Schweizer Kultursektor im «künstlichen Koma»

Seit rund 11 Monaten unterliegt die Kultur- und Veranstaltungsbranche einem eigentlichen Arbeitsverbot. Davon sind rund 270 000 Kulturschaffende und rund 63 000 Kulturunternehmen betroffen. Die geplante Verlängerung der Pandemie-Massnahmen ist aus gesundheitlicher Sicht verständlich, aber für die Taskforce Culture sind Arbeits- und Veranstaltungsverbote massive Eingriffe in die Wirtschafts- und Kunstfreiheit.

Das Bundeshaus in Bern. Foto: SMZ

Die Taskforce Culture hat deshalb am Tag vor der wahrscheinlichen Verlängerung des Kultur-Lockdowns erneut einen Brief an den Gesamtbundesrat gerichtet. Sie fordert darin einfache, rasche und wirksame Entschädigungen und eine Strategie für die Wiederaufnahme des Kulturlebens, dies auch im Interesse der Bevölkerung, die Kulturanlässe besuchen will oder selber kulturell aktiv ist. Sie schreibt:

«Die Taskforce Culture kann nicht nachvollziehen, warum die versprochenen Entschädigungen bis heute nur zögerlich oder spät fliessen. So ist beispielsweise das neue Formular für eine Ausfallentschädigung gemäss der Covid-19-Kulturverordnung, die auf die Durchschnittswerte der letzten zwei Jahre abstellt, noch nicht in allen Kantonen online, obwohl die gesetzliche Meldefrist am 31. Januar ausläuft. Dies ist unhaltbar. Es braucht daher dringend schweizweit einheitliche Regelungen und eine klare Vereinfachung der unübersichtlichen Unterstützungsmassnahmen. Die Härtefallentschädigung muss auch für den Kultur- und Veranstaltungssektor zugänglich sein, solange zahlreiche kantonale Einschränkungen die Ausfallentschädigung aushöhlen. So dürfen einerseits keine Veranstaltungen mehr stattfinden, aber entstandene Schäden werden trotz Verbot nicht angemessen entschädigt, wenn sie bspw. in einem Kanton ansässig sind, der die Ausfallentschädigung deckelt.

Schwer nachvollziehbar ist auch die zögerliche Zusprache von dringend benötigten Unterstützungen wie beispielsweise der Kurzarbeitsentschädigung für befristet Angestellte. Befristete Arbeitsverhältnisse sind gerade im Kultursektor häufig anzutreffen. Dennoch wurde die Kurzarbeitsentschädigung für befristet Angestellte nur für drei Monate bis Ende März bewilligt. Angesichts der aktuellen Situation ist das unverständlich.

Was der Kultursektor zum Überleben braucht

Der Schweizer Kultursektor wurde ins künstliche Koma versetzt. Der Bundesrat bestimmt in den nächsten Tagen nötige Anpassungen bei den Abfederungsmassnahmen. Um das zu überleben, braucht der Kultursektor unter anderem:

  • Kurzarbeitsentschädigung (auch für befristet Angestellte) bis zum Normalbetrieb, mindestens aber bis Ende 2021
  • Corona-Erwerbsersatzentschädigung für alle Selbständigerwerbenden, deren Betrieb aufgrund der Pandemiemassnahmen eingeschränkt wurde, bereits ab einer Umsatzeinbusse von 10% bis zum Normalbetrieb, mindestens aber bis Ende 2021 und unter Ausrichtung einer Betriebszulage
  • Eine volle Ausfallentschädigung für Kulturunternehmen und Kulturschaffende (100%) ohne kantonale Deckelungen oder Ausschlüsse bis zum Normalbetrieb, mindestens aber bis Ende 2021
  • Zugang zur subsidiären Härtefallentschädigung auch für Kulturbetriebe, ob Einzelfirma oder juristische Person, bis zum Normalbetrieb, mindestens aber bis Ende 2021

Es kann nicht sein, dass die Schweizerische Nationalbank mittlerweile über eine Ausschüttungsreserve von annähernd 100 Mrd. Franken verfügt und in dieser Krisenzeit dennoch nur 4 Mrd. an die öffentliche Hand ausschütten will. Geld für rasche und ausreichende Entschädigungen an die lahm gelegten Branchen wie die Kultur wäre in der Schweiz vorhanden …»
 

Die Mitglieder der Taskforce Culture

Streaming hat 2020 stark zugelegt

2020 wurden in Deutschland über 139 Milliarden Musik-Streams generiert. Das sind fast ein Drittel mehr als 2019 (107 Milliarden) und drei Viertel mehr als 2018, als noch 79,5 Milliarden Streams gemessen wurden.

Foto: Zarak Khan/unsplash.com (s. unten)

Die Sonderauswertung von GfK Entertainment in Kooperation mit dem Bundesverband Musikindustrie (BVMI) zeigt überdies, dass sich die Zahl sämtlicher Streaming-Abrufe seit dem Start der Erfassung im Jahr 2013 auf insgesamt 457 Milliarden summiert. Grundlage der Sonderauswertung sind werbebasierte und kostenpflichtige Musik-Streams ab einer Dauer von 31 Sekunden.

In der Kategorie «meistgestreamter Song binnen 24 Stunden» brach Mariah Careys «All I Want For Christmas Is You» mit 4,5 Millionen Klicks am 24. Dezember 2020 seinen eigenen Bestwert aus dem Vorjahr (3,2 Millionen) noch einmal deutlich. An zweiter Stelle landet nun «Last Christmas» von Wham!, das 4,2 Millionen Streams erzielte. Insgesamt besetzen Weihnachtstitel die komplette Top 5 der Auswertung und zeichnen für acht der zehn meistgestreamten Songs innerhalb eines Tages verantwortlich.

 

Kanton St Gallen erhöht Werkbeiträge

Der Kanton St Gallen erhöht die verfügbare Summe für Werkbeiträge von 260’000 auf rund 460’000 Franken und offeriert weiterhin Atelieraufenthalte in Rom und Berlin. Interessierte können ihre Bewerbungen für diese Fördermassnahmen bis am 20. Februar 2021 online einreichen.

Zudem werden Atelieraufenthalte in Rom vergeben. Foto: Frank Eiffert/unsplash.com (s. unten)

Der Kanton unterstützt die durch die Corona-Pandemie sehr hart getroffenen Kunst- und Kulturschaffenden im kommenden Jahr mit rund 460’000 Franken. Damit stehen im Vergleich zu den Vorjahren zusätzliche 200’000 Franken für Werkbeiträge zur Verfügung. Neu ist ein Teil des Kredits auch für die Vorsorgebeiträge an die 2. und 3. Säule reserviert.

Kulturschaffende können einen Werkbeitrag in der Höhe von 10’000, 20’000 oder 30’000 Franken beantragen. Auch ist es möglich, eine individuelle Weiterbildungsidee einzureichen, die einen bestimmten Aufenthalt oder eine Stage umfassen kann. Ein weiteres Förderinstrument sind die Aufenthalte in den Atelierwohnungen in Rom und Berlin. Letzteres wird durch die Zusammenarbeit mit dem Amt für Kultur des Fürstentums Liechtenstein ermöglicht. In Rom steht die Wohnung während zwei mal drei Monaten und in Berlin für einmal drei Monate zur Verfügung.

Das Amt für Kultur führt in Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro St.Gallen und der Kulturförderung der Stadt St.Gallen einen gemeinsamen Informationsabend durch. Dieser ist kostenlos und wird per Skype durchgeführt. Anmeldungen werden hier entgegengenommen: www.kulturbuero.ch/sg/laden/beratung.

Zoltán Fejérvári unterrichtet in Basel

Der ungarische Pianist Zoltán Fejérvári wird ab Herbstsemester 2021/22 an der Hochschule für Musik FHNW in Basel unterrichten. Bisher lehrte er an der Franz-Liszt-Musikakademie in Budapest.

Zoltán Fejérvári (Bild: Balazs Borocz)

Als Gewinner des Concours Musical International de Montréal 2017 und Empfänger des Borletti-Buitoni Trust Fellowship 2016 ist Zoltán Fejérvári in ganz Amerika und Europa aufgetreten, unter anderem in der Carnegie Hall, dem kanadischen Place des Arts, dem Gasteig in München, dem Lingotto in Turin, dem Palau de Música in Valencia oder der Biblioteca Nacional de Buenos Aires.

Er trat als Solist mit dem Budapest Festival Orchestra, dem Ungarischen Nationalorchester, dem Verbier Chamber Orchestra und Concerto Budapest auf und arbeitete mit Dirigenten wie Iván Fischer, Gábor Tákács-Nagy, Ken-Ichiro Kobayashi und Zoltán Kocsis zusammen. Seine neueste Aufnahme, Schumann, ist im Mai 2020 beim Label Atma Classique erschienen.

Kulturbetriebe bis Ende Februar geschlossen?

Der Bundesrat plant, die Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus um fünf Wochen bis Ende Februar zu verlängern. Er hat dazu heute an einer ausserordentlichen Sitzung eine Aussprache geführt und wird nach Konsultation der Kantone am 13. Januar definitiv entscheiden.

Foto: Edwin Hooper/unsplash.com (s. unten)

Bereits heute sei absehbar, dass die Fallzahlen in den nächsten Wochen nicht deutlich und nachhaltig sinken werden, heisst es in der Medienmitteilung des Bundes. Der Bundesrat gehe deshalb davon aus, dass die am 18. Dezember 2020 beschlossenen Massnahmen über den 22. Januar 2021 hinaus aufrechterhalten bleiben müssen.

Er schlägt vor, die Schliessung der Restaurants sowie der Kultur-, Sport- und Freizeitanlagen um fünf Wochen bis Ende Februar zu verlängern. Damit soll für die betroffenen Betriebe und Mitarbeitenden Planungssicherheit geschaffen werden. Der Bundesrat wird nach Konsultation der Kantone an seiner Sitzung vom 13. Januar definitiv über die Verlängerung und deren Dauer entscheiden. Ebenfalls am 13. Januar wird der Bundesrat über weitere Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen entscheiden.

Link zur vollständigen Mitteilung:
www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-81881.html
 

Cristobal und Böhlen unterrichten in Basel

Carles Cristobal wird an der Schola Cantorum Basiliensis ab September 2021 als Nachfolger von Donna Agrell die Klasse für Historisches Fagott übernehmen, Andreas Böhlen als Nachfolger von Han Tol eine Klasse für Blockflöte.

Andreas Böhlen. Foto: zVg

Andreas Böhlen ist ein Blockflötist mit breitem Spektrum. Seine Tätigkeitsfelder umfassen sowohl den Bereich der Alten Musik als auch die zeitgenössischen Musik und den Jazz. Sein Spezialgebiet ist die Improvisation in verschiedenen historischen Stilen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts. Er leitet mit Theatrum Affectuum und Satyr’s Band eigene Formationen für Alte Musik. Zudem ist er Mitglied verschiedener Kammermusikformationen in ganz Europa und pflegt die Zusammenarbeit mit renommierten Orchestern. Darüber hinaus ist er auch als Jazz-Saxophonist aktiv.

Carles Cristobal (geboren 1976) stammt aus der Nähe von Barcelona und begann sein Fagottstudium bei Joseph Borras am Conservatori Professional de Musica de Badalona. 2004 absolvierte er ein Diplom für Alte Musik an der Schola Cantorum Basiliensis bei Claude Wassmer und Donna Agrell.
Seither ist er als freischaffender Fagottist tätig und pflegt eine intensive Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Ensembles wie dem Balthasar-Neumann-Ensemble, Hesperion XXI und Le Concert de Nations, dem Kammerorchester Basel und dem La Cetra Barockorchester.

Tschumi-Preise für Schwarzl und Spitzenstätter

Der Eduard-Tschumi-Preis 2020 der Berner Hochschule der Künste (HKB) geht an die Flötistin und Musikvermittlerin Johanna Schwarzl sowie an den Bassklarinettisten Christian Spitzenstätter (Bild unten) aus der Klasse von Ernesto Molinari.

Johanna Schwarzl. Foto: zVg

Der Studiengang des Masters in Specialized Music Performance der Hochschule der Künste Bern HKB ist die höchste Stufe der klassischen Musikausbildung in der Schweiz. Alljährlich werden für die besten Gesamtbewertungen die Eduard-Tschumi-Preise verliehen. Gewonnen haben in der aktuellen Ausgabe 2020 je einen Preis in der Höhe von 6000 Franken die Flötistin Johanna Schwarzl in der Vertiefung «Music in Context/Musikvermittlung» und der Klarinettist Christian Spitzenstätter in der Vertiefung «Solist».

Johanna Schwarzl hat in ihrem Vermittlungsprojekt «Der letzte Müller» gemeinsam mit den Männerchören Büren zum Hof und Kirchberg eine von ihr bearbeitete Fassung von Schuberts «Die Schöne Müllerin» in einer alten Getreidemühle in Kirchberg aufgeführt.

Christian Spitzenstätter interpretierte im vom Sinfonie Orchester Biel Solothurn begleiteten Solistenkonzert eine eigene Komposition, in der er nicht nur als Bassklarinettist, sondern auch als Saxofonist seine musikalischen Vorbilder aus gegensätzlichen Genres des 20. Jahrhunderts einband. Sein Rezital führte er in der Reithalle Bern weiter als Konzertinstallation mit Uraufführungen und einer volkstümlichen Blaskapelle.

Als zusätzliche Förderung erhalten die beiden neu die Möglichkeit, mit der Unterstützung der Bürgi-Willert-Stiftung im Saisonprogramm des Berner Symphonieorchesters kammermusikalisch oder solistisch aufzutreten.

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