Suisseculture gefällt Kulturbotschaft

Suisseculture beurteilt die bisherige Umsetzung der Kulturbotschaft sowie die Arbeit von Pro Helvetia und dem Bundesamt für Kultur als positiv. Der Verband vermisst allerdings einen stärkeren Einbezug der Organisationen der Kulturschaffenden in den Kulturdialog.

imani clovis on unsplash.com

Auf den Umstand, dass die Einkommenssituation vieler Kunstschaffender, trotz erfolgreicher Arbeit, ungenügend ist, weisen sowohl die Kulturverbände als auch Suisseculture seit ihrem Bestehen hin. Dass diese Erkenntnis nun in die Kulturbotschaft eingeflossen ist und Massnahmen in Aussicht gestellt werden, sei höchst erfreulich, schreibt Suisseculture. In den Gremien von Pro Helvetia (Stiftungsrat, Fachkommissionen sowie Expertinnen und Experten) seien die Urheberinnen und Urheber allerdings massiv untervertreten.

Schweizer Kulturschaffende der meisten Sparten sind laut Suissculture von der Teilnahme an zahlreichen Europäischen Festivals und Wettbewerben ausgeschlossen, während solche anderer Nationen, die ebenfalls nicht der EU angehören, offenbar zur Teilnahme zugelassen sind. Die Kulturverbände fordern den Bundesrat auf, aktiv das Verhandlungsmandat zur Aufnahme der Schweiz in das europäische Kulturprogramm voranzutreiben und auszuarbeiten. Wo dies nicht möglich ist, seien Ersatzmassnahmen zu ergreifen.

Suisseculture begrüsst die Absichten im Bereich der Kunstvermittlung. Im Bereich von Vermittlungsprojekten müsse aber die geäusserte Absicht zur Zusammenarbeit mit Partnern auch tatsächlich und auf gleichberechtigter Ebene erfolgen. Kunstschaffen und Kunstvermittlung dürften sich nicht konkurrenzieren.

Originalartikel:
https://www.suisseculture.ch

Reto Parolari erhält Winterthurer Kulturpreis

Der Stadtrat verleiht den Kulturpreis 2019 an den Dirigenten, Komponisten und Verleger Reto Parolari. Damit würdigt der einen Vollblutmusiker und anerkannten Fachmann für gehobene Unterhaltungsmusik.

Reto Parolari dirigiert die Neue Elbland Philharmonie (2011). Foto: Daniel Förster/zVg

Reto Parolari studierte zunächst an der Musikhochschule Winterthur, danach in Hannover, Stuttgart und Wien. 1973 gründete er das sinfonisch besetzte Orchester Reto Parolari mit rund vierzig Musikerinnen und Musikern, das sich der Pflege und dem Erhalt der gehobenen Unterhaltungsmusik verschrieb. Er war als Dirigent bei zahlreichen Orchestern in der Schweiz, in Deutschland, Holland, Tschechien und Österreich tätig und realisierte TV- und Radioproduktionen in den Bereichen U-Musik, Operette, Film und Musical. Als Komponist und Arrangeur verfasste er mehrere hundert Werke im Bereich E- und U-Musik, die teilweise in seinem eigenen Verlag Edition Swiss Music erschienen sind.

1991 gründete Reto Parolari das Internationale Festival der Unterhaltungsmusik, das bis 2017 jährlich in Winterthur durchgeführt wurde und sich in dieser Zeit zu einer bekannten Börse für gute U- Musik entwickelte. Mit dem Notenarchiv des Orchesters Reto Parolari betreut er eine einmalige musikalische Sammlung, die inzwischen rund 110’000 Titel umfasst. Parolari wirkte auch als Juror, gab Symposien und Workshops.

Für sein langjähriges Wirken als Interpret, Urheber und Verleger von gehobener Unterhaltungsmusik wurde er 2004 mit dem Anerkennungspreis der Fondation Suisa ausgezeichnet. 2015 erhielt er den Carl-Heinrich-Ernst-Kunstpreis für sein Lebenswerk.

Der Winterthurer Kulturpreis ist mit 10 000 Franken dotiert. Damit würdigt der Stadtrat Reto Parolaris vielseitig engagierte Persönlichkeit, deren Wirken und Ausstrahlung weit über Winterthur hinausreicht. Die Auszeichnung wird am 3. Dezember 2019 im Theater Winterthur verliehen.
 

Wirkung von Rechtsrock überbewertet

Laut dem Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) wird die Bedeutung von Rechtsrock als Lockvogel für den Einstieg von Jugendlichen in die rechte Szene überschätzt.

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de (s. unten)

Der Musikexperte spricht sich dagegen aus, Rechtsrock als Einstiegsdroge zu bezeichnen, und warnt vor Alarmismus und Panikmache. Dem Mythos von der Einstiegsdroge liege, meint Hindrichs, eine frühromantische Vorstellung über die Macht der Musik zugrunde. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass Musik für die extreme Rechte durchaus wichtig ist – und zwar als Geldquelle, zur Bildung von Netzwerken, zur Feindmarkierung und der Selbstvergewisserung.

Bei der Rekrutierung von Jugendlichen für die extrem rechte Szene spiele Musik kaum eine Rolle, aber ohne Musik würde extrem rechten Jugendlichen natürlich etwas Entscheidendes fehlen, fasst Hindrichs zusammenin. Zum Thema findet heute in Koblenz die Fachtagung «Rechte Musik in rechten Lebenswelten» statt.

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

Biel will Kreativstadt werden

Mit dem Projekt «Kreativstadt Biel» lanciert die Stadt am Jurafuss ein Förderprogramm, das neue Instrumente zur Unterstützung bei der Erstellung und Verbreitung von künstlerischen Projekten bündelt.

Plastik «Equi-Libre» von Jürg Altherr auf dem Bieler Strandboden. Foto: Roland Zumbühl/picswiss.ch

Zur Nachwuchsförderung sollen zusätzliche Mittel eingesetzt werden, die jungen Kunstschaffenden helfen, bestimmte berufliche Kosten zu decken und sich so besser auf ihre Projekte konzentrieren zu können. Eine weitere Art der Hilfestellung sieht Stipendien für besonders vielversprechende Kunstschaffende vor, sodass diese bei der Weiterentwicklung ihrer künstlerischen Laufbahn unterstützt werden.

Auch die Verbreitung von Bieler Kulturprodukten wird gefördert werden, und zwar auch ausserhalb der Stadt. Dies war bisher nicht möglich. Und schliesslich wird durch Beratungs- und Mentoring-Angebote auch die professionelle Begleitung Kunstschaffender
verbessert. Der Gemeinderat sieht für diese neuen Instrumente 200’000 Franken im Kulturbudget vor.

Im Bereich der Kulturförderung unterstützt die Stadt Biel regionale und lokale Kulturinstitutionen durch vierjährige Leistungsverträge. Sie fördert kulturelle Aktivitäten in Biel ausserdem durch punktuelle finanzielle Zuschüsse zu einzelnen Veranstaltungen. Schliesslich unterstützt sie das professionelle Kunstschaffen mit Werkbeiträgen. Dieses Instrument macht mit einem jährlichen Budget von aktuell 180’000 Franken 2 Prozent des Budgets der Dienststelle für Kultur aus. Mit dieser Summe beantwortete die Stadt 2019 38 Prozent der Unterstützungsgesuche für Werkbeiträge positiv.

 

Annoni und Membrez ausgezeichnet

Der mit 10’000 Franken dotierte Kulturvermittlungspreis des Kantons Bern geht an die Musiker und Musikvermittler Julien Annoni und Olivier Membrez aus dem Berner Jura. Der Verein Spoken Word in Biel wird mit dem Kulturpreis 2019 ausgezeichnet.

Julien Annoni (li.) und Olivier Membrez. Foto: © Lucas Dubuis

Das Schaffen der beiden Musiker und Musikvermittler Julien Annoni und Olivier Membrez aus dem Berner Jura sei vielschichtig, avantgardistisch und stets der zeitgenössischen Musik verpflichtet, schreibt der Kanton Bern. Die Leiter des Vereins Usinesonore erarbeiteten «im Geist der Offenheit und künstlerischen Erneuerung zeitgenössische Musikereignisse, wobei sie besonderes Gewicht auf die Vermittlung legen und dafür immer wieder neue Formen finden».

So gelinge es den beiden Musikern, ihre Leidenschaft für die zeitgenössische Musik auf ein Publikum jeden Alters überspringen zu lassen. Der Kanton Bern würdigt das Musikerduo Annoni/Membrez «für ihr unermüdliches Engagement für die Musik von heute und ihre innovativen Ansätze der Musikvermittlung» mit dem Kulturvermittlungspreis 2019.

Aus für Sternstunde Musik

Das Schweizer Fernsehen muss kürzer treten. Die Folge sind ein Einstellungsstopp und Sparmassnahmen bei den Sendungen. Diese bedeuten unter anderem das Aus für die Sternstunde Musik.

Foto: Helene Souza (s. unten)

Der Rückgang der Werbeeinahmen ist beim Schweizer Fernsehen dramatischer als angenommen. Im Rendez-vous am Mittag erklärte die Fernsehdirektorin Nathalie Wappler deshalb, dass ein Einstellungsstopp erfolge. Abgänge sollen nicht mehr ersetzt und Stellen verzögert wieder besetzt werden. Zudem würden die Spesenbudgets zusammengestrichen.

Auch einzelne Sendungen müssen mit kleineren Budgets rechnen. Die Sternstunde Musik fällt laut Wappler den Sparmassnahmen sogar vollständig zum Opfer.

Foto: Helene Souza / pixelio.de

Werkbeitrag für Artra-Trio

Zum vierten Mal hat die Schwyzer Kulturkommission in vier Sparten Werkbeiträge ausgeschrieben. In den Genuss eines Werkbetrages kommt nun auch das Artra Trio.

Artra-Trio (Bild: Webseite Artra-Trio)

Das Artra-Trio besteht aus Laurent Girard (Klavier), Jacqueline Wachter (Akkordeon) und Mathias Meyer (Schlagzeug). Sie planen ein Projekt mit Namen «Moonshot», «Es handelt sich um ein spartenübergreifendes musikalisch-theatralisches Bühnenspektakel. Es erhält einen kantonalen Betrag in der Höhe von 18’000 Franken.

Die letzten Projekte des Trios waren das Theater «D’Sänerei ide Veefröid» der Theatergruppe Richterswil (2019) und Filmmusik zu «Die Rückkehr der Wölfe» des Regisseurs Thomas Horat (2019).

Ausgezeichnet werden vom Kanton Schwyz überdies: in der Sparte Bildende Kunst Bruno Steiner (15’000 Franken), in der Sparte Kurz- und Animationsfilm Mirjam Landolt (14’000 Franken) und Silvio Ketterer (12 000 Franken) sowie in der Sparte Theater und Tanz Bettina Zumstein (8000 Franken).

Jazz-Club Esse zieht um

Der Zürcher Regierungsrat hat 2,1 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds für zwölf gemeinnützige Projekte im Kanton Zürich freigegeben. Darunter befindet das Jazz-Lokal Esse in Winterthur, das umzieht.

Neuer Standort: das ehemaliges Zeughaus Winterthur. Foto: Willi Reutimann

Der weit über Winterthur hinaus bekannte Jazz-Club Esse musste aus seinem Domizil am Hauptbahnhof ausziehen und wechselt in das ehemalige Zeughaus, wo er das neue Lokal mit einem Aufwand von 675‘000 Franken konzertgerecht einrichtet; er kann dabei nach dem Beschluss des Regierungsrates auf 180‘000 Franken aus dem Lotteriefonds zählen.

In dem Club findet seit Mai 2005 jeden Donnerstag- und Freitagabend ein Jazz-Konzert statt. Die Stilbreite reicht dabei von Bebop bis Elektro. Zusätzlich spielt an zwei Mittwochabenden pro Monat eine Hausband, das Ghost Town Trio, mit jeweils einer Gastsängerin oder einem Gastsänger.

Gegenvorschlag zum Zürcher Musikschulgesetz

Die Kommission für Bildung und Kultur des Zürcher Kantonsrats lehnt die kantonale
Volksinitiative für ein neues Musikschulgesetz ab, unterbreitet dem Rat jedoch einen
Gegenvorschlag, der nach Ansicht der Zürcher Musikschulen die Anliegen der Initianten in weiten Teilen aufgreift.

Detail vom Portal des Zürcher Rathauses (Ostseite). Foto: Sidonius (s. unten)

Die Kommission (KBIK) schlägt mit zehn Prozent eine höhere Kostenbeteiligung des Kantons vor als der Regierungsrat, der mit drei Prozent «an den völlig unangemessenen heutigen Beiträgen» habe festhalten wollen, schreiben die Zürcher Musikschulen. Noch in einem weiteren Punkt weiche die KBIK vom Vorschlag des Regierungsrates ab: Die Vorbereitungskurse auf das Musikstudium (PreColleges), die seit Jahren von den Musikschulen angeboten werden, sollten zwar mit den Fachhochschulen koordiniert, nicht jedoch unter deren Regie durchgeführt werden. Das erhöhe die Vielfalt des Angebots.

Wenig erfreut sind die Initianten über die Plafonierung der Elternbeiträge bei 50 Prozent, also deutlich über dem heutigen Durchschnitt. Damit bestehe die Gefahr, dass die Elterntarife von Gemeinde zu Gemeinde weiter auseinanderdrifteten.
 

Foto: Sidonius / wikimedia commons GFDL

Scharniere zur Natur

Das Festival Neue Musik Rümlingen bleibt diesmal nicht zu Hause. Eine Klangwanderung findet im Engadin statt. Die Gedanken schweifen um die Berührung mit der Erde.

Akiko Sabine Ahrendt in Carola Bauckholts «Doppelbelichtung». Fotos: Kathrin Schulthess

Happening, Environment oder einfach nur Outdoormusik? Mit den Begriffen ist es nicht mehr so einfach, seit die Grenzüberschreitung gesucht und damit experimentiert wird. Andererseits war Musik ja noch nie reibungslos auf einen Nenner oder gar auf einen Punkt zu bringen. Sie entzieht sich gern. Harmonische Analysen geben nur rudimentäre Eindrücke; im Journalismus übliche Adjektive sind auch nicht mehr als Annäherungen.

Wer das Festival Rümlingen besucht, macht sich so seine Gedanken. Unter freiem Himmel gab es diesmal wieder eine etwa sechsstündige Klangwanderung. Nur ging es nicht von Rümlingen aus nach Sissach oder Olten, sondern vom kleinen Lavin in der tiefsten Ostschweiz aus: Versprengte Grüppchen machen sich auf ihren Weg nach Sur d’Ardez. Ein steter Wegbegleiter ist der Inn, der ostinat vor sich hin rauscht – und Festivalleiter wie Komponisten inspiriert. Am Flussufer erkundet der Amerikaner Christian Wolff den Klang von Steinen, die er gegeneinanderschlägt; an der nächsten Klangstation spielen an einem Bach Jürg Kienberger und Peter Conradin Zumthor auf mit Wasser gefüllten Gläsern. Nach solch eher esoterisch-anthroposophisch Anmutendem führt der Weg in einen steinernen Tunnel. Fingals Grotte aus den Hebriden von Felix Mendelssohn Bartholdy kommt einem kurz in den Sinn. Doch im höhlenartigen Tunnel sitzt kein Orchester, sondern eine Harfenistin, deren dezent gestrichene oder getupfte Klänge vom deutschen Komponisten Caspar Johannes Walter stammen. «Das Wasser», sagt Walter, «ist das Scharnier zur Natur.» Aus den die Harfe umgebenden Lautsprechern kommen Tropfentöne. Sie sind bearbeitet, erklingen in verschiedenen Höhen und Rhythmen. Trotz Feuchte und Kälte verweilt man gern etwas länger im Dunkeln – wohl wissend, dass die Sonne gleich wieder wärmen wird.

Weiter gehts. Aus dem Tunnel heraus, weiter auf dem Schotterweg Richtung Osten. Auf einem Schild steht «Carola Bauckholt: Doppelbelichtung». Den Blick nach rechts gewendet, sieht man eine Geigerin, die etwas verloren zwischen Bäumen steht. Um sie herum hängen weitere Geigen, aus denen – angeregt durch sogenannte «Transducer» – Vogelstimmen kommen. Angesichts ihrer Verdopplung von Natur hatte Bauckholt etwas Skrupel. Letztlich aber zeigt sich in solchen Arrangements, dass ein «künstlerisch-zivilisatorischer Eingriff» immer andere Akzente setzt als die «Natur an sich». Sei es auch «nur» durch die Tatsache, dass eine so versierte Geigerin wie Akiko Sabine Ahrendt unglaublich virtuos Vögel imitieren kann in den höchsten Regionen ihres Instruments.

Inspiriert von Leta Semadeni

Natürlich sind es auch die Schattenseiten des Konzertsaals, die einem zwischen Lavin und Sur d’Ardez in den Sinn kommen. Zwischen den Klangstationen geht es ganz zwanglos zu. Man unterhält sich über das Gehörte, man lässt sich inspirieren vom wuchtigen Hochgebirge oder von Klängen, die ihre subtilen Seiten offenbaren. Daniel Ott «hasst es, wenn dem Publikum eine Freiheit suggeriert wird, die es nicht nutzen darf». Der Schweizer Festivalleiter und Komponist steuerte diesmal selbst eine Klangstation namens Chavorgia bei. Bläser primär der Musica Concordia Ardez spielen auf einem Waldhang einige ausgewählte Akkorde, während ein Duett mit Akkordeon und Klarinette schöne Kantilenen intoniert. Ott hat sich von der Struktur eines Gedichts der in Lavin lebenden Schriftstellerin Leta Semadeni inspirieren lassen. Die gesamte Silbenanzahl des kurzen Gedichts Chavorgia überträgt er auf die Grossform seines gelungenen musikalischen Environments, das vielleicht doch eher eine Outdoormusik ist.

Leta Semadenis Lyrik vertont auch Beat Furrer. In der kleinen Dorfkirche in Sur en d’Ardez singt die Sopranistin Rinnat Moriah betörend schön, ebenso ausdrucksstark wie flexibel begleitet vom fantastischen Saxofonisten Markus Weiss. Unglaubliche Kraft entwickelt die naturnahe Mystik Semadenis, die sich im kargen Kirchenraum gut entfaltet. In mia vita da vuolp – In meinem Leben als Fuchs heisst das Gedicht, in dem die Lyrikerin schreibt: «Ich wusste nicht meinen Namen, war nur immerfort da, wo die Pfote die Erde berührt.» Nun ist der Mensch kein Fuchs. Aber etwas kann er doch von ihm lernen – im einfachen Umherflanieren, fernab von Begriffen, fernab vom ständigen Fragen nach einem Warum.
 

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Bläser primär der Musica Concordia Ardez in Daniel Otts «Chavorgia»

Nachklang

Die Festivalleitung teilte mit, der Jahrgang 2019 sei noch nicht ganz vorbei. Am 16. November folge um 20 Uhr in der Kirche Rümlingen ein «Nachklang».

www.neue-musik-ruemlingen.ch

Musik macht wettbewerbsfähiger

Forscher des Instituts für Begabungsforschung in der Musik (IBFM) der Universität Paderborn zeigen auf, dass der Wettbewerb «Jugend musiziert» auch hochqualifizierten Nachwuchs in aussermusikalischen Berufen fördert.

Foto: Samuel Zeller / Unsplash (s. unten)

Die Studie ergab, dass etwa die Hälfte der befragten Wettbewerbsteilnehmer heute einer beruflichen Tätigkeit mit Musikbezug nachgeht – teils fest angestellt, teils freiberuflich. Von dieser Hälfte arbeiten 40 Prozent freiberuflich als professionelle Musiker. In Orchestern spielen 20 Prozent, einer freiberuflichen musikpädagogischen Tätigkeit gehen 30 Prozent nach. Die andere Hälfte der Befragten, die keinen direkten musikbezogenen Beruf ausübt, arbeitet zum Beispiel in administrativen, sozialen, bildungsbezogenen, medizinischen oder technisch-naturwissenschaftlichen Bereichen.

Dem Wettbewerb bescheinigen 75 Prozent der Befragten einen durchweg positiven Einfluss auf ihre musikalische Entwicklung. Lediglich 3 Prozent berichteten über negative Erlebnisse. Vor allem der Erwerb von Soft Skills, wie etwa Erfahrungen durch Auftritts-, Wettbewerbs- und Prüfungstraining, genauso wie der Erwerb von Disziplin und Durchhaltevermögen, sei von den Befragten positiv hervorgehoben worden.

Mehr Infos:
https://www.uni-paderborn.de/nachricht/91018

Poetisch und monumental

Zum 25-jährigen Bestehen hat sich das ensemble cantissimo sowohl ein lieblich-zartes wie auch ein feierlich-philosophisches Programm vorgenommen.

Fotos: zVg,SMPV

1994 von Professor Markus Utz gegründet und seither unter seiner Leitung, ist das ensemble cantissimo nicht nur mit spektakulären Wiederentdeckungen und Uraufführungen grosser Meister der Chormusik hervorgetreten, sondern auch mit der Klangpräsenz seiner professionellen Sängerinnen und Sänger. Die feine, transparente Qualität des Chors gepaart mit ungewöhnlichen und spannungsreichen Programmkonzepten macht es zu einem gefragten Vokalensemble in Deutschland, in der Schweiz und darüber hinaus. Die letztjährigen Konzerte in New York, Boston und an der Yale University an der Ostküste der USA waren ein grosser Erfolg und Bestätigung zugleich.

Das 25-jährige Jubiläum 2019 begeht das ensemble cantissimo festlich und feierlich. Zwei Konzert-Projekte sind vorgesehen, die beide durch Interaktionen mit einem Instrumentalsolisten und einem Rezitator reizvolle und packende Hörerlebnisse versprechen: Liebe – Songs of Love und die h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach. Beide Projekte werden in mehreren Konzerten zur Aufführung gebracht.

Poetisch

Unter dem Titel Liebe – Songs of Love legt cantissimo den Fokus auf ein zentrales und weltumspannendes Thema der Menschheit – auf die Liebe. Das Ensemble hat meisterhafte Vertonungen aus dem «Hohelied der Liebe» vom Frühbarock bis in die Gegenwart hinein ausgewählt und bindet diese in einen stilistisch grenzüberschreitenden Dialog mit einer solistischen, improvisierenden Querflöte, gespielt vom Zürcher Flötisten Matthias Ziegler. Sein Engagement gilt der traditionellen Flötenliteratur, der zeitgenössischen Musik wie auch Musikkonzepten zwischen Klassik und Jazz.

Es erklingen bildhafte Hoheliedmotetten des frühbarocken Komponisten Melchior Franck, die klangsinnigen Four Songs of Love des erst kürzlich verstorbenen schwedischen Komponisten Sven-David Sandström und die siebenteilige A-cappella-Kantate Le Cantique des Cantiques von Jean-Yves Daniel-Lesur. Als Zeitgenosse von Olivier Messiaen teilte er mit ihm die Überzeugung, dass sich sinnliche und glaubende Liebe nicht ausschlössen, sondern als Erfahrungen ergänzten und steigerten.

Monumental

Das zweite Konzertprojekt widmet ensemble cantissimo Johann Sebastian Bach und seiner h-Moll–Messe. Sie ist ein Schlüsselwerk der Musikgeschichte, mit ihren 26 Sätzen nach 250 Jahren aktueller denn je, ein musikalisches Sinnbild des menschlichen Daseins, ein Werk in der Balance von grossartiger Musik und persönlichem Glaubenszeugnis. Das ensemble cantissimo wird Bachs h-Moll-Messe zusammen mit dem Schweizer Barockorchester le buisson prospérant und dem Schriftsteller Robert Schneider (Schlafes Bruder) als Rezitator präsentieren. Er schrieb seine «Fünf Tropen» als kurze Reflexionen zur h-Moll-Messe. Sie umkreisen das Thema Kindheit, Erwachsensein und wieder Kind werden und kommen erstmals in der Schweiz zur Aufführung.

Die Solopartien werden aus den eigenen Reihen besetzt, wie es auch zu Bachs Zeiten üblich war. Das Barockorchester le buisson prospérant setzt sich aus Musikerinnen und Musikern zusammen, die an prominenten Positionen im Opernorchester Philharmonia Zürich, den Barockorchestern La Scintilla und Capriccio Basel, dem Luzerner Sinfonieorchester oder der Camerata Bern spielen.

Konzerttermine

Historische Aufarbeitung der Meisterkurse in Luzern

Ein Forschungsprojekt der Hochschule Luzern hat die langjährige Geschichte der viel beachteten Meisterkurse in Luzern umfassend dokumentiert und in einer gemeinsamen Publikation mit dem Luzerner Stadtarchiv veröffentlicht.

Foto: Privatbesitz Hansheinz Schneeberger, Basel, Foto: Jean Schneider,SMPV

Im Rahmen der Internationalen Musikfestwochen Luzern, dem Vorreiter des heutigen Lucerne Festival, wurden 1943 die Meisterkurse für besonders begabte Musikerinnen und Musiker ins Leben gerufen. Bis 2003 kamen jeden Sommer bedeutende Künstlerpersönlichkeiten nach Luzern, etwa die Pianisten Edwin Fischer und Géza Anda, die Geiger Carl Flesch und Wolfgang Schneiderhan, der Cellist Enrico Mainardi oder die Sängerin Franziska Martienssen-Lohmann. Sie und viele andere unterrichteten in den Räumlichkeiten des Konservatoriums eine internationale Studierendenschar und gaben ihr Wissen an die junge Generation weiter.

Obwohl die Durchführungen teilweise gut dokumentiert sind, gab es bisher keine ausführliche Aufarbeitung zu den Meisterkursen. Aus diesem Grund hat David Koch, Musikforscher an der Hochschule Luzern, die Geschichte der Meisterkurse in Luzern umfassend untersucht und archivarisch erschlossen. Unter anderem ging er dabei der Frage nach, wie der Zeitgeist die Veranstaltung geprägt hat bzw. wie und durch welche Schlüsselpersönlichkeiten die Institution über die Jahre auf das Musikwesen der Stadt Luzern sowie dessen Wahrnehmung und Ausstrahlung eingewirkt hat.
 

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«Die Luzerner Meisterkurse sind eine echte Erfolgsgeschichte. Sie zählen rückblickend zweifellos zu den renommiertesten ihrer Art in Europa» sagt David Koch. Die anwesende Weltelite an den Musikfestwochen habe es möglich gemacht, dass insgesamt rund 350 Meisterkurse mit jährlich bis zu 200 Teilnehmenden stattfinden konnten, schwerpunktmässig in Klavier, Violine, Violoncello und Gesang. «Die Liste der Dozierenden umfasst beinahe hundert Namen, die auch über die Musikfestwochen hinaus oftmals eine enge Beziehung zur Stadt und zum Konservatorium gepflegt haben», so Koch. «Auch aus diesem Grund geniesst Luzern bis heute den Ruf einer Musikstadt von Weltrang.»

Die Meisterkurse sind in der damaligen Form zwar Geschichte, aber die Idee lebt im Rahmen der Lucerne Festival Academy weiter. So finden jeweils im Sommer Klassen für Komposition und Dirigieren sowie im Rahmen des Piano-Festivals und in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern Meisterkurse für Klavier statt.

Die Ergebnisse der rund zweijährigen Forschungsarbeit von David Koch sind in der vom Luzerner Stadtarchiv betreuten Schriftenreihe «Luzern im Wandel der Zeiten» erschienen.
 

Bildlegende

Carl Flesch (r.) mit seiner Meisterklasse 1944, in der Mitte steht der junge Hansheinz Schneeberger (5.v.l).

 

Angaben zum Buch

Branchentreff der Chorszene

Rund 2500 Fachteilnehmerinnen und -teilnehmer besuchten die chor.com, den grössten deutschsprachigen Anlass für Vokalmusik.

Mädchenchor Hannover und Voces8 im gemeinsamen Workshop. Foto: © Rüdiger Schestag

In Zeiten zurückgehenden ehrenamtlichen Engagements ist es nicht selbstverständlich, dass sich im September während vier Tagen Chorleiter, Ausbildnerinnen, Vereinsträger und nicht zuletzt Sängerinnen in Hannover einfanden, um über Fragen der Chorarbeit zu diskutieren. Standen in zahlreichen der rund 180 Workshops chorspezifische Themen im Mittelpunkt (Popchorleitung, Kinderchorarbeit, Complete Vocal Technique, Standup Composing, Reading Sessions zu neuer Literatur), wurden in überraschend vielen Arbeitsgruppen Fragen zur Vereins- und Verbandsarbeit gestellt. So diskutierte die Deutsche Chorjugend über cleveres Lobbying für die eigene Sache: Vielerorts ist der öffentliche Zuspruch unbestritten, geht jedoch (noch) nicht mit einer auch nur annähernd ausreichenden finanziellen Unterstützung einher – trotz des mantraartig wiederholten Wortes vom «gesellschaftlichen Zusammenhalt», den Vereine mit ihrer Kulturarbeit bieten.

Mehr Unterstützung für Chorleitende gefordert

Theo Geissler, Herausgeber der Neuen Musikzeitung NMZ, fragte: «Ist den Chorleiterinnen und Chorleitern noch zu helfen?» Im Podiumsgespräch mit diesem Titel, u. a. mit Kevin Breitbach vom Internationalen Chorleiterverband und Nelli Holzki vom Schwäbischen Chorverband, wurden vermehrte Anstrengungen der Trägerschaften gefordert. Die vielfältigen Management- und Bildungsaufgaben müssten gemeinsam geschultert und – wo nötig – Mandate für grosse Projekte ausser Haus vergeben werden.

Immer wieder wurde in den angeregten und ernsthaften Debatten deutlich: Der Nachwuchs ist längst an der Arbeit und bereit, die bisherigen, z. T. veralteten Strukturen zu übernehmen und mit zeitgemässen Ideen und Kommunikation zu bereichern.

Konzertprogramm vom Juwel bis zur Rarität

Die mehr als 10 000 Konzertbesucher hatten die Qual der Wahl; an vier Abenden waren 35 Veranstaltungen in Kirchen und Sälen der Stadt vorgesehen. Bereits der Eröffnungsabend zeigte die Bandbreite vokalen Musizierens: Ein klassisches Motettenprogramm des NDR-Rundfunkchors (Leitung Klaas Stok) mit Werken von Johann Sebastian Bach und Johannes Brahms verzückte das Publikum in der Neustädter Hof- und Stadtkirche und liess nur den Wunsch zurück, es mögen sich stets Menschen zusammentun, diese Musik zu musizieren. Im Theater am Aegi zeigten derweil Maybebop und Unduzo, wie unterhaltsamer A-cappella-Pop auf hochmusikalische Weise geht.

Eine Kuriosität hatten die Mitglieder des Jugendchors der Hochschule für Musik und Theater Hannover und des Mädchenchors der Berliner Sing-Akademie vorbereitet. Unter der kundigen Leitung von Friederike Stahmer zeigten sie die «Alterssünde» Des Esels Schatten von Richard Strauss, eine in Vergessenheit geratene Jugendoper des Komponisten für seinen Enkel, der am Gymnasium in Ettal um seine Versetzung bangte und den Schulleiter damit zu besänftigen suchte.

Weiterbildungsangebot und Netzwerktreffen

Erstmals war die hiesige Chorszene durch einen Messestand der Schweizerischen Chorvereinigung vertreten. Am frei zugänglichen Forum im Congress Centrum Hannover waren Austauschmöglichkeiten mit Schweizer (Jugend-)Chören, Arbeitsmöglichkeiten als Chorleiterinnen und -leiter sowie Chorliteratur besonders nachgefragt; dankenswerterweise lag ein von Johannes Meister zusammengestelltes Konvolut aktueller Schweizer Chorkompositionen und -arrangements vor.

«Die chor.com ist eine einzigartige Plattform, bei der sich die Chorszene in ihrer ganzen Vielfalt begegnet. Menschen kommen zusammen, tauschen sich aus und lernen voneinander. Die chor.com ist Knotenpunkt und Wegweiser für die wachsende internationale Vokalmusik. Sie wirkt in unsere Gesellschaft hinein und ist als Format ebenso grossartig wie unverzichtbar», betonte Christian Wulff, der Präsident des Deutschen Chorverbands.

Deutschlandfunk Kultur begleitete zahlreiche Veranstaltungen, die nun zum Nachhören bereitstehen: dlfkultur.de

Die nächste chor.com findet vom 23. bis 26. September 2021 in Hannover statt.
 

Das grosse Rauschen

Vom 11. bis 15. September liess es das Musikfestival Bern rauschen, raunen und rumpeln. Fast allzu viele Eindrücke – und eine Referenz an Luigi Nono.

Die Berner Dampfzentrale, einer der Veranstaltungsorte. Foto: SMZ,Foto: SMZ

Es war viel los an jenem Wochenende Mitte September in der Szene für zeitgenössische Musik, man hätte gleichzeitig das Festival Rümlingen, die Zeiträume Basel und das Musikfestival Bern besuchen können. Besonders ärgerlich, dass sowohl Basel als auch Bern einen Luigi-Nono-Schwerpunkt anboten. «Geplant war das Festival in Bern eine Woche früher», kommentiert Geschäftsführer Andri Probst die unglückliche Überschneidung, «aber an diesem Datum fand die Wiedereröffnung des Casinos Bern statt, wir mussten ausweichen.»

Das Musikfestival Bern wird getragen von zahlreichen Berner Institutionen und Ensembles aus der klassischen Musik und angrenzenden Bereichen. Vor allem experimentierfreudige Veranstalter erhalten durch dieses gemeinsame Dach mehr Gewicht, ein Thema sorgt für Einheit: Nach «Irrlicht» und «unzeitig» hiess es diesmal «rauschen». Das Festival findet jährlich statt und bietet eine kaum überblickbare Fülle an Konzerten, Performances, Workshops, öffentlichen Proben und Gesprächen. «Nach Vorgabe des Themas kann man Projekte eingeben. Ein Kuratorium bestehend aus Daniel Glaus, Susanne Huber, Thomas Meyer und Martin Schütz wählt dann die Beiträge aus», umschreibt Andri Probst das Vorgehen beim Programmieren.

Das Ziel ist, aus gängigen Konzertmustern auszubrechen: näher zum Publikum, offener für Experimente. Flexibilität heisst das Stichwort, und es gilt gleichermassen für die Agierenden wie für das Publikum, das selten weiss, was es erwartet.

Drei Kompositionen über Klee

Um sich wirklich auf das «Rauschen» einzulassen, musste man heuer zudem viel Zeit mitbringen. So auch am Donnerstag, wo am Mittag ein Konzert mit Helena Winkelman (Violine) und Irina Ungureanu (Sopran) im Zentrum Paul Klee angesagt war. Nadir Vassena, Helena Winkelman und Alfred Zimmerlin hatten je einen Kompositionsauftrag erhalten, wobei ein Bild von Paul Klee als Vorlage diente. Auf kleinem Format hat Klee das uralte chinesische Gedicht Beim Rauschen des Wassers und Trommelklang in Farben, Formen und Buchstaben «zusammenkomponiert». Eine spannende Ausgangslage, welche die drei Komponistinnen und Komponisten ganz unterschiedlich angingen.

Nadir Vassena stellt das Rauschen, das leise Mäandern und Sich-Vorwärtstasten mit Geigenflageoletts und piano gehauchten Wortfetzen der Singstimme ins Zentrum. Ganz anders Helena Winkelman, die gleichsam ins Werk hineinspringt, sich rhythmische und farbliche Felder erobert, indem sie die Musik um Worte wie «Trommel» oder «Glückes Lust!» gruppiert: ein Stück mit Ecken und Kanten und doch vorwärtsdrängendem Drive – mitreissend interpretiert. Alfred Zimmerlin dann extrovertiert: Kraftvoll wird das Gedicht einmal durchrezitiert, begleitet von einem elektronisch erzeugten Rhythmus, der alsbald in Rauschen übergeht und die «Livemusik» zerstört. Zwischen den Werken philosophierte Christian Grüny über den Text- und Bildaufbau bei Klee. Es war eine spannende, anspruchsvolle Stunde, bei der Ohren und Geist aufs Äusserste gefordert waren.

Vom Kartonrumpeln bis zum atmenden Klarsein

Danach gings zu zwei Installationen in die Dampfzentrale. Den Standort kennen die Berner, als Auswärtige musste man sich durchschlagen, denn im Programm fehlte eine Beschreibung. Dort wurde man von 189 eng nebeneinander aufgehängten Kartonboxen empfangen, die sich dank 42 Motoren bewegten. Die von Zimoun (*1977) geschaffene Skulptur rauschte, murmelte und rumpelte unablässig leise vor sich hin: eine Industriehalle mit meditativ aufgeladenem Charme, dem auch Kinder nicht widerstehen konnten. Eine Schulklasse lauschte unter Anleitung von Tobias Reber den ungewohnten Geräuschen.

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Zimouns rauschende Kartonwand:
42 prepared dc-motors, 189 cardboard boxes 35x35x35 cm

Vor der Installation Out there von Werner Hasler (Komposition) und Hugo Ryser (Szenografie und Projektion) warnte Reber: «Es wird sehr laut.» Damit hatte er bei dem elektronischen «Geräuschbombardement» nicht untertrieben. Dazu waren im dunklen Raum sechs Leinwände im Kreis aufgestellt, wobei die darauf projizierten Wellenmuster die Sinne zusätzlich verwirrten.

Da konnte man nur noch fliehen, zurück zu Paul Klee, wo ein Education-Projekt wartete: In Rauschen zensiert hatten 120 Schülerinnen und Schüler unter Anleitung von Mirco Huser und Tim Reichen mit Alltagsgegenständen «richtig rauschen» gelernt. Im Raum um das Publikum herum aufgestellt, schabten sie vierzig Minuten lang mit Plastikflaschen, Bürsten und Plastiksäcken, durch Stampfen und Ähnliches wild drauflos. Einmal war ein «Eins-zwei-Cha Cha Cha» zu hören – ansonsten viel Chaos und für das Publikum eine Zumutung.

Da freute man sich auf das Konzert am Abend im Münster: Christina Daletska, der Gabrielichor Bern und das Vokalensemble Zürich unter der Leitung von Andreas Reize und Peter Siegwart entführten die Hörenden in eine Wunderwelt der Klänge. In Werken von Giovanni Gabrieli, Luigi Nono und Gabrielle Brunner entfaltete sich eine für Venedig typische «Raummusik». Im Mittelpunkt La fabbrica illuminata (1964) und Das atmende Klarsein (1980–83) von Luigi Nono, dem das Festival seine Reverenz erwies. Der gelungene Ausklang eines heterogenen Tages voller experimenteller Abenteuer.
 

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