigenständige Erkrankung auftreten.

Chronische Schmerzen prägen zunehmend die Lebensgestaltung. Kennzeichnend sind die komplexen biologischen, psychischen und sozialen Interaktionen. Ein akuter Schmerz löst meist angemessene Verhaltensweisen auf. Der Gang zum Arzt kann dafür sorgen, dass sich jemand um diese Leiden kümmert. Durch die Chronifizierung verliert der Schmerz hingegen seine positive protektive Wirkung. Das Leben mit dem Schmerz wird zum Normalzustand mit der Gefahr einer resignativen Lebenseinstellung. Die Therapie von chronischen Schmerzen erfordert Geduld und Ausdauer sowie ein multimodales und interdisziplinäres Vorgehen.

Der Schmerz birgt zwei Aspekte in sich – einerseits ist er eine Sinneswahrnehmung, andererseits ein Affekt. Man kann vom Schmerz nicht sprechen, ohne zugleich das Widrige in ihm anzusprechen – er ruft die Motivation hervor, ihn schleunigst loszuwerden. Ausserdem ist der Schmerz ein Tyrann. Meist ohne grosse Vorankündigung bricht er in unser Leben ein und macht sich darin breit. Ab diesem Moment okkupiert er unsere Existenz. Er nimmt uns gefangen.

Epidemiologische Studien ergeben ein recht einheitliches Bild: 40 bis 60 Prozent der Orchestermitglieder und Instrumentallehrpersonen an Musikschulen leiden unter Rückenschmerzen, die die Musikausübung beeinträchtigen. Aber auch bereits Studierende leiden unter körperlichen Beschwerden. Es ist davon auszugehen, dass mindestens 45 Prozent von ihnen wegen musikerspezifischer gesundheitlicher Probleme eine Sprechstunde aufsuchen.

Die Therapie von Schmerzen

Bei der Schmerzentstehung und -chronifizierung wirken körperliche und psychische Fehlfunktionen zusammen. Der Schmerz macht die Leistungsgrenzen sichtbar. Wurde der eigene Körper bis anhin instrumentalisiert, um musizieren zu können – oft auch gegen offensichtliche physische Warnsignale – so tritt er selbst in den Mittelpunkt und fordert «sein Recht». Musikerinnen und Musiker müssen sich also selbstreflektierend auf sich beziehen und Übepraktiken, Verhaltensweisen, Gewohnheiten und Verpflichtungen kritisch hinterfragen. Es sind dies unter anderem Fragen nach dem Selbstkonzept, der Leistungsorientierung und der Einstellung zum Musikberuf. Während bei akutem Schmerz etwa eine temporäre Abstinenz oder Reduktion des Instrumentalspiels erfolgreich sein kann, fordert der chronische Schmerz ein viel prinzipielleres Umdenken des gesamten Lebenskonzeptes. Dies ist meist nur mit Unterstützung von Fachpersonen aus den Bereichen der Medizin, der Psychologie, der Physiotherapie und anderer Therapierichtungen zu bewerkstelligen.

Die Schweizerische Gesellschaft für Musik-Medizin (SMM) verfügt schweizweit über solch einen Pool von Fachpersonen, die je nach individueller Problemlage hinzu gezogen werden können. Einen Einblick in das Thema gibt ausserdem das diesjährige Symposium «Warnsignal Schmerz» in Luzern. Hier werden die wichtigsten aktuellen Sichtweisen und Erfahrungen, auch aus unseren Musikersprechstunden vorgestellt und diskutiert.

 

Martina Berchtold-Neumann

… ist Diplompsychologin FSP und Präsidentin SMM

Cette année, le symposium de la SMM sera consacré à « la douleur comme signal d’alarme ». Il aura lieu le 27 octobre à Lucerne.

> www.musik-medizin.ch

Kultureinrichtungen müssen sich öffnen

Die Deutsche Unesco-Kommission und die Bertelsmann Stiftung haben die Rolle der Künste für das Zusammenleben in Vielfalt untersucht. Sie regen an, dass die Kultureinrichtungen die politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, die mit Migration, Integration und Vielfalt verbunden sind, gezielter im Repertoire abbilden.

Foto: Jerzy Sawluk/pixelio.de

Die Studie «Kunst in der Einwanderungsgesellschaft» von Burcu Dogramaci und Barbara Haack wird anlässlich des Unesco-Welttages der kulturellen Vielfalt für Dialog und Entwicklung am 21. Mai veröffentlicht.

Damit Kultureinrichtungen sich auf die Bedingungen einer Migrationsgesellschaft einlassen können, bedürfe es passender Strukturen und Rahmenbedingungen, erklärt dazu Christine M. Merkel, Leiterin des Fachbereichs Kultur der Deutschen Unesco-Kommission. Kultur-Einrichtungen bräuchten langfristig Förderung und Planungssicherheit. Dann sei es möglich, andere Repertoires zu spielen und Ensembles vielfältiger zu besetzen. Es gehe nämlich nicht nur um Kunst für Migranten, sondern auch um Kunst von und mit Migranten.

Die zentralen Empfehlungen der Studie: Es lohnt sich, das vorhandene interkulturelle Angebot der öffentlich geförderten Kunst- und Kultureinrichtungen weiter auszubauen und erfolgreiche Angebote zu verstetigen; spezielle Ressourcen zur Förderung künstlerischer Kompetenz und Selbstorganisation sollten die Zugangshürden für Künstler mit Migrationshintergrund abbauen; langfristig angelegte Förderstrukturen sind dabei die Basis für die Umsetzung innovativer Projekte.

Bauen war immer

Der Neubau einer Musik-hochschule ist hochspannend und anspruchsvoll. Man muss das Gebäude nicht nur denken, sondern auch hören. Einblicke in die Entstehungs-prozesse von Räumen an den Schweizer Musikhochschulen.

Stephan Schmidt — An zwei Orten, mitten in der Altstadt Basels, ist während der letzten Jahrzehnte eine Art institutionelles Gesamtkunstwerk für musikalische Bildung entstanden. Seit der Grundsteinlegung im Jahr 1903 mit dem Neubau des Hauptgebäudes und des grossen Saals an der Leonhardsstrasse wurde kontinuierlich weiter verbessert, umgebaut, wurden neue Gebäude hinzugewonnen, Nutzungskonzepte immer wieder verändert und optimiert. Pflege, Weiterentwicklung und Ausbau folgten dabei stets dem für alle Beteiligten gleichermassen gültigen Streben nach ständiger Verbesserung und zeitgemässer Qualität. Da sich die Musik selbst, die Bedingungen für ihre Produktion und Vermittlung, die Anforderungen an die Aufführungspraxis und damit einhergehend die Strukturen der Ausbildung und Vermittlung ständig ändern, sind bauliche Veränderungen immer auch begleitende Zeichen dieses kontinuierlichen inhaltlichen Wandels: Die Eröffnung der Vera Oeri-Bibliothek (2010), des Jazzcampus (2014) sowie der Umbau des Grossen Saals (2017) waren wichtige Meilensteine der institutionellen Entwicklung und Zeichen dafür, dass den vielfältigen Bedürfnissen und Anforderungen von Musikschulen, Instituten und Musikhochschulen in den Bereichen Lehre, Forschung und öffentliche Veranstaltungen gleichermassen Raum und Gewicht gegeben wird. Mit ca. 1000 gut besuchten Veranstaltungen pro Jahr und der zentralen Lage mitten in der Stadt gehört die Musik-Akademie Basel auch zu den wichtigsten Kulturträgern Basels.

Stephan Schmidt

… ist Direktor der Musik-Akadmie Basel und der Musikhochschulen FHNW

Xavier Bouvier — Projet majeur pour l’art musical en Suisse romande, la Cité de la Musique de Genève entre dans sa phase de projet définitif. Sélectionné à l’issue d’un concours d’architecture international, le projet Résonances des architectes Pierre-Alain Dupraz et Gonçalo Byrne sera mis en œuvre à l’horizon 2024, date prévue de l’ouverture de cette ambitieuse et généreuse infrastructure. À l’instar de nombreuses structures similaires d’autres villes (Helsinki, La Haye, Londres, etc.) la Cité regroupera en un seul lieu des infrastructures de production et d’enseignement. Son programme de salles publiques se décline principalement en une salle symphonique de 1750 places – dédiée à l’Orchestre de la Suisse Romande et à des orchestres invités – un grand studio, et une salle expérimentale « blackbox ». Largement ouvert au public, le bâtiment comprendra également une bibliothèque, des espaces de restauration et de médiation, et l’ensemble du programme de salles d’enseignement de la Haute école de musique de Genève. La cohabitation dans un même lieu des musiciens professionnels de l’OSR et d’autres ensembles genevois, et des professeurs et étudiants de la Haute école de musique sera facteur de dynamisme et d’émulation.

«Pôle culturel ouvert à tous les publics, à toutes les générations, créatif, onirique et stimulant l’imagination » selon la philosophie du projet, la Cité de la Musique amènera à Genève un développement majeur en terme d’urbanisme culturel. Historiquement, le pôle musical genevois s’est constitué au milieu du 19e siècle autour de la Place Neuve, avec les constructions emblématiques et ambitieuses du Conservatoire de musique (1855), du Grand-Théâtre (1876), et du Victoria Hall (1894). Ce pôle historique sera amené à entrer en résonance avec un nouveau lieu, sur la Place des Nations, au cœur même de la Genève internationale. Cette implantation ouvre des perspectives nouvelles pour les musiciens, mais également pour l’Organisation des Nations Unies : lieu de nombreuses manifestations de diplomatie de la culture, l’institution a immédiatement manifesté son intérêt pour une telle grande infrastructure culturelle à ses portes. Ecrin emblématique des pratiques musicales classiques et contemporaines, la Cité s’ouvrira ainsi à d’autres cultures musicales, se déployant dans un double espace de pratiques musicales : historiques et contemporaines, porteuses de tradition et ouvertes aux cultures.

Xavier Bouvier

… est coordinateur de l’enseignement à la HEM Genève.

Steff Rohrbach — Seit September 2014 findet die Basler Jazzausbildung im neuen Jazzcampus an der Utengasse statt. Ein Ort, der weltweit seinesgleichen sucht und der sich mit seinen idealen infrastrukturellen Möglichkeiten zum Kompetenzzentrum und Gravitationsort für den Jazz entwickelt. Wer den Jazzcampus erstmals betritt, mag zuerst etwas irritiert um sich blicken. Die Erwartung eines modernen Bauwerks wird nicht unbedingt auf Anhieb befriedigt, denn die verschiedenen Gebäude wirken fast, als stünden sie schon immer hier. Auf den zweiten Blick offenbaren sich eine überraschende Sprache und eine architektonische Haltung, die wir nicht gewohnt sind. Schon der Innenhof mit seinem Kamin, die Fassaden ringsherum mit ihren Erkern, und erst recht dann die Räumlichkeiten überzeugen uns schnell, dass hier eine ganz auf die Bedürfnisse der Jazzausbildung ausgerichtete Architektur etwas ermöglicht hat, das es so anderswo nicht gibt. Entstanden ist ein Gebäudeensemble, das bezüglich Akustik und Raumklang zu einem eigentlichen Referenzobjekt geworden ist. Ganz auf die Vorstellungen und Bedürfnisse heutiger Musikerinnen und Musiker bauend, haben Akustiker und Architekten von allem Anfang an zusammengearbeitet und dadurch akustisch notwendige Elemente in die architektonische Raumgestaltung integriert. Entstanden sind 49 Musikräume unterschiedlichster Grössen von kleinen Labs über Unterrichtsstudios bis zu Ensembleräumen mit fast durchwegs separater Luftzufuhr (keine Schallübertragung) und speziell entwickeltem, atmosphärisch veränderbarem Licht.

Steff Rohrbach

… verantwortet Kommunikation & Projekte an der Hochschule für Musik Basel, Jazzcampus

Marco Castellano — Am Standort der ehemaligen Grossmolkerei bot sich die einmalige Chance, erstmals die unterschiedlichen Disziplinen der ZHdK mit zahlreichen Ausstellungs- und Aufführungsorten unter einem Dach zu vereinen. Die Toni-Molkerei im Entwicklungsgebiet Zürich-West war im Bewusstsein der Bevölkerung als Produktions- und anschliessend als Kulturort bereits gut verankert. Die grösste Herausforderung bestand darin, die vielfältigen und komplexen Bauaufgaben, die sich aus den unterschiedlichsten Nutzungen unter einem Dach ergeben, zu realisieren. Die Traglast der alten Molkerei war begrenzt, so dass sämtliche Raumstrukturen (Musikunterrichtsräume, Konzertsäle, Tonstudios) nur mit Leichtbaukonstruktionen realisiert werden konnten, was in akustischer Hinsicht eine Herausforderung war. Im Vorfeld haben entlang den unterschiedlichen Disziplinen Vertretungen in Arbeitsgruppen Anforderungen an das Projekt definiert und den ganzen Prozess begleitet. Mit Repräsentanten von Musik, Film und Theater wurden beispielsweise von Beginn an die akustischen Anforderungen an die Räume sauber definiert und während des ganzen Realisierungsprozesses überprüft und angepasst. So unterscheiden sich die drei Konzert- und zwei Kammermusiksäle von den Anforderungen nicht nur in akustischer Hinsicht. In engem Dialog mit dem Akustikplaner haben die Architekten jedem Saal seine unverwechselbare Gestalt und Identität gegeben, die stark den Bau prägen, aber so, dass die Säle dennoch weit möglichst unterschiedlich flexibel genutzt werden können.

Marco Castellano

… ist Leiter Raum Bau an der ZHdK

Michael Kaufmann — Der Planungsstart zum Neubau der Hochschule Luzern – Musik erfolgte mit dem Landkauf im Jahr 2012. Zwei Jahre später wurde aus dem Architektur- und Planungswettbewerb das Siegerprojekt erkoren, worauf eine einjährige Phase der Optimierungen und finanziellen Anpassungen des Vorprojekts folgte. Im Frühjahr 2016 kam die Baubewilligung, im November 2016 der Baustart für das 80-Millionen-Projekt. Die gute Botschaft nach über drei Jahren Bauzeit: Die Hochschule Luzern – Musik kann im Sommer 2020 definitiv an den Standort «Südpol» am Rande der Stadt Luzern umziehen. Mitten hinein in das Stadtentwicklungsgebiet «Luzern-Süd» und in die direkte Nachbarschaft zum bereits bestehenden Südpolgebäude, das die städtische Musikschule Luzern, die Proberäume des Theater Luzern und des Luzerner Sinfonieorchesters sowie das alternative Kulturzentrum Südpol beherbergt. Damit entsteht auf dem Platz Luzern ein neuer und attraktiver «Kulturpol», schon jetzt «Kampus Südpol» genannt.

Das Ohr baut mit

Die klar wichtigsten Herausforderungen für die Architektur, für uns Nutzer und für alle Beteiligten sind jedoch die Fragestellungen rund um den Schallschutz und die Akustik: Beides sind planerisch und physikalisch hochkomplexe Themen, und letztlich wird das neue Gebäude in erster Linie genau an diesen Kriterien gemessen. Die wichtigsten Aspekte seien hier zusammengefasst und als Erfahrung weitergegeben:

• Akustikexperten von Anfang an dabeihaben: Unabdingbar ist der Einbezug der Akustikexperten beim Planungsstart. Sowohl Schalldämmung als auch Akustik für alle Raumkategorien sind bereits bei der Ausschreibung zum Architekturwettbewerb festzulegen.

• Erfahrungen von extern berücksichtigen: Zu empfehlen ist der Besuch von Konzertsälen und Musikhochschulen im In- und Ausland. Nur so kann man Erfahrungen anderer miteinfliessen lassen und unterschiedliche Konzepte miteinander vergleichen.

• Schalldämmung von A bis Z durchkomponieren: Die Gewährleistung einer absolut reduzierten Schallübertragung durch entsprechende bau- und konstruktionstechnische Massnahmen ist zentral. Dabei sind für Konzertsäle, Schlagzeugräume und Ensembleräume Box-in-Box-Konstruktionen vorzusehen. Meist sind diese gegenüber der Bauherrschaft zu erkämpfen, da sie erhebliche Mehrkosten mit sich bringen. Ebenso wichtig ist aufgrund der Standards auch die Festlegung von Schalldämmstufen für alle Raumkategorien, nur so ist während der Bauzeit auch eine Qualitätskontrolle möglich.

• Für Unterrichtsräume mit Standardakustik sind Musterräume zu empfehlen: Musikunterricht findet tagtäglich statt. Deshalb ist die Erstellung akustisch hochstehender Räume für alle Instrumentalgruppen – und damit auch der Einsatz flexibler Materialien wie Vorhänge, Teppiche, Panels usw. – wohl einer der anspruchsvollsten Aufgaben überhaupt. Wir haben uns in Luzern schon vor zwei Jahren für die Erstellung eines «Musterraums» entschieden, der in zwei Phasen durch das hochkomplexe Anbringen von differenzierten Panels und Reflexionsflächen optimiert wurde. Der grosse Vorteil dabei: Die Nutzenden können durch das Bespielen des Musterraums ihre Erfahrungen einbringen und direkt zur Verbesserung des Standards beitragen. Diese Investition lohnt sich, da damit hohe Korrekturkosten am fertigen Bau (und während des Betriebs) vermieden werden.

• Konzertsäle als akustische «Leuchttürme»: Zu guter Letzt ist auch das Erstellen akustisch vorzüglicher Konzert- und Clubräume wichtig, da nur so der «Wert» öffentlich bespielbarere Konzertorte entsteht. Hier sollten Kompromisse vermieden werden. Stattdessen lohnt sich der Beizug von weiteren Experten, die Akustiksimulation sowie der Einsatz der geeignetsten Materialien und die klare Fokussierung auf das, was man hören will. Wir setzen in Luzern bewusst auf einen hochstehenden Kammermusiksaal, der genau in diesem Aufführungssegment die optimale Akustik liefern soll.

Beim Bau einer öffentlichen Musikhochschule soll mit den finanziellen Mitteln sorgfältig umgegangen werden. Sparübungen bei Schall und Akustik sind jedoch fehl am Platz. Hier ist auf Perfektion und eine qualitativ hochstehende Ausführung zu setzen. Wenn man dafür bei der Ausgestaltung der übrigen Räume und beim Einbaustandard etwas zurückhaltender agiert, lässt sich eine Budgetbalance durchaus erzielen. Wir haben dies in Luzern mit dem Charakter einer «Musikwerkstatt» versucht.

Michael Kaufmann

… ist Direktor Hochschule Luzern – Musik.

Picasso-Text als Musiktheater

Studierende in der italienischen Schweiz bringen ein surrealistisches Kuriosum auf die Bühne: ein gelungenes Experiment.

Am 14. März 1944, fünf Monate vor dem Ende der deutschen Besetzung von Paris, versammelte sich in den Räumen des Galeristenehepaars Leiris eine illustre Schar von Literaten, um in szenischer Lesung ein neues Stück aufzuführen: Le désir attrapé par la queue. Der Autor hiess Pablo Picasso, Regie führte Albert Camus, Darsteller waren neben Michel Leiris und seiner Frau Louise u.a. Raymond Queneau, Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Unter den Gästen befanden sich Georges Braque und Jacques Lacan. Die private Uraufführung galt einem Kammerspiel in sechs kurzen Akten, verfasst in schönster surrealistischer Manier nach dem Prinzip der «écriture automatique», des spontan-assoziativen, von Reflexion weitgehend unbeeinflussten Schreibens. Die überschiessende Schaffensenergie Picassos manifestiert sich darin als Feuerwerk bizarrer Metaphern und absurder Begriffsverknüpfungen. Die Akteure tragen Namen wie Plumpfuss, Zwiebel, Torte, Cousine, die fette und die magere Angst – so heissen sie jedenfalls in der deutschen Übersetzung von Paul Celan, die 1954 unter dem Titel Wie man Wünsche beim Schwanz packt erschienen ist. Vier Jahre zuvor war das Stück in London erstmals auf die Bühne gekommen, 1956 folgte dann eine Aufführung in einem Berner Kellertheater, inszeniert von Daniel Spoerri und mit dem Bühnenbild von Meret Oppenheim. Seither ist das surrealistische Kuriosum da und dort immer mal wieder gespielt worden.

Witz und Einfallsreichtum

Die jüngste Inszenierung fand nun im Mai in Lugano in italienischer Sprache statt. Die Mitwirkenden an dieser Produktion der SUPSI, der Scuola Universitaria Professionale della Svizzera Italiana, waren Studierende des Conservatorio della Svizzera Italiana, der Akademie des Teatro Dimitri und der Fachrichtung «Visuelle Kommunikation». Mit Brechts Dreigroschenoper, mit Satyricon von Bruno Maderna und Kraanerg von Iannis Xenakis hatte man schon in den vorangegangenen Jahren anspruchsvolle Projekte realisiert, und die jetzige Inszenierung des Picasso-Texts setzte die Reihe auf hohem Niveau fort. Solche experimentellen Vorhaben befinden sich bei dem von Routine unbelasteten Nachwuchs offensichtlich in besten Händen. Die Spielfreude der Darsteller auf der Bühne, die mit Witz und Einfallsreichtum gearbeitete Inszenierung und das von Arturo Tamayo hervorragend einstudierte Orchester, aus dem mehrfach der Klarinettist mit schön geblasenen Soli hervorstach, sorgten für einen durchschlagenden Publikumserfolg, und man fragt sich, warum eigentlich die etablierten Institutionen so etwas nicht leisten können oder wollen.

Multimediales Gesamtkunstwerk

Die experimentelle Offenheit von Picassos Text lässt jede Art von Realisierung zu und die jetzige war das exakte Gegenteil der intimen Uraufführung von 1944. Die grosse Bühne im ausverkauften Saal des LAC Lugano wurde in voller Breite bespielt; im Orchestergraben davor befand sich ein Ensemble von stattlicher Kammerorchestergrösse – alles in allem ein Dispositiv wie bei einer Opernaufführung.

Sprache, Schauspiel, Tanz, Musik und ein Bühnenbild, das aus wenigen grafischen, einfachen, mobilen Elementen bestand, fügten sich bruchlos zu einem multimedialen Gesamtkunstwerk. Das ist offensichtlich eine Spezialität des erfahrenen tschechischen Regisseurs Pavel Štourač, wie man den im Netz vorhandenen Videos entnehmen kann. Den Akteuren forderte er alles ab, um die groteske Szenenfolge abwechslungsreich zu gestalten, von der getanzten Choreografie über die solistische Pantomime bis zum Rollenspiel. Und das alles in Verbindung mit einer Textebene, in der sich die Sprache in immer wieder anderer Funktion präsentierte: als gelesene Rezitation und als Rollenprosa, als auf mehrere Personen aufgesplitterter Textkörper, als dichte Sprechpolyfonie, erregtes Tuttigeschrei oder als Material für eine experimentelle Laut- und Silbenakrobatik. Die Gleichzeitigkeit von Sprechen und Agieren in Szenen von manchmal fast zirkushaftem Zuschnitt bereitete den Darstellern keinerlei Problem, auch nicht die Textmengen in italienischer, französischer und englischer Sprache, die es zu memorieren galt. So erhielt jede einzelne Szene einen eigenen Charakter. Die Anzüglichkeiten, die Picasso dem Plumpfuss im Dialog mit seiner geliebten Torte in den Mund legte, wurden choreografisch auf witzige Weise konterkariert, und mit einer durch die Publikumsreihen irrlichternden Schauspielerin wurde die Szene plötzlich in den Zuschauerraum hinein verlängert.

Gelungene Kombination von Text und Musik

Es war eine glückliche Idee, Picassos Text mit zwei ungefähr zur gleichen Zeit entstandenen Werken von Strawinsky zu kombinieren. Tamayo hatte mit dem Orchester die Danses concertantes und das Orchesterkonzert Dumbarton Oaks einstudiert, die nun geschickt mit dem Sprechtext verknüpft wurden. Grössere Teile wurden als autonom zu hörende Intermezzi eingefügt, anderes als Unterlage für kleine Monodram-Teile verwendet oder ausschnittweise zwischen die Textblöcke gesetzt. Die rhythmisch und intonatorisch heiklen Stücke wurden mit konzentrierter Sorgfalt zum Erklingen gebracht. Die rundum geglückte Umsetzung von Picassos Sprechtext in ein Stück lebendiges Musiktheater macht neugierig auf die Fortsetzung im nächsten Jahr.

Jeki Bern ist ein Erfolg

Die Stiftung Jeki Bern hat zum Ziel, Kindern unabhängig von Herkunft und Status den Zugang zum Instrumentalunterricht zu ermöglichen. Das Institut für Musikwissenschaften der Uni Bern hat das Programm nach Abschluss der Pilotphase 2012 bis 2017 evaluiert.

Impressionen aus Jeki-Konzerten (Bild: zvg/Konsi bern),SMPV

Das Programm Jeki («Jedem Kind ein Instrument») Bern wurde 2011 ins Leben gerufen. Das Institut für Musikwissenschaften der Universität Bern hat überprüft, ob und wie Jeki-Kinder aus sozial und finanziell benachteiligten Familien damit erreicht werden können, wie es in einer Medienmitteilung der Musikschule Konservatorium Bern heisst. Die Untersuchung hat den erwarteten positiven Effekt des Jeki-Programms Bern, das flächendeckend in den Quartierschulen in Bern-West angeboten wird, bestätigt.

Die Anzahl Singklassen stieg in der Pilotphase laut der Untersuchung von 4 auf 24 und jene der Instrumentalschülerinnen und -schüler von 10 auf 67 an. Qualitativ wurde bei allen Beteiligten eine hohe Zufriedenheit festgestellt. Und dies nicht nur bei den Primarlehrerinnen, -lehrern und den Jeki-Lehrkräften, sondern auch bei den Jeki-Kindern, den Erst-und Zweitklässlern.

Im musikalischen Bereich sei eine deutliche Verbesserung der stimmlichen Fähigkeiten erreicht worden. Die Entwicklung der Musikalität allgemein und eine Steigerung des Rhythmusempfindens seien messbar. Mehr noch: Darüber hinaus könne im Schulunterricht aufmerksames Zuhören, gesteigerte Konzentrationsfähigkeit und ein verbessertes Sozialverhalten beobachtet werden. In der Summe wirke sich dies wiederum positiv auf den Klassenzusammenhalt aus.

Mehr Infos: www.konsibern.ch/jeki-bern/home/
 

Goll-Orgelbau feiert

2018 ist für die Luzerner Firma ein besonderes Jahr. Sie feiert den 150. Jahrestag der Gründung ihrer Werkstatt. Neben Konzerten und Besichtigungen in verschiedenen Städten steht ein grosses Festkonzert im KKL auf dem Programm.

Goll-Orgel im Kultur- und Kongresszentrum Luzern. Bild: © KKL Luzern,SMPV

Das Jubiläumsjahr 2018 gibt Anlass, auf die Geschichte zurückzuschauen. Dies soll mit einer Buch-Publikation geschehen, die momentan in Vorbereitung ist. Andererseits sollen in besonderer Weise die Instrumente sprechen: In Zusammenarbeit mit lokalen Organisatoren von Orgelkonzertreihen wurde ein abwechslungsreiches Jahresprogramm mit wichtigen Goll-Orgeln in Zug, Luzern, Horw, Hochdorf, Bern und Visp zusammengestellt. Neben den Konzerten, in denen die Klangeigenschaften der Orgeln erkundet wurden, gab es Gelegenheit zur Begegnung und zum Austausch.

Als besonderen Höhepunkt gibt es ein Festkonzert im KKL am 15. Mai 2018, also auf den Tag genau 150 Jahre nach der Werkstattgründung. Die dortige Goll-Orgel steht natürlich im Mittelpunkt, umgeben von grossem Orchester. Unter anderen Werken kommt die Symphonie concertante des Belgiers Joseph Jongen zur Aufführung, welche die Orgel als Soloinstrument prominent präsentiert, eingebettet in die farbigen Klänge der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz unter der Leitung von Marcus Bosch. Der Solopart wird gespielt von Christian Schmitt.

Verleihung des Echo Jazz 2018 entfällt

Nachdem die Echo-Preise nach dem Eklat um antisemitische Textzeilen zweier Echo-Pop-prämierter Rapper eingstellt wurden, hat der deutsche Bundesverband Musikindustrie beschlossen, für die bereits bekanntgegebenen Echo Jazz Preisträger 2018 keine Feier auszurichten. Betroffen sind davon auch Schweizer Projekte.

Andreas Schaerer. Foto Copyright © by Reto Andreoli

In der Kategorie Large Ensemble ausgezeichnet worden wäre das Projekt Andreas Schaerer & Hildegard Lernt Fliegen meets the Orchestra of the Lucerne Festival Academy. Andreas Schaerer hätte zudem in der Kategorie Ensemble International zusammen mit Emile Parisien, Vincent Peirani und Michael Wollny einen Echo Jazz entgegennehmen können.

Vorgesehen war nach dem Eklat, den Echo Jazz am 31. Mai im kleinen Kreis und ohne TV-Übertragung durchzuführen. Auch dese Feier wird nun nicht stattfinden. Die bereits im März von der Echo-Jazz gewählten Preisträger werden auf Wunsch ihre Auszeichnungen persönlich erhalten. Die Marke Echo sei so stark beschädigt worden, schreibt der Bundesverband, dass ein vollständiger Neuanfang notwendig sei, der auch eine Neuaufstellung bei Echo Klassik und Echo Jazz nach sich ziehe.

Ausgezeichnete des Edwin Fischer-Wettbewerbs 2018

Die Edwin Fischer-Gedenkpreise, die von den Luzerner Musikausbildungsstätten vergeben werden und mit je 3500 Franken dotiert sind, gehen heuer an den Schlagzeugstudenten Corentin Marillier und an Camille Quinton, die in Luzern Flöte studiert.

Corentin Marillier. Foto: BacoArt

Corentin Marillier absolviert ein Masterstudium Interpretation of Contemporary Music und Camille Quinton ein Masterstudium Orchester. Der Edwin Fischer-Anerkennungspreis, dotiert mit 1000 Franken, erhält die Oboe-Studentin Tomoko Uehara. sie absolviert ein Masterstudium Performance.

Erstmals überhaupt in der Geschichte des Wettbewerbs wurde ein Schlagzeug-Student ausgezeichnet und erstmals stammten überdies sämtliche der aufgeführten Werke aus dem 20. oder 21. Jahrhundert.

Der Edwin Fischer-Wettbewerb wird im Gedenken an Edwin Fischer (1886 bis 1960) von der Hochschule Luzern – Musik und der Stiftung für Musikförderung an der Hochschule Luzern – Musik in Absprache mit der Edwin Fischer-Stiftung organisiert. Es ist ein jährlicher Wettbewerb für die Master-Studierenden dieser Hochschule im Profil Klassik.

Schweizer Grand Prix für Schweizer

Der Schweizer Grand Prix Musik 2018 geht an Irène Schweizer, eine der wichtigsten Pianistinnen des zeitgenössischen Jazz, für ihr einzigartiges Werk. Dreizehn Musikerinnen und Musiker sowie ein Ensemble werden mit einem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet.

Irene Schweizer (Bild: Angeline Evans)

1941 in Schaffhausen geboren, zählt Irène Schweizer zu den prägenden Persönlichkeiten des modernen Jazz. Die Pianistin und Schlagzeugerin erkundet in den 1960er-Jahren die Londoner und Zürcher Jazzszene. 1968 trifft sie in Zürich ihren langjährigen Weggefährten, den Schlagzeuger Pierre Favre, und setzt fortan mit ihm wichtige Impulse im Bereich des Free Jazz und des improvisierten Klavierspiels. Bis heute engagiert sie sich für die musikalische Frauenbewegung Europas. Sie ist Mitgründerin des Taktlos-Festivals, der Werkstatt für Improvisierte Musik Zürich (WIM) und des Jazzlabels Intakt.

Die Schweizer Musikpreise zeichnen «das herausragende und innovative Schweizer Musikschaffen» aus und tragen zu dessen Vermittlung bei. 13 Musikerinnen und Musiker sowie ein Ensemble werden mit einem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet: Noldi Alder (Urnäsch, AR), Dieter Ammann (Zofingen, AG), Basil Anliker alias Baze (Bern), Pierre Audétat (Lausanne), Laure Betris alias Kassette (Freiburg), Sylvie Courvoisier (New York), Jacques Demierre (Genf), Ganesh Geymeier (Moudon, VD), Marcello Giuliani (Paris und Lausanne), Thomas Kessler (Allschwil, BL), Mondrian Ensemble (Basel), Luca Pianca (Lugano), Linéa Racine alias Evelinn Trouble (London und Zürich), Willi Valotti (Nesslau, SG). Die Preisverleihung findet am 13. September 2018 im Rahmen des Festivals Label Suisse in Lausanne statt.

Gestandene und kommende Wagner-Interpreten

Die Schweizerische Wagner-Gesellschaft geniesst Oper im Kurzformat und vergibt langfristig wirkende Unterstützungen für junge Bühnenkünstler.

Richard Wagner lebte 1866-72 auf Tribschen bei Luzern. Foto: Alessandro Gallo / WikimediaCommons

Wagners Monumentaloper Tristan und Isolde, aufgeführt in eindreiviertel Stunden – geht das? Wenn man sich auf das Wesentliche beschränkt, mit einem Flügel als «Orchester» zufrieden ist und einen guten Arrangeur zur Seite hat, dann geht das sehr wohl. Das Abenteuer gewagt hat die Schweizerische Richard-Wagner-Gesellschaft, die am 21. April unter dem Titel O sink hernieder … in den Grossen Saal der Musikschule Konservatorium Zürich einlud.

Angekündigt war eine «Collage nach Tristan und Isolde», das halbszenische Konzept stammte von John H. Müller, ein seit Jahren engagierter «Wagnerianer». Für das musikalische Arrangement zeichnete der Pianist und Komponist Edward Rushton, der auch am Flügel sass. Er entpuppte sich schnell als souveräner Begleiter, der mit Gefühl für dramatische Steigerungen und einem unerhörten Klangsinn der Aufführung seinen Stempel aufdrückte.

Rushtons Kürzungen zielten auf das Wesentliche: im ersten Aufzug auf die Sühne-Liebestrankszene, im zweiten Aufzug auf die Liebesnacht mit anschliessendem Auftritt König Markes. Der dritte Aufzug bestand aus einer sehr kurzen Tristan-Leidensszene und dem nicht minder verkürzten Liebestod Isoldes. Für Mona Somm, die 2015 in Erl mit grossem Erfolg die Isolde gesungen hat, war es sicherlich nicht ganz einfach, diese Version zu meistern, es gelang ihr aber gut. Ihre Stimme wirkte allerdings in der Mittellage etwas gepresst.

Rolf Romei hat sich am Theater Basel in den Rollen von Lohengrin und Parsifal bewährt, nun versuchte er sich am Mini-Tristan. Seine Stimme ist etwas unberechenbar, einmal absolut topp, dann wieder hat er merkwürdige Brüche zu überstehen, um danach erneut souverän weiterzusingen. Mit Wucht griff Martin Snell als König Marke ins Geschehen ein: mit seinem tragenden Bass wirkte sein Gesang aber zuweilen etwas starr und stentorhaft.

Das Ereignis schlechthin war der Auftritt von Susannah Haberfeld als Brangäne, eine Rolle, die der Mezzosopranistin wie auf den Leib geschrieben ist. Mit tragenden Legatobögen und weich klingender Tiefe sang sie raumgreifend ihren Part mit dem mahnenden «Habet Acht» als Höhepunkt. Hier hätte man sich von Arrangeur Rushton etwas weniger Kürzung gewünscht, um länger dieser wunderbaren Stimme zu lauschen.

Einblicke in Werk und Festspielbetrieb

Das Publikum, das mehrheitlich aus Wagnerianern bestand und sogar aus Freiburg im Breisgau und Vorarlberg angereist war, spendete begeisterten Applaus. Im Gegensatz zu dieser Insiderveranstaltung schreibt die Verbandssatzung allerdings vor, «das Werk von Richard Wagner einem grossen Publikum zugänglich zu machen». Einen öffnenden, zukunftsweisenden Aspekt verfolgt die Wagner-Gesellschaft durch ihr Stipendienwesen.

Die internationale Richard-Wagner-Stipendienstiftung vergibt seit 1882 Beiträge an begabte Sänger, Musiker oder sonstige Bühnenschaffende, die als Nachwuchs für die Bayreuther Festspiele in Betracht kommen. Die Stipendien beinhalten den kostenlosen Besuch der Festspiele, ein Stipendiatenkonzert, bei dem diese ihr Können demonstrieren, und den Besuch von Einführungsvorträgen. Zu den internationalen Gewinnern in der Vergangenheit gehörten etwa Christian Thielemann, Waltraud Meier, Michael Volle oder Anja Kampe, um nur wenige zu nennen.

2013 schloss sich die Schweizerische Gesellschaft dieser Vergabe an und schreibt jährlich an den Musikhochschulen das Stipendium aus. Es kann auch Empfehlungen geben. Eine Gewinnerin der ersten Stunde war die Pianistin Andrea Wiesli, die 2013 Bayreuth besuchte: «Diese geschichtsträchtige Spielstätte mit ihrer besonderen Akustik hat mich sehr beeindruckt», erzählt sie. «Mit einer ehemaligen Mitstipendiatin, der Mezzosopranistin Stephanie Szanto aus Bern, trete ich regelmässig mit einem Liederabend auf, auch werde ich zu Rezitals auf Wagners Erard-Flügel in Tribschen eingeladen.»

Im letzten Jahr gehörte Serafin Heusser, der von seinem Dozenten Peter Brechbühler empfohlen wurde, zu den Stipendiaten. Auch er schwärmt: «Der Besuch der Vorstellungen und die Führung durch das Festspielhaus waren für mich ein einmaliges und sehr interessantes Erlebnis! In andern Opernhäusern hatte ich bei Wagner-Aufführungen immer das Gefühl, dass die Sänger gegen das Orchester kämpfen müssen und nie piano singen können. Umso schöner war für mich, dass etwa Michael Volle dank der genialen Akustik wunderschöne Mezza-voce-Töne singen konnte.»

Wie sinnvoll dieses Stipendium ist, zeigt die diesjährige Auswahl der Gewinner, die am 26. Mai im Schlössli Wartegg in Luzern ihr Stipendiatenkonzert geben. Es tritt die Geigerin Lisa Rieder auf, die Beethovens Kreutzer-Sonate spielt, begleitet von Luka Hauser. Hauser wird zudem Skrjabins mit Tristan-Akkorden gespickte 4. Klaviersonate interpretieren und den Tenor Omar Kobiljak begleiten. Dieser ist unlängst mit Erfolg im Opernhaus Zürich als Steuermann in Wagners Holländer eingesprungen.

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Interpreten des nächsten Stipendiatenkonzerts (v.l.): Lisa Rieder, Luka Hauser, Omar Kobiljak. Foto: zVg

Ausstrahlung auf die Schweiz

Der Einfluss der Musikstadt Leipzig brachte im 19. Jahrhundert das hiesige Musikleben erst zum Blühen.

Saal des Ersten Gewandhauses, eingeweiht 1781. Aquarell von Gottlob Theuerkauf, 1894.

2018 feiert man in Leipzig gleich ein doppeltes Jubiläum: Das Gewandhausorchester, 1743 von 16 jungen, freigeistig denkenden Kaufleuten gegründet und finanziert, wird 275 Jahre alt und das Konservatorium, 1843 von Gewandhauskapellmeister Felix Mendelssohn Bartholdy mitinitiiert, kann 175 Jahre vorweisen. Als eines der ersten seiner Art zog das Leipziger Konservatorium begabte Künstler aus ganz Europa an, vor allem auch aus der Schweiz.

Die hiesige Musikszene, die Mitte des 19. Jahrhunderts erst allmählich erwachte, ist ohne die Musikstadt Leipzig kaum vorstellbar. Prägende Schweizer Musikerpersönlichkeiten wie Friedrich Hegar oder Hans Huber haben dort studiert. Hierzulande gab es weder ein höfisches Musikleben noch allgemein zugängliche Ausbildungsmöglichkeiten für Musiker. Hans Georg Nägeli hatte zwar 1805 mit seinem Singinstitut in Zürich eine erste öffentliche Bildungsstätte für Musikbegabte eingerichtet. Doch wer die Musik zu seinem Beruf machen wollte, ging nach Leipzig.

Winterthur und Zürich

Interessanterweise war der erste Leipziger Musikstudent der aus dem Erzgebirge stammende Theodor Kirchner (1823–1903), der kurze Zeit später auf Empfehlung Mendelssohns nach Winterthur kam, um die Stelle als Organist an der Stadtkirche anzutreten. Kirchner machte die deutschen Romantiker in der Schweiz bekannt. Er gab in Winterthur und Zürich selber Konzerte, wirkte als Musiklehrer und war ab 1862 Dirigent der Abonnementskonzerte der Allgemeinen Musik-Gesellschaft AMG Zürich.

Kirchner freundete sich mit dem jungen Johannes Brahms an, dessen Musik er in der Schweiz engagiert förderte. Zudem pflegte er regen Kontakt mit Friedrich Hegar (1841–1927), der in Basel als Sohn eines deutschen Musiklehrers und Klavierhändlers zum Musiker herangereift war. Auch Hegar studierte Ende der 1850er-Jahre Komposition am Leipziger Konservatorium und kam 1863 auf Veranlassung Kirchners als Kapellmeister des Orchestervereins nach Zürich.

Friedrich Hegar baute das Zürcher Musikleben auf mehreren Ebenen auf: Er leitete nicht nur das Tonhalleorchester, sondern wirkte als Kapellmeister auch am Theater. Er leitete mehrere Chöre, darunter den Gemischten Chor, und engagierte sich in der AMG. Dank Hegar und Kirchner kam Johannes Brahms regelmässig in die Tonhalle. Zudem initiierte Hegar in Zürich 1875 auch die Gründung eines Konservatoriums, das er bis 1914 als Direktor leitete.

Basel, Aarau, Bern

Das bürgerliche Konzertwesen regte sich auch in Basel, wo etwa Clara Schumann regelmässig konzertierte. 1857 kam der aus Thüringen stammende Geiger Louis Abel (1835–1895) als Konzertmeisters und Primgeiger in die Stadt. Zuvor hatte er in Leipzig Violine studiert bei Ferdinand David, dem Konzertmeister des Gewandhausorchesters. Auch Abel wirkte als begnadeter Pädagoge und übernahm von 1860 bis 1866 den Unterricht an der von der Gemeinnützigen Gesellschaft ins Leben gerufenen Violinschule, der Vorgängerin der Musikschule, die in Basel 1867 gegründet wurde.

In Aarau baute der aus St. Gallen stammende Eusebius Kaeslin (1835–1889) ein reges Konzertleben auf. Bevor er 1854 für sein Studium nach Leipzig ging, wurde er vom St. Galler Stiftsorganisten unterrichtet. In Leipzig studierte er bei Ferdinand David Violine, um danach als Konzertmeister des Musikkollegiums Winterthur zu wirken.

1862 wurde Kaeslin Organist an der katholischen Kirche Aarau und unterrichtete Violine und Klavier an der Musikschule, die er 1879 grundlegend reorganisierte. Seine Konzerttätigkeit entfaltete er als langjähriger Dirigent des Aarauer Cäcilienvereins. Dank seiner guten Kontakte zur deutschen Musikszene veranstaltete er ausgezeichnete Konzerte, die weit über die Kantonsgrenze hinaus Beachtung fanden.

Eine regelrechte Schweizer Clique am Konservatorium Leipzig bildeten der aus dem Solothurnischen stammende Karl Munzinger (1842–1911), der Genfer August Werner (1841–1900) und der Berner Gustav Weber (1845–1887). Sie lernten sich in den dortigen gemeinsamen Studienjahren von 1860 bis 1863 kennen und befreundeten sich fürs ganze Leben. Karl Munzinger prägte später das gesamte bernische Musikleben – als Leiter der Liedertafel, ab 1884 als Dirigent der Abonnementskonzerte der Musikgesellschaft und des Cäcilienvereins.

Genf und nochmals Basel

Zu dieser Zeit wirkte am Leipziger Konservatorium der Dirigent und Komponist Carl Reinecke als begehrter Kompositions- und Klavierlehrer. Er war noch von Mendelssohn persönlich gefördert worden. Zu Reineckes grosser Schülerschar zählten berühmte Namen wie Max Bruch, Edvard Grieg, Hugo Riemann, Ethel Smyth und Felix Weingartner, der als berühmter Dirigent und Konservatoriumsdirektor später auch in Basel wirkte.

Reinecke war 1859 zum Gewandhauskapellmeister berufen worden und sorgte als solcher bis 1895 für eine noch stark Mendelssohn und Schumann verpflichtete, eher konservativ-klassizistische Interpretationsweise. Auch als Komponist hat er sich unüberhörbar an Mendelssohn, Schumann und Brahms orientiert.

Der Genfer Pianist August Werner wurde von Reinecke besonders gefördert, er war sogar sein Privatschüler und trat 1863 als Pianist im Gewandhaus auf. Zurückgekehrt in die Schweiz wirkte Werner am Genfer Konservatorium und im Komitee der Abonnementskonzerte mit. Gustav Weber seinerseits machte hauptsächlich in Zürich Karriere als Leiter des Männerchors und des Gemischten Chors und als vielseitig engagierter Grossmünster-Organist.

Für das Aufblühen des Basler Musiklebens Ende des 19. Jahrhunderts war der Komponist, Pianist und Dirigent Hans Huber (1852–1921) von entscheidender Bedeutung. Huber studierte von 1870 bis 74 bei Carl Reinecke in Leipzig und wurde Klavierlehrer an der Allgemeinen Musikschule Basel, die er ab 1896 leitete. Als angesehener Komponist mit patriotischer Gesinnung setzte er sich 1900 mit Friedrich Hegar für die Gründung des Schweizerischen Tonkünstlervereins ein.

Auch Huber bemühte sich um die qualitative Verbesserung der musikalischen Berufsbildung und gründete 1905 in Basel das Konservatorium. Sein berühmter Schüler Hermann Suter (1870–1926) studierte ebenfalls beim mittlerweile sehr betagten Carl Reinecke in Leipzig, danach wirkte er als Chorleiter und Dirigent der Sinfoniekonzerte der AMG in Basel. Zudem avancierte er zu einem der führenden Schweizer Komponisten an der Wende zum 20. Jahrhundert.

Sibylle Ehrismann 
… ist mitverantwortlich für die artes-projekte, Co-Kuratorin der Gewandhaus-Jubiläumsausstellung 2018 «27,5 Köpfe erzählen die Gewandhausgeschichte».

 

Jahresbericht 2017 der ZHdK

Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) veröffentlicht ihren Jahresbericht 2017: Schwerpunkte des vergangenen Jahres waren die flexiblere Gestaltung des Studiums, die Zusprache von Bundesmitteln für Doktoratsprogramme in der Höhe von 1,5 Millionen Franken sowie Initiativen im Bereich der Digitalisierung.

Unterrichtssituation Musikstudium an der ZHdK. (Foto: Regula Bearth © ZHdK)

Auf verschiedenen Ebenen arbeitete die ZHdK 2017 laut ihrer Medienmitteilung daran, ihre Lehre und Forschung für die Zukunft optimal aufzustellen: Forschung und Lehre seien besser verbunden und zukunftsfähig konzipiert, in Partnerschaft mit promotionsberechtigten Hochschulen seien noch attraktivere Doktoratsprogramme geschaffen worden.

Die ZHdK hat ein neues Modell zur Förderung des hochschulweiten Lernens implementiert. Dieses ermöglicht es Studierenden, übergreifend konzipierte Module zu belegen sowie Lehrveranstaltungen in einem «fremden» Departement zu besuchen. Die neue Vertiefung Sound Design, die im Herbstsemester 2018/19 starten wird, ist dafür ein Beispiel: Ein breites und individuell erweiterbares Fächerangebot trägt dem heterogenen Umfeld von Sound für Film, interaktive Medien und Video Games Rechnung. Weitere Konzepte und Massnahmen zur Individualisierung des Studiums und zur Erhöhung von dessen Durchlässigkeit sind laut der Mitteilung der ZHdK in Planung.

Einen Meilenstein für die Nachwuchsförderung erreichte die ZHdK im April 2017: Vier ihrer fünf Anträge für projektgebundene Beiträge des Bundes für Doktoratsprogramme mit promotionsberechtigten Partnerhochschulen wurden genehmigt. Die ZHdK kooperiert dabei mit der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, der University of Reading und der Kunstuniversität Linz. Ein weiteres Programm wird gemeinsam mit der ETH Zürich und der Universität Zürich durchgeführt. Der Bund fördert die Programme der ZHdK mit insgesamt 1,5 Millionen Franken.

Zur Bündelung von Digitalisierungsthemen hat die ZHdK 2017 einen Digitalrat eingesetzt. Er berät die Hochschulleitung im Bereich des digitalen Wandels strategisch und koordiniert die Umsetzung von Massnahmen. Zudem beteiligte sich die ZHdK am ersten Digitaltag der Schweiz. Das Engagement im Rahmen des Digitaltags wird 2018 fortgeführt.

PDF des Jahresberichtes:
https://www.zhdk.ch/file/live/8c/8ccc82364db19a3900ce2c68c1bf8312d6c26283/20180305_jahresbericht_zhdk_2017.pdf

Bibliotheken offerieren Streamingdienste

Die Winterthurer Bibliotheken haben ein Streamingangebot aufgeschaltet: Die Plattform «Freegal» enthält über 13 Millionen Songs. Eine aktive Bibliothekskarte berechtigt pro Tag zu drei Stunden Musik.

Foto: James Thew / fotolia.de

Die Winterthurer Bibliotheken bauen ihr Onlineangebot stetig weiter aus. Neu warten sie neben E-Books und Datenbanken mit der Streaming-Plattform «Freegal» auf. «Freegal» umfasst den Katalog von «Sony Music» inklusive Sub-Labels. 13 Millionen Songs aus 220 Genres und 80 Ländern sind so verfügbar, ausserdem bietet die Plattform neben Musik auch Musikvideos und Hörbücher auf Englisch.

Für die Nutzung braucht es keine spezifische Software. Das Angebot ist sowohl über einen herkömmlichen Browser über winterthur.freegalmusic.com, über den Link auf der Seite www.ewinbib.ch/ -> Freegal oder über die «Freegal»-App für iOS und Android zugänglich.

Nach der Anmeldung mit Benutzernummer und Passwort können Kundinnen und Kunden der Winterthurer Bibliotheken, die über einen aktiven Bibliotheksausweis verfügen, drei Stunden pro Tag kostenlos streamen. Als Bonus gibt es bis zu drei Lieder pro Woche, die frei von Kopierschutz sind und für immer genutzt werden können.

Auch viele weitere Bibliotheken in der Schweiz bieten ihren Nutzerinnen und Nutzern ähnliche Dienste an.

Ein grosser Wurf

Die Wittener Tage für neue Kammermusik vom 27. bis 29. April bestechen durch interpretatorische wie kompositorische Qualität.

«Quartet. Bodies in Performance» von Katharina Rosenberger. Foto: WDR, Claus Langer

Professionelles Musizieren ist Hochleistungssport und Muskelspiel. In ihrer Klang- und Videoinstallation Quartet. Bodies in Performance zeigt die 1971 in Zürich geborene Katharina Rosenberger die entblössten Rücken von vier Musikern. Schulterblätter bewegen sich, Sehnen treten hervor, auch kräftige Muskeln, trainiert durch jahrzehntelanges Üben. Rosenberger komponierte für ihre Installation kein geschlossenes Quartett, sondern locker gefügte Solostücke für Klavier, Schlagzeug, Akkordeon und Kontrabass. Sie ist multimedial erfahren genug, um zu wissen, dass sich Sicht- und Hörbares sinnvoll befruchten, nicht Klingendes oder Visuelles dominieren sollte. Sie tat auch gut daran, die Videos nicht direttissima mit der Musik zu synchronisieren. Das erhöht die Aufmerksamkeit des Betrachters. Raum bleibt zum Weiterdenken, zum Sinnieren, zum Räsonieren.

Der Interpreten-Fokus Rosenbergers passt gut zu den Wittener Tagen für neue Kammermusik. Immer wieder besticht das jährlich ausgetragene Festival durch herausragende Musikerleistungen. Zu den erfahrenen Neue-Musik-Spezialisten traten diesmal verstärkt das furiose Klavierduo Grau/Schumacher und die jungen Musikerinnen des Trio Catch. Im Wechsel mit den Pianisten intoniert das Trio eine obsessive compulsive music des jungen, in Zürich lebenden Brasilianers Ricardo Eizirik. Er lässt das Trio kurze, rhythmisch prägnante Motive ostinat wiederholen. Unfassbar genau bewältigen Boglárca Pecze (Klarinette), Eva Boesch (Cello) und Sun-Young Nam (Klavier) die heikle Rhythmik eines inspirierten Stückes. Nicht weniger überzeugend die Interpretation von Rosenbergers Trio surge. Stets transparent ist hier das ausgedünnte Klangbild, spannungsvoll gesetzt sind die Generalpausen eines wiederum sehr beeindruckenden Werks, dem man nach der Wittener Uraufführung viele weitere Aufführungen wünscht.

Essenz und Dichte

Das bündige Fazit eines Neue-Musik-Festivals mit mehr als 20 Uraufführungen fällt in der Regel schwer. In Witten war es diesmal kein Auf und Ab, kein – zuweilen mühsamer – Wechsel von experimentellem Misslingen, von Routiniertem oder versöhnlich Beeindruckenderem. Dank herausragender Interpreten, aber auch dank fast durchwegs aussergewöhnlich inspirierter Tonsetzern geriet dem klug programmierenden Festivalleiter Harry Vogt ein grosser Wurf. Unglaublich die Intensität des 35-minütigen Epigram I–III, das der Franzose Franck Bedrossian für die Sopranistin Donatienne Michel-Dansac und das Klangforum Wien geschrieben hat. Michel-Dansac singt Texte der amerikanischen Autorin Emily Dickinson. Ebenso flexibel wie farbenreich spürt sie den Textinhalten nach, während das Ensemble mal als «Nachhallraum», mal als rabiater Kommentator dient, mal als ein Partner der Sopranistin, der sich klanglich anschmiegt und zuweilen mit dem Gesang verschmilzt. Bedrossian zieht in seiner computergestützten Komposition alle Register. Virtuos versteht er zu instrumentieren, dazu kommt ein ausgesprochener Sinn für Dramaturgie. An keiner Stelle des Werks lässt er die Zügel schleifen. Alles ist Essenz, dicht und konzentriert.

Weitere Highlights kommen von Mark André, von Johannes Maria Staud und Georg Friedrich Haas. Seinem Personalstil entsprechend präsentiert er wieder Klanggemische, die nur ihm zu gelingen scheinen. Heftige Klavier-Cluster mischen sich im Trio Blumenwiese I–III vorzüglich mit den Multifonen des Saxofonisten Marcus Weiss und den perkussiven Akzenten des Schlagwerkers Christian Dierstein. Mark André und der Österreicher Johannes Maria Staud betreiben ähnlich spitzfindige Klangarbeit. In Mark Andrés Uraufführung …selig sind… Zwischenräume des Entschwindens gibt es eine seltene Begegnung von Liveelektronik mit einer Klarinette. Mit seinem Instrument durchstreift Jörg Widmann die Räume des Märkischen Museums in Witten. Erst das Ende erklingt – rituell, durchaus auch religiös aufgeladen – inmitten des Publikums. Auch dank dem SWR-Experimentalstudio fasziniert insbesondere die enge Verzahnung instrumentaler Liegetöne mit den Digitalsphären aus den Lautsprechern. Im Lichte II nennt Staud sein Duo für zwei Klaviere. Es ist eine Art Selbsterkundung, da er zurückblickt auf ein etwa zehn Jahre altes Orchesterwerk. Was er im Lauf der Zeit «dazugewonnen» oder «verloren» hat – dem wollte er in diesem expressiven Werk nachspüren. Gewonnen hat letztlich auch der Witten-Besucher, der belohnt wurde durch einen aussergewöhnlichen Jahrgang, der geschmackliche Nuancen in allen Formen bot.

Das LSO startet eine Crowdfunding-Kampagne

Das Luzerner Sinfonieorchester hat erstmals eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Das Geld wird für die letzte Finanzierungs-Etappe zum geplanten neuen Probenhaus gesammelt. Es geht um eine halbe Million Franken.

Entwurf zum Probenhaus (Bild: LSO)

Das Budget für den Neubau beträgt rund 10 Millionen Franken, ein Grossteil davon konnte bereits durch private Gönner und Mäzene finanziert werden – eine halbe Million Franken wird aber noch benötigt. Das Spendenziel von einer halben Million Franken würde einen neuen Schweizerrekord für Crowdfunding im Bereich Kultur bedeuten.

Der Bau eines eigenen Probenhauses für das Luzerner Sinfonieorchester ist ein strategisches Hauptziel der Stiftung für das Luzerner Sinfonieorchester. Diesem Ziel kommt sowohl künstlerisch wie auch logistisch eine grosse Bedeutung zu. Die Heimstätte des Orchester soll ein Arbeits- und Kreativzentrum werden mit Probemöglichkeiten für die Musiker und einem kinder- und familiengerechten Ambiente für die Education-Programme.

Wird bis zum 12. Juni mindestens die sogenannte Fundingschwelle von 250‘000 Franken erreicht, lösen die Musikerinnen und Musiker einen Wetteinsatz ein: Sie laden die Unterstützer zu einem gemeinsamen Wurstessen ein. An der Verlosung für die limitierten Plätze nehmen alle Unterstützer teil, welche mindestens 50 Franken spenden.

Mehr Infos: www.funders.ch/projekte/probenhaus
 

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